Mysteriöser Quecksilber-Fund:Furcht vor Gift aus Moskau

Der Mord am russischen Ex-Agenten Alexander Litwinenko ist noch nicht aufgeklärt. Nun soll es wieder einen Gift-Anschlag gegeben haben.

Michael Kläsgen

Der Fall erinnert an den mysteriösen Tod des ehemaligen russischen Agenten Alexander Litwinenko in London im November 2006. Der Kreml-Kritiker soll mit Methoden aus dem Kalten Krieg mit einem Nervengift ermordet worden sein. Nun soll die russische Menschenrechtsanwältin Karinna Moskalenko Opfer eines Vergiftungsversuchs geworden sein.

Menschenrechtsanwältin Moskalenko; AFP

Fühlt sich bedroht: Menschenrechtsanwältin Moskalenko.

(Foto: Foto: AFP)

Moskalenko vertritt regimekritische Russen und Tschetschenen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. In Russland gehören die Familie der ermordeten russischen Journalistin Anna Politkowskaja zu ihren Mandanten, der russische Dissident und Ex-Schachspieler Garri Kasparow sowie der inhaftierte Gründer des russischen Ölkonzerns Yukos, Michail Chodorkowskij. Am Dienstag erstattete die 53-Jährige bei der Straßburger Polizei Anzeige gegen Unbekannt. Die französische Kriminalpolizei ermittelt.

Ihr Ehemann hatte am Montag im Auto seiner Frau eine verdächtige Substanz entdeckt und die Polizei verständigt. Die Fahnder gaben die Substanz an ein Labor, dessen Analyse ergab, dass es sich um ein quecksilberähnliches Gemisch handele. Es müsse aber eine zweite Untersuchung abgewartet werden, sagte ein Staatsanwalt.

Die Mengen reichten allerdings nicht aus, um schwere Gesundheitsschäden zu verursachen. Moskalenko sagte, sie wolle sich erst äußern, sobald die Polizei Schlussfolgerungen gezogen habe. Sie fügte hinzu, ihre Gesundheit verschlechtere sich zusehends, ihren Kindern gehe es ebenfalls nicht gut. Alle ließen sich am Dienstag in einem Straßburger Krankenhaus untersuchen.

Moskalenko sollte am Mittwoch in Moskau an ersten Anhörungen im Prozess über den Mord an Anna Politkowskaja teilnehmen. Dies könne sie nun aus Gesundheitsgründen nicht tun, sagte Anna Stawizkaja, eine Anwältin von Politkowskajas Familie. Außerdem müsste sie wegen der Ermittlungen in Frankreich bleiben.

Ihrer Meinung nach handele es sich um einen Einschüchterungsversuch vor dem Prozessauftakt. Stawizkaja zufolge leidet Moskalenko an Schwindel, Übelkeit und tränenden Augen.

Moskalenko hatte 1994 eine Organisation zur Verteidigung Gefangener in Russland gegründet. Sie gibt zudem Tschetschenen Rechtshilfe, die vor dem Straßburger Menschengerichtshof gegen Moskau klagen wollen. So kommt es regelmäßig zu Hinweisen auf Verstöße Russlands gegen die Menschenrechte. Moskalenko enthüllte als eine der Ersten die Zustände in Gefängnissen in Russland.

So sei der frühere Yukos-Manager Chodorkowskij entgegen russischer Gesetze nicht nah am Wohnort inhaftiert, sondern in einem Straflager 7000 Kilometer von Moskau entfernt. Dort hätten ihn Anwälte und Familie kaum besuchen können. Mehr als 60 Fälle von Menschenrechtsverletzungen wollte die Anwältin beim Gerichtshof einreichen, sagte sie 2006. Im Sommer 2007 hätte sie beinahe ihre Anwaltslizenz verloren, aus fadenscheinigen Gründen.

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