Duisburg: Sauerland in Bedrängnis:Keiner will es gewesen sein

Am Tag fünf nach der Katastrophe in Duisburg schieben sich die öffentlich Beschuldigten gegenseitig die Verantwortung zu. NRW-Ministerpräsidentin Kraft legt Duisburgs Oberbürgermeister Sauerland indirekt den Rücktritt nahe - der sieht dazu keinerlei Veranlassung.

Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat dem Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) nach der Massenpanik bei der Loveparade indirekt den Rücktritt nahegelegt. "Der Duisburger Oberbürgermeister und die Verantwortlichen in der Stadtspitze werden sich letztendlich der politischen Verantwortung stellen müssen", sagte Kraft der Rheinischen Post. Sie habe den Eindruck, dass Sauerland glaube, er würde Schuld eingestehen, wenn er die politische Verantwortung übernähme. "Diesen Zusammenhang gibt es aber nicht", sagte die SPD-Politikerin.

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Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland sagte zu den Rücktrittsforderungen an seine Person: "Persönliche Verantwortung kann es nur geben, wenn es ungerechtfertigte Eingriffe in den Prozess gegeben hätte. Diese gab es aber nicht."

(Foto: afp)

Auch Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) legte Sauerland indirekt den Rücktritt nahe. "Es gibt eine politisch-moralische Verantwortung", sagte Jäger am Donnerstag im ZDF. Sauerland wäre gut beraten, die Frage seiner moralischen Verantwortung "sehr schnell zu beantworten".

Adolf Sauerland kämpft indes weiter gegen die heftigen Vorwürfe nach der Katastrophe. Der CDU-Politiker besteht darauf, keine Genehmigung für die Techno-Party unterschrieben zu haben. "Das ist gar nicht der Job des Oberbürgermeisters, Genehmigungen zu unterschreiben", sagte er in einem Interview mit der Bild-Zeitung. Von Dokumenten, die im Vorfeld der Loveparade das Konzept des Veranstalters kritisierten, will Sauerland nichts gewusst haben. "Mit diesem operativen Handling habe ich nichts zu tun", heißt es weiter in dem Interview. Nach seiner Auffassung habe der Unglücksort außerdem nicht im Verantwortungsbereich der Stadt gelegen: "Dieser Bereich lag auf dem Veranstaltungsgelände." Für Maßnahmen auf dem Gelände sei die Stadt somit nicht verantwortlich gewesen. Einen Rücktritt lehnt der Duisburger OB weiter ab. "Persönliche Verantwortung kann es nur geben, wenn es ungerechtfertigte Eingriffe in den Prozess gegeben hätte. Diese gab es aber nicht", sagte Sauerland den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe. Er klebe nicht an seinem Stuhl, sondern wolle helfen, die Katastrophe aufzuklären.

"Mit diesem operativen Handling habe ich nichts zu tun"

Sauerland bat außerdem die Angehörigen der Loveparade-Opfer für Fehlinformationen am Unglückstag um Entschuldigung. Er bezog sich damit auf die Information, nach der Opfer bei der Flucht vor der Massenpanik zu Tode gestürzt seien. "Diese Aussage war definitiv falsch, und ich entschuldige mich für diese Aussage bei allen, vor allem bei den Angehörigen der Opfer." Ärzte hätten diese Meldung dem Krisenstab gegeben.

Landesinnenminister Jäger hatte sich am Mittwochabend in der ARD bereits überzeugt gezeigt, dass die Ermittlungen in ein Strafverfahren münden würden. "Da wird natürlich der Staatsanwalt auch die Rolle der Stadt Duisburg zu prüfen haben." Die Verantwortung für die inzwischen 21 Todesopfer der Massenpanik am vergangenen Samstag sieht Jäger indes bei Loveparade-Chef Rainer Schaller. Jäger betonte: "Ausschließlich der Veranstalter ist für die Sicherheit der Menschen in dem Veranstaltungsraum zuständig - niemand anderes." Aufgabe der Polizei sei gewesen, außerhalb des Veranstaltungsgeländes am früheren Güterbahnhof für Sicherheit zu sorgen. Die Polizei habe verhindert, dass es noch mehr Tote und Verletzte gab. Rainer Schaller gab sich am Abend zurückhaltend. Jägers Vorwürfe gegen ihn müssten nun sehr genau geprüft werden, teilte Schaller der Nachrichtenagentur dpa mit.

Bei den gegenseitigen Schuldzuweisungen legte auch der Duisburger Baudezernent Jürgen Dressler nach. Ähnlich wie zuvor bereits Schaller machte er die Polizei für das Desaster verantwortlich. "Der Tunnelbereich gehörte zum öffentlichen Raum außerhalb des Veranstaltungsgeländes. Für die Sicherheit im öffentlichen Raum ist die Polizei zuständig", sagte Dressler der Rheinischen Post. Dresslers Behörde war für die Genehmigung der Loveparade in Duisburg zuständig.

In der Nacht zum Mittwoch hatte sich die Zahl der Toten auf 21 erhöht. Eine 25-Jährige aus Heiligenhaus bei Essen starb im Krankenhaus. Damit kamen bisher 13 Frauen und 8 Männer im Alter von 18 bis 38 Jahren ums Leben. Mehr als 500 Menschen wurden verletzt. Ministerpräsidentin Kraft sagte, künftig müssten die Städte, die wenig Erfahrung mit sehr großen Veranstaltungen hätten, intensive Beratung und Unterstützung in Sicherheitsfragen erhalten. Um bundeseinheitliche Regeln zu gewährleisten, werde die Landesregierung von NRW ein neues Sicherheitskonzept in die Innenministerkonferenz einbringen, kündigte Kraft an.

Demonstrationen vor dem Duisburger Rathaus

Bei einer Demonstration vor dem Duisburger Rathaus forderten am Donnerstagmorgen etwa 200 Menschen den Rücktritt des Oberbürgermeisters. Sie riefen "Sauerland weg" und forderten ihn vergeblich auf, herauszukommen. Zwischendurch legte die aufgebrachte Menge eine Schweigeminute für die Oper der Loveparade-Katastrophe ein. Der Eingang zum Rathaus wurde von Polizisten bewacht. Sauerland war in den vergangenen Tagen bedroht und auch körperlich angegriffen worden.

Bereits am Mittwochabend gedachten Fußballfans der Opfer. "Wir sind tief traurig, unsere Gedanken sind bei den Angehörigen der Toten, denen wir unser Beileid und Mitgefühl aussprechen", sagte der Kapitän des MSV Duisburg, Ivica Grlic, vor einem Testspiel gegen den VfL Bochum. Die Partie endete 1:1 und wurde vor 3000 Zuschauern in aller Stille im Duisburger Stadion ausgetragen.

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