Nach Attentat:Reker gewinnt absolute Mehrheit bei OB-Wahl in Köln

  • Henriette Reker hat bei der Oberbürgermeisterwahl in Köln die absolute Mehrheit bekommen.
  • Am Samstag hatte ein Mann die parteilose Kandidatin bei einem Wahlkampfauftritt mit einem Messer schwer am Hals verletzt.
  • Ein Gutachter hat den Attentäter für voll schuldfähig erklärt.

Von Simon Hurtz und Bernd Dörries

Am Tag nach dem Attentat auf Henriette Reker hat die parteilose Kandidatin bei der Oberbürgermeisterwahl in Köln schon im ersten Wahlgang die nötige absolute Mehrheit bekommen. Für Reker stimmten 52,7 Prozent der Wahlberechtigten, wie aus dem vorläufigen amtlichen Endergebnis hervorgeht. Ihr SPD-Kontrahent Jochen Ott kommt auf 32,2 Prozent. Reker wird von CDU, Grünen und FDP unterstützt. Die 58-Jährige war am Samstagmorgen an einem Wahlstand auf einem Wochenmarkt bei einem Messerangriff schwer am Hals verletzt worden.

Attentäter voll schuldfähig

Der Attentäter, der Reker schwer verletzt hat, war zum Tatzeitpunkt voll schuldfähig. Es gebe keine Anhaltspunkte, nach der psychologischen Begutachtung daran zu zweifeln, so Polizei und Staatsanwaltschaft. Zunächst hatte die Polizei eine psychische Störung bei dem Mann nicht ausgeschlossen.

Die Ermittlungen konzentrierten sich nach Auskunft einer Sprecherin der Kölner Polizei auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund.

Der Mann begründete seinen Angriff nach der Festnahme gegenüber den Beamten mit der Flüchtlingspolitik von Reker. Er habe erklärt, die Politikerin "gezielt und bewusst" aus fremdenfeindlichen Motiven heraus angegriffen zu haben, so der leitende Ermittler. Als Sozialdezernentin ist Reker für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig. Wie Polizeikreise inzwischen bestätigten, sagte Frank S. bei seiner Festnahme: "Merkel, Reker, Flüchtlingsschwemme".

Bei der späteren Vernehmung habe er seine Aussagen allerdings nicht wiederholt, so der Leiter der Kölner Polizeidirektion. Nach Aussage des NRW-Innenministers Ralf Jäger (SPD) ist in die Ermittlungen auch der Verfassungsschutz des Landes eingebunden. Auch der ermittelnde Oberstaatsanwalt sagte, dass Zeugenaussagen auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund hindeuteten.

Rekers Gesundheitszustand

Rekers Ärzte melden, dass sich der Zustand der Kandidatin "positiv entwickelt". Die Politikerin müsse jedoch weiterhin in stationärer Behandlung im Krankenhaus bleiben, so ein Sprecher der Uniklinik Köln. "Der Heilungsverlauf nimmt bei einer Verletzung dieser Art üblicherweise eine gewisse Zeit in Anspruch."

Die Politikerin war am Samstagmittag notoperiert worden. Noch am Abend gaben die behandelnden Ärzten eine erste Entwarnung: Reker sei außer Lebensgefahr und die Operation "sehr gut verlaufen", so Professor Bernd Böttiger. Sein Kollege Professor Karl-Bernd Hüttenbrink ergänzte: "Wir halten zum jetzigen Stand und bei normalem Verlauf die vollständige Wiederherstellung der Gesundheit von Frau Reker für wahrscheinlich."

Tathergang

Am Samstagmorgen befand sich Reker an einem CDU-Infostand auf einer Wahlkampfveranstaltung im Kölner Stadtteil Braunsfeld. Nach Aussage des FDP-Politikers Ralph Sterk verteilte sie Rosen an die Passanten. Um kurz nach neun Uhr fragte sie ein Mann nach einer Blume. Als sie ihm die Rose überreichen wollte, stach der 44-Jährige zu und verletzte die Politikerin im Halsbereich schwer an der Luftröhre. Bei einer Pressekonferenz zeigte die Polizei die beiden Tatwaffen - ein langes Jagdmesser und ein kleines Butterfly-Messer.

Ein zufällig anwesender Mitarbeiter der Bundespolizei konnte den Täter überwältigen, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Bei dem Handgemenge seien vier weitere Personen verletzt worden, davon eine schwer. Unter den Verletzten sollen Rekers persönlicher Referent sowie die Wahlkampfhelferin und FDP-Politikerin Katja Hoyer sein. Am Tatort waren fünf Notärzte, sechs Rettungswagen und ein Rettungshubschrauber im Einsatz. Die Polizei war nach gut sechs Minuten vor Ort und nahm den Täter nach insgesamt neun Minuten fest. Dabei wehrte er sich nicht.

Täter

Der Angreifer Frank S. ist ein 44-jähriger Deutscher, der aus Bonn stammt und seit etwa 15 Jahren allein in einer Wohnung im Kölner Stadtteil Nippes lebt. Eigenen Angaben zufolge ist er seit mehreren Jahren arbeitslos und war zuvor als Maler und Lackierer tätig.

Wie Spiegel Online berichtet, soll er zuletzt durch ausländerfeindliche Kommentare im Internet aufgefallen sein und in der Vergangenheit an Rudolf-Hess-Gedenkmärschen teilgenommen haben. Ermittlerkreise bestätigten der SZ, dass er außerdem vor etwa 20 Jahren in den Reihen der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) aktiv war. Die FAP war ein autoritär nationalistischer Verein, der 1995 aufgrund seiner Verfassungswidrigkeit verboten wurde.

Nachbarn sollen den Mann als unauffällig beschrieben haben, polizeilich war er bisher nicht aufgefallen. Wie die SZ erfuhr, hat auch der Verfassungsschutz keine Daten über den Messerstecher. Nach einer ersten Vernehmung durch die Polizei befindet er sich inzwischen nicht mehr in der Psychiatrie, sondern in Untersuchungshaft. Die bisherigen Erkenntnisse deuten auf einen Einzeltäter hin.

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