Süddeutsche Zeitung

Myanmar:Der Mann, der Aung San Suu Kyi einsperren ließ

Nach dem Putsch ist General Min Aung Hlaing am Höhepunkt seiner Macht angekommen. Offenbar gibt er nicht allzu viel darauf, was das Ausland von ihm hält, solange er noch auf einen Paten zählen kann: China.

Von Arne Perras

In Zeiten, als manche noch glaubten, man sollte myanmarische Generale international einbinden, um sie zu Demokraten zu bekehren, war Min Aung Hlaing auch als Gast in Deutschland willkommen. Der Generalinspekteur der Bundeswehr hatte im Frühjahr 2017 jenen Mann empfangen, der sich nun in der Nacht von Sonntag auf Montag in Myanmar an die Macht putschte und die Regierungschefin Aung San Suu Kyi und deren Getreue einsperren ließ.

Viel Aufsehen erregte die Visite des Generals in Deutschland und Österreich nicht, obwohl Menschenrechtler bereits damals forderten, dass ein Mann wie er nur einen Ort in Europa besuchen sollte: den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Nur wenige Monate nach der Europareise des Generals startete das Militär unter seinem Kommando die Offensive im Westen Myanmars und damit die Vertreibung Hunderttausender Rohingyas aus ihrer Heimat.

Min Aung Hlaing, der vor seinem Eintritt in das Militär Jura studierte, steht seit 2011 an der Spitze der Streitkräfte. Offenbar gibt er nicht allzu viel darauf, was das Ausland von ihm hält, solange er noch auf einen Paten zählen kann: China.

In seiner Heimat gibt er den obersten Beschützer der Nation

Erst vor zwei Wochen sah man Bilder des myanmarischen Generals, wie er den Außenminister aus Peking freudig per Ellenbogengruß empfing. Gerüchte, dass das Militär erneut die Macht übernehmen und zehn Jahre schleppender Reformen zurückschrauben könnte, waren an jenem 12. Januar längst in Umlauf. Auch nach dem Putsch hält China weiter zu dem General. Gemeinsam mit Russland blockierte es eine Verurteilung des Putsches durch den UN-Sicherheitsrat. Min Aung Hlaing, der schon vor dem Coup den demokratischen Wandel ausgebremst hatte, sagte in einer ersten Stellungnahme, die Absetzung Aung San Suu Kyis sei "unvermeidlich" gewesen. Er ist nun auf dem Höhepunkt seiner Macht.

Beim Besuch in Deutschland, als er auch mal Sakko trug, wirkte er wie ein harmloser Tourist. In seiner Heimat tritt er anders auf, dort gibt der Mann in grüner Uniform den obersten Beschützer der Nation. Die Machtergreifung hat er mit angeblichem Wahlbetrug begründet, was viele Myanmarer als durchsichtigen Vorwand betrachten dürften. Denn die große Mehrheit für Aung San Suu Kyi stand nie infrage, selbst wenn es zu einigen Verfehlungen bei den Wahlen im November gekommen sein sollte.

Noch ist unklar, welche rote Linie Aung San Suu Kyi aus Sicht des Militärs überschritten hatte. Der General ließ frustrierten Abgeordneten ausrichten, dass sie sich keine Sorgen machen müssten. So sagte es ein Parlamentarier, der anonym bleiben wollte. Und fügte hinzu: "Aber wir machen uns Sorgen." Nach SZ-Informationen steht Aung San Suu Kyi in ihrem Haus in der Hauptstadt Naypyidaw unter Arrest. Ein weiteres Mitglied ihrer Partei erklärte, man habe erfahren, dass sie gesundheitlich wohlauf sei, wie die Agentur Reuters berichtete.

Als möglicher Grund für den Putsch gilt die Angst der Generale, dass Aung San Suu Kyi ihr starkes Mandat nutzen könnte, um auf größere Verfassungsänderungen hinzuarbeiten, die das Militär schwächen würden. Zwar verfügt die Armee mit einem Viertel der Sitze im Parlament über eine Sperrminorität, aber nur, wenn sie geschlossen stimmt.

Das Verhältnis zwischen dem General und der Staatsrätin soll sich zuletzt verschlechtert haben. Experten diskutieren außerdem, ob Min Aung Hlaing, dessen Zeit als Oberbefehlshaber im Sommer auslaufen sollte, durch den Putsch auch seine eigene Stellung innerhalb der Armee festigt, um nicht wie geplant abgelöst zu werden.

Die Massenvertreibung der Rohingyas und Völkermordvorwürfe haben den Oberbefehlshaber in Myanmar nicht geschwächt. In Kreisen nationalistisch eingestellter Birmanen - der größten Ethnie des Landes - hat ihm die Militäroffensive eher Ansehen verschafft.

Das bedeutet allerdings nicht, dass eine Mehrheit zugleich den jüngsten Coup gutheißt. Denn was die Rechtlosigkeit unter der Junta bedeutet, haben die Myanmarer in Jahrzehnten der Diktatur schmerzhaft erlebt. Viele drohen in bittere Armut zurückzufallen, während das Militär unter Min Aung Hlaing auf alte Netzwerke setzt, um auch im Falle von Sanktionen, wie sie nun die USA und die EU angedroht haben, noch Geschäfte betreiben und sich bereichern zu können.

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