Süddeutsche Zeitung

Proteste gegen Militärputsch:Dutzende Menschen in Myanmar erschossen

Militärangehörige sollen mit gezielten Kopfschüssen gegen Demonstranten vorgegangen sein, heißt es in Berichten lokaler Medien. Derweil wollen Russland und Myanmar offenbar ihre Beziehungen verstärken.

In Myanmar sind bei landesweiten Demonstrationen gegen den Militärputsch am Samstag mindestens 50 Menschen getötet worden. Dies berichten die Zeitung The Irrawaddy und andere lokale Medien. Nach Informationen von Myanmar Now sollen insgesamt mehr als 114 Menschen in zahlreichen Städten ums Leben gekommen sein.

Am offiziellen Gedenktag der Armee kam es in weiten Teilen des Landes, wie in der Handelsmetropole Yangon, in der nördlichen Region Mandalay und im südlichen Bago erneut zu Protesten gegen die Machtübernahme. Dabei sollen Militärangehörige und Polizisten mit scharfer Munition und gezielten Kopfschüssen gegen unbewaffnete Zivilisten vorgegangen sein. Das Militär Myanmars habe Schande über sich gebracht, indem es auf "unbewaffnete Zivilisten" geschossen habe, schrieb der britische Botschafter Dan Chugg auf Twitter.

Unter den Opfern in Yangon soll ein 21-jähriger Zivilist sein. Dieser habe in dem Teeladen seiner Familie ausgeholfen, als er erschossen worden sei, sagte ein Familienangehöriger der Deutschen Presse-Agentur. Myanmar Now zufolge ist unter den Getöteten auch ein 13-jähriges Mädchen in Meikhtila. Es soll erschossen worden sein, als das Militär das Feuer in den Wohngegenden der Stadt eröffnete. In Yangon soll zudem ein einjähriger Junge, der draußen spielte, durch ein Gummigeschoss ins Auge getroffen worden sein. Irrawaddy berichtet von zwei weiteren getöteten Kindern im Alter von sieben und zehn Jahren.

Nach Schätzungen der Gefangenenhilfsorganisation AAPP wurden seit Beginn der Proteste gegen den Militärputsch vor knapp zwei Monaten bislang mindestens 328 Menschen getötet, darunter 20 Minderjährige. Knapp 3070 Menschen seien festgenommen worden.

Diplomatische Vertreter reagierten mit Entsetzen. Die Europäische Union sprach in den sozialen Medien von einem Tag des "Terrors und der Ehrlosigkeit". Das Töten unbewaffneter Zivilisten und Kinder sei unentschuldbar. Auch der US-Botschafter verurteilte das Vorgehen des Militärs: "Das Blutvergießen ist grauenvoll", schrieb Thomas Vajda auf Twitter. Das Militär Myanmars habe Schande über sich gebracht, indem es auf "unbewaffnete Zivilisten" geschossen habe, schrieb der britische Botschafter Dan Chugg auf Twitter. "Die heutigen Tötungen unbewaffneter Zivilisten, darunter Kinder, bedeuten einen neuen Tiefpunkt", twitterte der britische Außenminister Dominic Raab.

Russischer Vize-Minister bei Militärparade in Myanmar

Am Freitag soll im myanmarischen Staatsfernsehen eine Art Drohung an potenzielle Demonstranten gesendet worden sein, wie der britische Guardian berichtet. Sie sollten aus früheren Toden lernen, dass sie in Gefahr liefen, "in den Kopf und den Rücken geschossen" zu werden. Es sei jedoch nicht explizit erwähnt worden, ob die Soldaten den Befehl hätten, Demonstranten zu töten.

Das Militär hatte Anfang Februar gegen die De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi geputscht. Die 75-Jährige sitzt seither im Hausarrest und wird von der Justiz verschiedener Vergehen beschuldigt. Die Demonstranten fordern eine Wiedereinsetzung von Aung San Suu Kyis ziviler Regierung.

In einer Ansprache nach einer Militärparade in der Hauptstadt Naypidaw verteidigte der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Min Aung Hlaing, die Machtübernahme als "unvermeidlich", weil die Regierung von Suu Kyi und ihre Partei in "ungesetzliche Handlungen" verwickelt gewesen seien. Er versprach erneut Wahlen abzuhalten, ohne aber ein Datum zu nennen.

An der Parade nahm der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge auch der russische Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin teil. Demnach wollen Russland und Myanmar ihre Beziehungen verstärken. Beide Staaten wollten eine militärische und militär-technische Zusammenarbeit entwickeln, so Tass. Myanmars Oberbefehlshaber, Min Aung Hlaing, sagte der britischen BBC zufolge, dass Russland ein wahrer Freund sei. Die USA, die Europäische Union und Großbritannien hatten nach dem Militärputsch vom 1. Februar Sanktionen verhängt.

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