Nach Beginn der Beobachtermission:USA werfen Damaskus neue Gewalteskalation vor

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In Syrien zeichnet sich trotz Waffenruhe keine Entspannung ab: "Kaum ein einziger Punkt" des Friedensplans sei von der syrischen Führung umgesetzt worden, heißt es aus der Regierung von US-Präsident Obama. Oppositionelle berichten erneut von vielen Toten. Die Verhandlungen über eine ungehinderte Arbeit der Beobachtermission im ganzen Land sollen zum Erliegen gekommen sein.

Wenige Tage nach Inkrafttreten der Waffenruhe in Syrien eskaliert die Gewalt wieder. Nach Angaben von Oppositionellen starben am Dienstag 77 Menschen bei Kämpfen und Angriffen der Regierungstruppen.

"Das ist die höchste Zahl an Todesopfern seit Inkrafttreten der Waffenruhe am 12. April", sagte der Aktivist Omar Homsi der Nachrichtenagentur dpa. Die meisten Opfer habe es in Daraa im Süden, in Homs und in der nördlichen Provinz Idlib gegeben. Außerdem seien bei der Explosion einer Autobombe in der Region Aleppo mindestens 20 Menschen verletzt worden.

Die USA riefen Staatschef Baschar al-Assad deswegen erneut zur Einhaltung des Friedenplans auf. Die derzeitige Lage sei "inakzeptabel", sagte Regierungssprecher Mark Toner am Dienstag in Washington. Die Verantwortung für die anhaltende Gewalt liege "beim Regime", das seinen Teil der Vereinbarungen einhalten müsse, sagte Toner. Die Führung müsse "alle Punkte des Plans" von Kofi Annan, dem Sondergesandten von Vereinten Nationen und Arabischer Liga, umsetzen. Bislang sei jedoch "kaum ein einziger" Punkt erfüllt, kritisierte der Regierungssprecher.

Der Einsatz der UN-Blauhelme, die die Einhaltung der Waffenruhe überwachen sollen, kommt nur langsam voran. Verhandlungen über eine ungehinderte Arbeit der Mission in ganz Syrien seien zum Erliegen gekommen, hieß es am Dienstag am Sitz der Vereinten Nationen in New York. Es bestehe "das Risiko, dass die Syrer insgesamt nicht zustimmen", sagte ein Diplomat. Ein anderer Diplomat sprach von einem "Stillstand", den Syriens Staatschef Baschar al-Assad "mit Absicht" herbeigeführt habe.

Allerdings gelang es Vertretern eines Voraustrupps, am Dienstag die Provinz Daraa zu besuchen. Man habe einen "ausgezeichnet" verlaufenen Besuch in Daraa unternehmen können, sagte der Leiter des Teams, der marokkanische Oberst Ahmed Himmiche. "Wir können sagen, dass wir vorankommen."

Regimegegener protestieren gegen Blauhelme

Wie syrische Aktivisten der dpa sagten, wurde der Besuch der Blauhelme in Daraa von Protesten syrischer Regimegegner begleitet. Damit habe man auf die "gescheiterte UN-Mission in Syrien" aufmerksam machen wollen, hieß es.

Das Syrien-Komitee der Arabischen Liga rief die Regierung von Präsident Baschar al-Assad auf, sich an den Sechs-Punkte-Plan des Sondervermittlers Kofi Annan zu halten, um den politischen Übergang, der zu einem demokratischen System mit mehreren Parteien führen soll, zu erleichtern. Bis jetzt sei kein Fortschritt bei der Umsetzung des Plans zu sehen, sagte der Ministerpräsident von Katar, Scheich Hamad bin Dschasim al-Thani, bei dem Treffen in Doha, an dem Annan teilnahm. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, verlangte die Umsetzung einer "vollständigen und sofortigen" Waffenruhe.

"Das Team sieht sich mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert, was die praktischen Vorbereitungen und die geplanten Besuche in den Unruhegebieten angeht", sagte ein in Syrien stationierter westlicher Diplomat der dpa zum Einsatz der Blauhelme. Ein marokkanisches Mitglied des UN-Vorauskommandos erklärte: "Es ist nicht einfach und es bedarf der Abstimmung mit allen Seiten."

Die syrische Regierung will die Beobachter, die unbewaffnet sind, bei ihren Fahrten in die Protesthochburgen begleiten. Andernfalls könne sie die Sicherheit der Ausländer nicht garantieren, hieß es aus Regierungskreisen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die Europäische Union auf, Hubschrauber und Flugzeuge für den Einsatz bereitzustellen. Er meldete Zweifel an, dass die vorgesehenen 250 Beobachter ausreichen, um flächendeckend mögliche Verletzungen der von Annan vermittelten Waffenruhe festzustellen.

Russland kritisiert Waffenlieferungen an Opposition

Ungeduldig zeigte sich der russische Außenminister Sergej Lawrow. Er sagte am Dienstag in Moskau in Anspielung auf Saudi-Arabien und Katar, "bestimmte Länder" verhinderten Fortschritte in Syrien, indem sie Waffen an die Opposition lieferten. Frankreichs Außenminister Alain Juppé forderte schärfere Sanktionen. "Wir müssen den Druck auf das syrische Regime aufrechterhalten", sagte er am Dienstag bei einem Treffen zur Überprüfung der Wirksamkeit der Strafmaßnahmen in Paris.

In einer Abschlusserklärung verurteilten die Vertreter der etwa 50 teilnehmenden Staaten vor allem die anhaltenden Waffenverkäufe an Damaskus. Unterstützer des Assad-Regimes wurden aufgerufen, die Geschäfte mit der Regierung in Damaskus einzustellen.

Am vergangenen Donnerstag war in Syrien offiziell eine Waffenruhe in Kraft getreten. Sie ist Teil des Friedensplans von Kofi Annan, der im Auftrag von Vereinten Nationen und Arabischer Liga in dem Konflikt vermittelt. Der Plan sieht neben der Waffenruhe auch freien Zugang für humanitäre Hilfe und Journalisten vor sowie die Freilassung der politischen Gefangenen.

© dpa/AFP/mane - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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