Myanmars Oppositionsführerin:Suu Kyi reist erstmals ins Ausland

Fast ein Vierteljahrhundert hat sie ihr Land nicht mehr verlassen, jahrelang stand sie während der Herrschaft der Militärjunta unter Hausarrest: Jetzt reist Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi zu einem Wirtschaftsforum nach Thailand. Myanmar Präsident hat seine Teilnahme daraufhin abgesagt.

Ein paar Wochen wollte Aung San Suu Kyi 1988 in Myanmar bleiben, ihrer nach Jahrzehnten im Ausland fremd gewordenen und inzwischen von einer brutalen Militärjunta regierten Heimat. Sie wollte bei ihrer todkranken Mutter sein und dann nach Oxford zurückkehren, zu Mann und Kindern. Aus dem Kurztrip wurde fast ein Vierteljahrhundert.

Suu Kyi betritt die Weltbühne

Myanmars Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, vergangene Woche in der Hafenstadt Rangun: Erstmals reist die Friedensnobelpreisträgerin jetzt ins Ausland.

(Foto: dpa)

An diesem Dienstag startet Suu Kyi nach 24 Jahren zu ihrer ersten Auslandsreise, zu einem Weltwirtschaftsforum in der thailändischen Hauptstadt Bangkok. Dort will sie an einer Podiumsdiskussion teilnehmen und auch ein Lager myanmarischer Flüchtlinge im Grenzgebiet besuchen. Für Mitte Juni sind dann weitere Reisen geplant: nach Genf, Oslo und London.

Myanmars Präsident Thein Sein hat seine Teilnahme an dem Wirtschaftsforum abgesagt - kurz nachdem Suu Kyis Einladung bekanntwurde. Ein Sprecher der Konferenz bestätigte die Absage am Montag.

Ex-General Thein Sein war Regierungschef der letzten Militärjunta, ehe er nach deren Abtritt im März 2011 erster ziviler Präsident seit fast 50 Jahren wurde. Suu Kyi stand wegen ihres friedlichen Widerstands gegen das Militärregime insgesamt 15 Jahre unter Hausarrest, erst im November 2010 wurde sie entlassen.

Kleine Minderheit mit großer Symbolkraft

Die beiden Politiker haben danach dennoch einen Dialog begonnen. Thein Sein ebnete Suu Kyis Weg ins Parlament. Sie gewann mit ihrer Partei Nationalliga für Demokratie (NLD) Anfang April bei Nachwahlen 43 von 45 ausgeschriebenen Sitzen. Im Unterhaus ist die NLD mit 37 von 440 Sitzen eine kleine Minderheit, aber mit großer Symbolkraft.

In den vergangenen Monaten hatte Suu Kyi Gäste aus aller Welt in ihrem Haus in Rangun empfangen, darunter auch den deutschen Außenminister Guido Westerwelle. Mehrmals äußerte sie sich auch per Videobotschaft. Jetzt betritt sie erstmals persönlich die politische Weltbühne.

Ihr Versprechen, Europa den ersten Besuch abzustatten, weil sie von dort während der langen Jahre des Hausarrests stetig unterstützt wurde, dürfte strategischen Überlegungen gewichen sein. Beim Wirtschaftsforum in Bangkok treffen sich Unternehmer und Investoren aus der Südostasiatischen Staatengemeinschaft (Asean) sowie China und Indien. Myanmars Zukunft liegt in Asien - das unterstreicht Suu Kyi mit ihrem Trip.

Die Oppositionsführerin ist seit ihrer Freilassung aus dem Hausarrest zurück auf dem Weg in die internationale Öffentlichkeit. In den Jahren der Isolation in ihrem baufälligen Haus in Rangun war ein Radio mit Weltempfänger ihr einziges Tor zur Welt. Kein Fernsehen, kein Handy, kein Internet. Nach ihrer Freilassung sagte sie in einem Interview: "Zuerst fühlte sich das Mobiltelefon so winzig an, ich war mir nicht sicher, ob man mich am anderen Ende überhaupt hören konnte."

Alte Autos rumpeln durch Schlaglöcher, Telefone gibt es kaum

Seit 18 Monaten ist Suu Kyi nun auf freiem Fuß und im Land unterwegs - aber in Myanmar ist die Moderne nach Jahrzehnten unter der Junta noch nicht angekommen. In der Hafenstadt Rangun rumpeln 30 Jahre alte Autos durch die Schlaglöcher, an den Gebäuden bröckeln die Fassaden. Es gibt nur wenige Telefone. Manche, die einen Anschluss ergattert haben, stellen vor ihrem Haus Tischchen mit uralten Schnurtelefonen auf, und lassen dort gegen Gebühr telefonieren. Mobiltelefone sind für die meisten Menschen unerschwinglich, Computer ebenso. Auf dem Markt bieten Leute mit Schreibmaschinen ihre Dienste zum Aufsetzen von Briefen an.

Suu Kyi kennt nach ihrem Einzug ins Parlament zwar die vor ein paar Jahren mitten im Urwald entstandene Hauptstadt Naypyidaw mit ihren riesigen neuen Gebäuden und sechsspurigen Straßen - nur ist dort selten ein Auto unterwegs. Von dort in die Mega-Metropole Bangkok mit ihren Wolkenkratzern und Shopping-Malls zu reisen, dürfte ein Schock sein.

Als die Junta ihr nach dem ersten Hausarrest 1995 die Ausreise frei stellte, weigerte sie sich. Suu Kyi, inzwischen Friedensnobelpreisträgerin, wusste, dass sie nur in ihrem Land größtmögliche Aufmerksamkeit auf das Unrechtsregime lenken konnte. Sie blieb auch, als ihr Mann Michael Aris an Krebs erkrankte und die Junta ihm die Reise nach Myanmar verweigerte. Aris starb 1999 in Großbritannien, vier Jahre, nachdem er seine Frau zuletzt in Rangun gesehen hatte. Sein Grab will sie in der zweiten Juni-Hälfte erstmals besuchen.

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