Nach dem Krim-Referendum:Warum der Westen Putin nicht zu fassen kriegt

Russia's President Putin attends a meeting with members of the government at the Novo-Ogaryovo state residence outside Moscow

Wladimir Putin mit seinem Stab in seinem offiziellen Amtssitz bei Moskau

(Foto: REUTERS)

Sanktionen und Isolation sind die Antworten des Westens auf das russische Vorgehen auf der Krim. Doch beeindruckt das Wladimir Putin überhaupt? Und wie geht es nach dem Referendum weiter? Ist die Halbinsel überlebensfähig? Antworten auf die drängendsten Fragen.

Von Hannah Beitzer und Antonie Rietzschel

Die Halbinsel Krim gehört nun zu Russland - allen Drohungen aus dem Westen zum Trotz hat der russische Präsident Wladimir Putin den entsprechenden Vertrag unterzeichnet, Völkerrecht hin oder her. Welche Auswirkungen hat das für die Halbinsel? Und welche Möglichkeiten bleiben dem Westen überhaupt noch, Putin zu beeinflussen? Wichtige Fragen und Antworten.

Ist die Krim überhaupt überlebensfähig?

Die Halbinsel war bisher von der Unterstützung durch die Ukraine abhängig - Strom, Gas und Wasser für die Krim kommen bisher vor allem von dort. Dass die Krim-Regierung die auf der Halbinsel ansässigen staatlichen Energiekonzerne übernommen hat, bedeutet also keinesfalls, dass die Bewohner eigenständig versorgt werden können - dazu braucht es die Ukraine. Möglich wäre, dass Russland das Land künftig für die Versorgung der Krim bezahlt.

Für Russland könnte die Angliederung aber auch aus anderen Gründen teuer werden. Im Januar hatte das Krim-Parlament für 2014 ein Budget von 540 Millionen Dollar verabschiedet - 300 Millionen Dollar davon sollten aus Kiew kommen. Regierungsvertreter erklärten nun, Russland werde einspringen, wie die New York Times berichtet. Doch Experten glauben, dass das nicht reichen wird. 2,1 Milliarden Euro jährlich werde Russland ausgeben müssen, rechnet die Welt, zum Beispiel für Gehälter von Staatsbediensteten und wirtschaftliche Investitionen. Bereits jetzt leidet die Wirtschaft der Halbinsel. Viele Bankautomaten geben kein Geld mehr aus, Reiseveranstalter klagten bereits vor dem Referendum über Stornierungen - und das nur wenige Wochen vor Beginn der Hauptsaison. Die Krim lebt vor allem vom Tourismus (einen Überblick über die Einnahmequellen der Krim bietet Euronews).

Welche Ziele verfolgt Wladimir Putin?

Mit dem Anschluss der Krim verteidigt Putin seine Interessensphäre. Viele sehen die Annexion der Krim als Beleg dafür, dass Russlands Präsident sein Land wieder als Großmacht positionieren will, ein Anliegen, bei dem er die Mehrheit der Russen hinter sich weiß, schreibt Julian Hans in der SZ. Zeit Online sieht das Referendum gar als "Revanche für 1989". Damals sei die Sowjetunion im Kalten Krieg unterlegen und zerfallen, nun könne das Land sich wieder mächtig fühlen. Doch das ist der westliche Blick auf Putins Handeln - und er steht auch in der Kritik. Der Westen habe Russland lange Zeit nur noch als die unzulängliche Variante Westeuropas verstehen wollen, heißt es zum Beispiel in der FAZ. Nun sei klar geworden, dass Putin diese Rolle nicht einnehmen werde - und stattdessen im Sinne pragmatischer Machtpolitik Fakten schaffe.

Eine weitere Frage, die sich aufdrängt: Genügt Putin die Krim oder wird er in der Ostukraine genauso verfahren? Der industriell geprägte Osten und Süden des Landes hat traditionell eine enge Bindung an Russland, der größte Teil der Bevölkerung dort spricht russisch. Hier hatte auch die russlandfreundliche Partei der Regionen von Ex-Präsident Viktor Janukowitsch ihre Machtbasis. Putin hat sich bereits vom Parlament in Moskau das Recht zusichern lassen, auch im Osten und Süden der Ukraine einzumarschieren - sollten dort Russen in Gefahr sein. Da die Versorgung der Krim über die Ukraine läuft, hat Russland in der Tat handfestes Interesse daran, seinen Einfluss auf die Region nicht ohne weiteres aufzugeben.

