Nach dem Absturz eines Bundeswehr-Hubschraubers:Ein Moment des Innehaltens

Von der Leyen reist nach Mali und Niger

Ursula von der Leyen nimmt an einem Feldgottesdienst im Camp Castor in Gao teil. Der vorgezogene Besuch in Mali ist die letzte geplante Einsatzreise der Verteidigungsministerin vor der Bundestagswahl im September.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gedenkt in Mali der beiden abgestürzten Hubschrauberpiloten. Und sie spricht mit den deutschen Soldaten in Gao, wie diese mit dem Tod der Kameraden umgehen.

Marja Alm hatte nicht viel Zeit für Trauer. Wenn so ein Unglück passiere, müsse ein Soldat schließlich funktionieren, sagt die 33-Jährige. Alm erzählt von der Fassungslosigkeit, der Hilflosigkeit, auch der Wut im Camp Castor in Mali in den vergangenen Tagen. Doch als die IT-Stabsoffizierin aus Erfurt am Mittwoch von dem tödlichen Tiger-Unglück ihrer Kameraden erfährt, muss sie erst mal koordinieren, arbeiten - funktionieren eben. Sie kannte die beiden gestorbenen Soldaten persönlich. Man begegne sich in der Kantine, beim Essen, auf den Wegen des Camps. "Egal, wie eng man mit denen war, es sind Kameraden, die wir aus unserer Mitte verloren haben", sagt sie. "Das ist sehr bewegend, nimmt uns mit."

"Dieser Verlust wiegt schwer", sagt die Ministerin am Sonntag zu den Soldaten

Am Mittwoch stürzten zwei Soldaten mit einem Kampfhubschrauber Tiger in Mali ab - die ersten Todesfälle deutscher Soldaten im Einsatz seit 2015. Die Leichen sind seit Samstag wieder in der Heimat, das Wrack liegt immer noch an der Absturzstelle 70 Kilometer nordöstlich von Gao. Ein Team der Bundeswehr hat mittlerweile zwei Flugschreiber gefunden, die aber stark beschädigt sind; die Ursache des Absturzes bleibt unklar. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zog ihre ohnehin geplante Mali-Reise nun vor, um mehr Zeit mit der Truppe verbringen zu können. Es ist ihre letzte geplante Einsatzreise als Verteidigungsministerin vor der Bundestagswahl - und es dürfte wohl die emotional schwierigste sein. Sie wolle nun bei den Soldaten sein, "Raum und Zeit für viele Gespräche schaffen". Die beiden toten Kameraden seien unter den Soldaten hochgeschätzt gewesen, die anderen hätten zu ihnen aufgesehen. "Dieser Verlust wiegt schwer."

Am Vormittag versammeln sich in Camp Castor 100 deutsche Soldaten zum Feldgottesdienst, von der Leyen singt und betet mit den Soldaten. "Wir haben eine sehr schwere Woche hinter uns", sagt Militärpfarrer Andreas Bronder. Der Kommandeur der deutschen Heeresflieger, Oberstleutnant Thomas Blum, sagte, es sei "jetzt nicht die Zeit, zu spekulieren oder zu früh zu Urteilen zu kommen. Es geht uns darum, wann und wie wir hier den Flugbetrieb wieder ordnungsgemäß aufnehmen können, zu verstehen, was wirklich da draußen passiert ist und auch den Besatzungen die entsprechende Ruhe zu geben." Die betroffene Besatzung sei sehr erfahren gewesen, sagte Blum.

Die Temperatur von 36, 37 Grad sei für den Tiger kein Problem. Man funktioniere eben wie ein Rädchen im System, meint Hauptmann Christof Stein nach dem Gottesdienst. "Wir können ja nicht sagen, wir verkriechen uns", sagt der 31-Jährige. "Wir müssen den Auftrag weiterführen." Der Auftrag der Bundeswehr und der UN-Truppen, das ist die Sicherung eines Friedensabkommens zwischen Regierung und Rebellen. Denn der Feind schläft nicht - und der Frieden in Mali ist brüchig. Mali ist mittlerweile nach Afghanistan der zweitgrößte Einsatz der Bundeswehr. Mehr als 890 Soldaten der Bundeswehr sind in der ehemaligen Rebellenhochburg Gao stationiert. Die Mission Minusma ist aber auch die tödlichste aktuelle UN-Mission. Immer wieder werden Blauhelmsoldaten bei Anschlägen und Angriffen von Aufständischen getötet.

Im Falle des Hubschrauberabsturzes spricht aber bislang nichts für einen Angriff oder Abschuss. Der Hubschrauber krachte einfach auf den Boden, brannte komplett aus. Weder Pilot noch Schütze setzten einen Notruf ab. Die UN-Mission berichtet von Erkenntnissen, die auf technisches Versagen hindeuten. Von der Leyen wollte sich am Sonntag noch von Luftfahrtexperten der Truppe unterrichten lassen. Die Piloten-Gemeinschaft der Bundeswehr hatte zuvor kritisiert, dass die Tiger-Hubschrauber nicht ausreichend für den Einsatz in Mali getestet seien und den Piloten die vorgeschriebene Routine fehle. Dies stimme nicht, meint hingegen Stabsoffizierin Marja Alm. Sie freut sich über den Besuch der Ministerin. Ihr sei wichtig, dass die Anteilnahme persönlich sei, "dass sie hier ist, und nicht - salopp gesagt - einen Brief schickt".

Marja Alm will nun nach vorne blicken mit ihren Kameraden. Am Sinn des Einsatzes zweifelt sie nicht. "Das war ein Unfall, der überall sonst auch hätte passieren können."

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