Militär-Putsch:Trotz Drohungen Proteste in Myanmar

Putsch in Myanmar: Demonstranten stehen dem Militär gegenüber

In Yangon stehen sich Demonstranten und das Militär direkt gegenüber.

(Foto: STR/AFP)

Auch am Dienstag gehen vor allem junge Menschen in Myanmar auf die Straße und demonstrieren gegen das Militär. Das hat Ausgangssperren und Versammlungsverbote verhängt.

Von David Pfeifer, Bangkok

Am Dienstag gingen die Proteste in Myanmar weiter, auch wenn sich das Risiko für die Menschen vergrößert hat. Einer der Lehrer, die in der größten Stadt des Landes Yangon demonstrierten, sagte dem Online-Magazin Frontier Myanmar: "Wir tun das für die nächste Generation." Es waren insgesamt weniger Menschen, dafür viele junge Leute auf der Straße zu sehen, nachdem das Militärregime am Montag Rede- und Versammlungsverbote erlassen hatte, unter anderem für Yangon und Mandalay im Zentrum des Landes. Im staatlichen, also militärischen Fernsehsender war gewarnt worden, "dass Handlungen folgen würden".

Es dürfen seit Dienstag nicht mehr als fünf Menschen zusammenkommen, öffentliche Ansprachen sind nicht erlaubt. Also gehen die jungen Frauen und Männer in Sitzstreik. Auch die Eisenbahnmitarbeiter schlossen sich den Protesten an, nachdem am Montag bereits Mönche, Taxifahrer, Ärztinnen und Krankenpfleger auf die Straße gegangen waren, wie Blogger und Journalisten in Myanmar berichteten. Zehntausende protestierten gegen das Militär, das vor einer Woche die Macht übernommen hatte. Die Demonstranten trugen häufig rote T-Shirts, Schals und Fahnen, die Farbe der bis vor Kurzem regierenden Partei Aung Sang Suu Kyis, der "Nationalen Demokratischen Liga" (NLD).

In Yangon wurden am vierten Tag der Proteste wieder Wasserwerfer gegen die Demonstranten eingesetzt. General Min Aung Hlaing hatte sich am Montagabend im Fernsehen an die Myanmarer gewendet und seinen Verdacht wiederholt, die Wahl sei nicht korrekt gelaufen. Unter anderem zweifelte er die hohe Wahlbeteiligung von über 70 Prozent an, in Zeiten einer Pandemie. Doch die Protestierenden fordern weiter die sofortige Freilassung von "Mutter Suu", wie die inhaftierte Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi genannt wird. Sie zeigten dabei den Drei-Finger-Gruß aus den "Tribute von Panem"-Filmen, mit dem bereits die Demonstranten in Thailand gegen ihre Militärregierung protestiert hatten. Am Dienstag veröffentlichte die Myanmar Times Porträts von professionellen Billard- und Snooker-Spielern, die sich offen mit dem Gruß in der Zeitung abbilden ließen und dazu sagten: "Wir verurteilen ausdrücklich die Diktatur, die am 1.2.2021 die Macht übernahm."

Trotz Mobilfunksperre gelangen Nachrichten ins Ausland

Am Wochenende hatten die neuen Machthaber das Internet und den Mobilfunkverkehr blockiert, am Sonntag aber langsam wieder hochgefahren. Dennoch waren Nachrichten ins Ausland gelangt, durch VPN-Kanäle und Verbindungen von Sim-Karten aus Thailand und Singapur. Die Protestierer filmten mit ihren Smartphones und fanden Wege, die Bilder in die Welt zu verbreiten. Wie den Clip des Einsatzes der Wasserwerfer in der Hauptstadt Naypyidaw, mit denen Demonstranten vor dem Regierungssitz in Schach gehalten wurden.

Wie es "Mutter Suu" einstweilen geht, ist unklar. Die Journalistin Aye Min Thant, die seit mehr als einer Woche bis zur Erschöpfung live über den Coup twittert, schrieb am Sonntag, dass die Straße zu San Kyis Haus, in dem diese 15 Jahre lang unter Arrest gestanden hatte, von der Polizei gesperrt worden sei. Auch andere ehemalige Regierungsvertreter sitzen im Hausarrest fest.

Die Mönche geben den Protesten Wucht

Dass auch Mönche am Montag in Mandalay auf die Straße gingen, gibt den Kundgebungen zusätzlich Wucht. Von ihnen gingen die Proteste im Jahr 2007 aus, der sogenannten Safran-Revolution, die sich auf die leuchtend orangerote Farbe ihrer Gewänder bezog. Bei der Niederschlagung der Proteste damals wurden einige Nonnen und Mönche getötet, am Ende aber gab das Militär die Macht aus der Hand. Zumindest ein Stück weit.

Aktuell berichtete ein Beobachter der SZ, dass es Schießereien in Myawaddy gegeben haben soll, sonst aber seien die Proteste bisher "weitgehend friedlich" verlaufen. Sogar Beamte schließen sich dem "Civil Disobedience Movement" an - dem Zusammenschluss für zivilen Ungehorsam.

Nachdem die Generäle die Macht wieder an sich gerissen hatten, gingen sie in der vergangenen Woche daran, die Covid-19-Maßnahmen zu lockern, zum Beispiel Parks zu öffnen. Vermutlich um gute Stimmung beim Volk zu machen. Die Ansteckungsraten waren gerade erst sanft gesunken. Die militärischen Machthaber haben neben den Versammlungs- und Anspracheverboten eine Ausgangssperre von 20 bis vier Uhr erlassen. General Min Aung Hlaing drohte den Demonstrierenden am Montag in seiner Fernsehansprache nicht direkt, sprach nur von einer "ehrlichen und disziplinierten Demokratie", die wiederhergestellt werden solle. Doch wenn man die Bilder vom Dienstag sieht, ist nicht anzunehmen, dass die Protestierenden sich nach seinem Wunsch verhalten werden.

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