Sanktionen und Isolation nimmt Putin in Kauf

Werden die Sanktionen Russland weh tun?

Die Reaktion des russischen Präsidenten auf die von der EU und den USA auferlegten Sanktionen? Kaum mehr als ein Schulterzucken. In seiner Rede an die Nation erklärte Putin, dass sein Land bereits seit Ende der Sowjetunion mit Einschränkungen durch den Westen zu leben habe. Er muss sich tatsächlich keine großen Gedanken machen - zumindest, solange es bei den eben verhängten Sanktionen der zweiten Stufe bleibt.

Die Sperrungen von Konten sowie die Einreiseverbote treffen weder ihn noch seine engsten Vertrauten, schreibt Julian Hans in der SZ. Es sei durchaus denkbar, dass der russische Präsident sogar einkalkuliert habe, dass die Sanktionen negative Folgen haben - für Teile der politischen und wirtschaftlichen Elite Russlands, die Putin für den Erhalt seiner Macht aber nicht mehr als wichtig empfinde. Die Sanktionen könnten ihm sogar gelegen kommen, meint auch die FAZ. Schon seit längerem wolle er die Eliten "nationalisieren", also verhindern, dass russische Firmen und Geschäftsleute Geld im Ausland anlegten und investierten.

Ein wirksameres Mittel wären allgemeine Wirtschaftssanktionen, die nicht nur Einzelpersonen, sondern die gesamte Wirtschaft betreffen. Die will die EU jedoch nur verhängen, sollte Putin in der Ostukraine eingreifen. Die Risiken wären allerdings auch für den Westen nicht unbeträchtlich. Die EU ist etwa auf russische Energielieferungen angewiesen. Doch sollte Russland tatsächlich das Gas abdrehen, würde sich das Land nur selbst schaden, analysieren zwei Autoren des Centre for European Policy Studies. Denn die Wirtschaft des Landes ist in hohem Maße von Energieexporten abhängig.

Wie wichtig ist Putin die Mitgliedschaft in der G8?

Ausgerechnet im russischen Sotschi hätten sich die G8, die Gruppe der führenden Industriestaaten, im Juni treffen sollen. Nun sieht es so aus, als würden sich stattdessen nur die G7 treffen - ohne Russland. Am Rande des für den 25. und 26. März geplanten Nukleargipfels in Den Haag sollen die Staaten nach dem Willen von US-Präsident Barack Obama über das russische Vorgehen auf der Krim beraten. Die G8 sind keine internationale Organisation, sondern ein Netzwerk, das sich regelmäßig zu Gesprächen trifft, um über globale Themen zu beraten. Dieses Netzwerk, das sich zunächst vor allem über Finanz- und Währungsfragen austauschte, wurde 1975 von Deutschland, den USA, Japan, Großbritannien, Frankreich und Italien ins Leben gerufen, 1976 wurde Kanada Mitglied. 1998 kam Russland dazu, zunächst nur als "Teilnehmer". Der Zusammenschluss hat keine schriftlich fixierte Statuten, Aufgabenstellungen oder Regeln für die Mitgliedschaft. Letztere ist eher symbolischer Natur - und ihr Verlust für Wladimir Putin daher zu verschmerzen, denken Experten.

Kritik an der Mitgliedschaft Russlands gibt es schon seit längerer Zeit - weder sei Russland wirtschaftlich auf Höhe der anderen Nationen, noch herrschten dort ähnliche Vorstellungen von Demokratie, gesellschaftlicher Entwicklung und Bedeutung der Menschenrechte. Nach rein wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten war die Aufnahme 1997 unter dem damaligen Präsidenten Boris Jelzin ohnehin nicht erfolgt, vielmehr wollte der Westen nach dem Ende des Kalten Krieges neue Partnerschaften knüpfen. In der Tat werden auf den Treffen der G8 neben Wirtschaftspolitik auch außen- und sicherheitspolitischen Fragen besprochen. Zuletzt zum Beispiel auf dem G8-Gipfel in London, wo es unter anderem um die Syrien-Frage ging.

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