Myanmar:UN dürfen nicht nach Rakhine

Myanmar: Ein myanmarischer Polizist hält Wache in der Krisenregion Rakhine, aus der die Rohingya in Massen fliehen.

Ein myanmarischer Polizist hält Wache in der Krisenregion Rakhine, aus der die Rohingya in Massen fliehen.

(Foto: AFP)

Myanmar verschiebt offenbar einen Besuch von UN-Experten in der Krisenregion Rakhine, aus der die Rohingya-Minderheit in Massen flieht.

Von Arne Perras, Singapur

Erst gab es eine Genehmigung. Dann wurde eine Reise von UN-Mitarbeitern nach Rakhine von den Behörden abgesagt, sagte ein Sprecher der Vereinten Nationen am Donnerstag. Wegen schlechten Wetters hätten die myanmarischen Behörden den Besuch auf nächste Woche verlegt. Am Abend trat der UN-Sicherheitsrat in New York zusammen, um über die Krise zu beraten. UN-Generalsekretär António Guterres forderte, Myanmars Armee müsse den Einsatz in Rakhine sofort einstellen und einen uneingeschränkten Zugang für humanitäre Hilfe zulassen. Inzwischen sind nach Angaben der Vereinten Nationen schon 500 000 Angehörige der muslimischen Minderheit der Rohingya ins Nachbarland geflohen. Der Exodus überfordert die Helfer, sie haben nicht die Mittel, um die Not in Bangladesch zu mildern. Und in Myanmar können die UN kaum etwas tun, solange ihnen der Staat den Zugang verwehrt.

Dutzende Siedlungen sind im Konfliktgebiet Rakhine niedergebrannt. Rebellen und Militär beschuldigen sich gegenseitig, für die Zerstörungen verantwortlich zu sein. Kritiker der Regierung sprechen von einem Vertreibungskrieg gegen die Minderheit der Rohingya, doch die Armee von Myanmar beharrt darauf, dass sie extremistische bengalische Rebellen bekämpft, die dort am 25. August koordinierte Attacken auf etwa 30 Polizeistationen und Militärposten gestartet hatten. Ethnische und religiöse Spannungen haben sich in Rakhine über einen langen Zeitraum aufgebaut, der Hass zwischen Muslimen und Buddhisten hat sich wiederholt in Gewalt entladen. Doch niemals war das Ausmaß der Vertreibungen so groß wie in den vergangenen vier Wochen.

Der UN-Hochkommissar für Menschen-rechte prangert "ethnische Säuberungen" an, ein Vorwurf, den die Regierung in Nay Pyi Taw stets zurückgewiesen hat. Sie informiert nun ihrerseits über ein Massaker an Hindus in Rakhine, dem Dutzende Dorfbewohner zum Opfer gefallen sein sollen. Geflohene Hindus erklärten nach einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP, dass maskierte Täter ihr Dorf gestürmt hätten, die Armee bezichtigt muslimische Rebellen der Morde, Angehörige der Aufständischen weisen die Vorwürfe zurück. Sie behaupten, dass sie nur Sicherheitskräfte attackierten, weil die Armee die Rohingya unterdrücke.

Die meisten Muslime in Rakhine beklagen, dass ihnen Staatsbürgerrechte verweigert werden, in Myanmar gelten sie als illegale Einwanderer aus dem Nachbarland. Exakte Nachweise, wie lange eine Familie jeweils in der Region schon ansässig ist, sind schwer zu erbringen, weil die meisten keine Dokumente besitzen. Als gesichert gilt, dass Muslime schon seit Jahrhunderten in jenen Gebieten leben, die nach dem Zerfall des britischen Kolonialreiches durch eine Landesgrenze geteilt wurden. Westlich der Linie liegt Bangladesch, im Osten Myanmar, das einen Großteil der Muslime als Bürger ablehnt.

Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, erklärte nach seinem Besuch im Südosten Bangladeschs: "Diese Leute mussten sehr schnell vor grausamer Gewalt fliehen." Sie bräuchten nahezu alles, sagte Grandi: Unterkünfte, Nahrung, sauberes Wasser, Toiletten, Medikamente und ärztliche Hilfe. "Sie haben absolut nichts. Ich habe selten in meiner Laufbahn Leute gesehen, die mit so wenig angekommen sind." An die Weltgemeinschaft richtete der UN-Vertreter den Appell: "Wir brauchen Hilfe von euch allen." Außerdem warnte er davor, die Krise nur als kurzfristigen Notstand einzustufen. Aus den Ausführungen wurde deutlich, dass der Staat Bangladesch mit all diesen Aufgaben völlig überfordert ist.

Medizinische Helfer in den Flüchtlingsgebieten berichten nicht nur vom Trauma der Flucht, sondern auch von sexueller Gewalt, die Frauen erlitten haben. Diese Verletzungen seien schon nach der Fluchtwelle im Oktober zu beobachten gewesen, sagten Mediziner, die für die Internationale Organisation für Migration (IOM) arbeiteten. Damals hätten sie allein in einem der Camps Hunderte betroffene Frauen versorgt und betreut. Die meisten gaben an, dass Soldaten die Täter gewesen seien. In der jüngsten Krise hätten die Ärzte zwar weniger dieser Fälle zu behandeln, doch wiesen die Verwundungen jetzt "auf noch aggressivere Attacken" hin als zuvor, wie ein Mediziner erklärte.

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