Nach Bombenalarm am Bonner Hauptbahnhof:Spur in die Salafisten-Szene

Die Verdächtigen gehören zum radikalen, gewaltbereiten Kern der Islamistenszene im Rheinland. Nach dem Fund einer Tasche mit zündfähigem Material am Bonner Hauptbahnhof haben die Behörden einen 27-jährigen Somalier festgenommen, nach einem weiteren Mann wird gefahndet.

Von Annette Ramelsberger und Bernd Dörries

Nach dem Fund einer Bombenvorrichtung im Bonner Hauptbahnhof ist am Dienstag ein Somalier festgenommen worden, der der radikalen Bonner Salafistenszene zugerechnet wird. Fahnder des Landeskriminalamts stellten den 27 Jahre alten Omar D. in der Bonner Innenstadt. Der Salafist wird verdächtigt, eine Tasche mit zündfähigem Material in einem Wartesaal im Bahnhof abgestellt zu haben.

Kurz darauf wurde nach einem Bericht des Bonner General-Anzeigers auch ein weiterer Verdächtiger in Bonn festgenommen. Ob es sich um Abdirazak B. handelt, war zunächst nicht klar. Der 28-Jährige ist ein Freund von Omar D. Die beiden waren schon vor vier Jahren verdächtigt worden, in den gewalttätigen Dschihad ziehen zu wollen. Die Polizei holte sie damals aus einem Flugzeug Richtung Entebbe. Die Polizei hatte Anhaltspunkte, dass sie sich in ein Terrorlager der radikal-islamischen Al-Shabaab-Milizen absetzen wollten.

Wie die Süddeutsche Zeitung erfuhr, war die Tasche mit dem Sprengstoff einem 14 Jahre alten Schüler aufgefallen, weil der Besitzer der Tasche sich schnell entfernt und mehrmals umgeschaut hatte. Der Junge hatte die Tasche aus Neugier inspiziert und den verdächtigen Inhalt erkannt. Es sollen zwei Metallkartuschen mit einem Ammoniakgemisch sein. "Es handelt sich bei der Sprengvorrichtung nicht um Kinderspielzeug", sagte ein Terrorfahnder der SZ. "Das ist schon eine ernsthafte Sache." Aber die Polizei fand auch nach gründlichem Absuchen des Bahnhofs bis zum Dienstagnachmittag keinen Zünder.

Handy-Daten sollen Auskunft geben

Der junge Zeuge meinte später, den verdächtigen Mann auf Polizeifotos wiederzuerkennen, auf denen islamistische Gefährder abgebildet sind. Nordrhein-Westfalen löste eine Großfahndung aus. Es wird aktuell nach einem 1,90 Meter großen dunkelhäutigen Mann gesucht. Anhand von Handy-Daten soll geprüft werden, ob sich die beiden Verdächtigen Omar D. und Abdirazak B. tatsächlich zur Tatzeit gegen Montag 13 Uhr am Bonner Hauptbahnhof aufgehalten haben.

Der Fall erinnert an den Sommer 2006, als zwei Islamisten zwei Kofferbomben auf dem Kölner Hauptbahnhof in Regionalzügen deponiert hatten. Die Bomben explodierten nur wegen eines handwerklichen Fehlers nicht.

Im Fall der Sprengstofftasche von Bonn wollen die Ermittler aber auch einen rechtsradikalen Hintergrund nicht sofort ausschließen. Schon einmal, im Jahr 2004, hatte sich die Polizei in Nordrhein-Westfalen vorschnell auf einen Bombenanschlag von ausländischen Extremisten festgelegt, als in Wirklichkeit die Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) eine Nagelbombe in einer hauptsächlich von Ausländern bewohnten Straße in Köln gezündet hatten. Damals waren 22 Menschen verletzt worden.

Experten des Landeskriminalamts versuchen nun, die Sprengvorrichtung vom Bonner Hauptbahnhof zu rekonstruieren, um zu sehen, welche Gefahr von ihr ausging. Die Bonner Polizei hatte von einer funktionstüchtigen Rohrbombe gesprochen, die Bundespolizei von einer Attrappe.

Abdirazak B. und Omar D. zählen nach Auskunft von Ermittlern zum radikalen, gewaltbereiten Kern der Islamistenszene im Rheinland. Laut Verfassungsschutz leben etwa 3800 Salafisten in der Bundesrepublik, ein Schwerpunkt ist Nordrhein-Westfalen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: