Süddeutsche Zeitung

Nach Armenier-Resolution:Nach Incirlik-Besuch: Abgeordnete sehen "Ende der Eiszeit" mit der Türkei

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Von Barbara Galaktionow

Nach vier Monaten Besuchsverbot haben erstmals wieder Abgeordnete des Bundestags die deutschen Soldaten auf der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik getroffen. Delegationsleiter Karl Lamers von der CDU wertete die Reise als Erfolg. Sie habe in den deutsch-türkischen Beziehungen "das Eis gebrochen", sagte er. Die türkische Seite habe "verstanden, dass wir eine Parlamentsarmee haben".

Ähnlich äußerte sich SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold. Die internationale Zusammenarbeit auf der Basis sei "gut", sagte er - und bezog dabei ausdrücklich auch die türkische Seite mit ein. Insgesamt habe der Türkei-Besuch des Verteidigungsausschusses die "Eiszeit, die ein bisschen geherrscht hat, beendet".

Agnieszka Brugger von den Grünen wertete es bereits am Dienstag in einer Mitteilung als "gutes Zeichen, dass wir viel länger als geplant miteinander diskutiert haben". "Wir haben in Incirlik bisher sehr interessante Gespräche geführt und uns ein Bild der Lage vor Ort gemacht", teilte sie der SZ am Mittwoch auf Anfrage mit. Sie betonte allerdings: "Die zahlreichen widersprüchlichen Interessen der unterschiedlichen Staaten sowohl in der Region als auch innerhalb der internationalen Allianz bleiben ein ungelöstes Riesenproblem."

Hintergrund des Konflikts ist die Armenier-Resolution des deutschen Bundestags. Die deutschen Parlamentarier hatten darin im Juni das Vorgehen des Osmanischen Reiches gegen die Armenier vor hundert Jahren als "Völkermord" gewertet. Die türkische Regierung hatte sich empört gezeigt - und den deutschen Abgeordneten einen Besuch bei den deutschen Soldaten auf dem Nato-Stützpunkt Incirlik verwehrt. Erst, nachdem die Bundesregierung öffentlich betont hatte, dass die Resolution nicht bindend sei, hob die türkische Regierung das Besuchsverbot auf.

"Da wurden uns gewissermaßen die Leviten gelesen", sagt der Linke Neu

Allerdings verweigerte die türkische Regierung den deutschen Abgeordneten ein Treffen. Ein Gespräch im Außen- oder Verteidigungsministerium, für das sich die sieben deutschen Delegierten bis zuletzt Zeit freigehalten hatten, fand nicht statt. Auch eine klare Zusage, dass deutsche Abgeordnete die 250 in Incirlik stationierten Bundeswehrsoldaten auch künftig besuchen dürften, gab es von Ankara nicht.

Linken-Verteidigungsexperte Alexander Neu bewertete den Besuch deshalb deutlich kritischer als seine Mitreisenden. Er habe "nicht den Eindruck, dass wir so willkommen waren, wie meine Kollegen aus der Delegation das teilweise wahrgenommen haben", sagte er der SZ am Telefon aus Incirlik. Die Ablehnung eines Treffens mit Regierungsvertretern sei ein "Indiz dafür, dass das deutsch-türkische Verhältnis noch lange nicht in Ordnung ist". In einem Gespräch mit Vertretern des türkischen Verteidigungsausschusses sei man auch auf die Armenier-Resolution zu sprechen gekommen. "Da wurden uns gewissermaßen die Leviten gelesen", sagte Neu.

Neu merkte zudem an, dass die Türkei nur deshalb in den jetzigen Besuch eingewilligt habe, um die Verlängerung der jetzigen Mission sowie die geplante Beteiligung der Bundeswehr am Awacs-Einsatz sicherzustellen. Die Nato will von der Türkei aus Awacs-Flugzeuge gegen den IS einsetzen. Auch die Deutschen sollen sich an dem Einsatz beteiligen, aufgrund des Besuchsverbots stand das aber auf der Kippe. Der Bundestag muss sowohl der Verlängerung der bisherigen Missionen als auch dem Awacs-Einsatz demnächst seine Zustimmung erteilen.

Was die Erfahrungen der deutschen Soldaten nach den politischen Querelen um die Armenier-Resolution und den versuchten Militärputsch in der Türkei angeht, konnte aber auch Neu Positives berichten. Den Soldaten zufolge, mit denen er gesprochen habe, habe sich dadurch im Verhältnis zu den Türken nichts geändert. "Das läuft auf professioneller Ebene ganz rund."

Etwa 250 deutsche Soldaten sind derzeit im türkischen Incirlik stationiert. Sie beteiligen sich mit Aufklärungsflügen am internationalen Kampf gegen den Islamischen Staat. Mehr als 60 Länder beteiligen sich an dieser sogenannten Anti-IS-Koalition. Das deutsche Mandat läuft im Dezember aus.

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