Anschlag in Karatschi:Pakistan gefährdet sich selbst

Die pakistanische Regierung hat sich aus taktischen Gründen auf eine Zusammenarbeit mit den Taliban eingelassen. Ein unkontrollierbares Risiko - tatsächlich ist die Existenz des Atomwaffenstaates bedroht.

Tobias Matern

So sieht Rache im Stil der Taliban aus: Eine Miliz überfällt den pakistanischen Marine-Stützpunkt in der Hafenstadt Karatschi, tötet mindestens ein Dutzend Menschen und fackelt Flugzeuge ab. Die Kämpfer halten sich 15 Stunden auf einem der eigentlich am besten gesicherten Militärkomplexe des Landes auf, bis die Sicherheitskräfte die Lage wieder unter Kontrolle haben.

Die eindeutige Botschaft der Extremisten lautet: Auch nach dem Tod Osama bin Ladens werden wir nicht ruhen und diesen Staat so lange bekämpfen, bis die Macht uns gehört.

Die Extremisten sehen sich im Krieg, Menschenleben, auch von Landsleuten, sind aus ihrer Sicht nichts wert - vor allem dann nicht, wenn es sich um Vertreter der Streitkräfte handelt, die in den Augen der Militanten mit dem amerikanischen Teufel verbündet sind.

All dies klingt nach einem eindeutigen Freund-Feind-Schema. Aber im Falle Pakistans ist nicht so einfach auszumachen, wo die Trennlinien verlaufen. Eine Kommandoaktion wie in Karatschi zu planen und auszuführen, ist ohne das Wissen von Insidern nur schwer denkbar.

Das allein wäre schon schlimm genug für den Sicherheitsapparat, der sich mit dem wohl größten Terrorproblem der Welt konfrontiert sieht. Aber die pakistanische Malaise reicht noch tiefer. Das Establishment hält es für taktisch geschickt, ja sogar erforderlich, für die Nachkriegsordnung in Afghanistan auf die Trumpfkarte Taliban zu setzen.

Die Extremisten sind aber längst keine steuerbare, in eine pakistanische oder afghanische Fraktion trennbare Truppe mehr. Sie führen ein Eigenleben, das den Atomwaffenstaat Pakistan in seiner Existenz bedroht. Das Inferno von Karatschi hat dies erneut bewiesen.

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