Südostasien:Bomben auf Musiker

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Zerstörte Holzbauten in der Gemeinde Hpakant. Das Militär in Myanmar hat bei einem Luftangriff auf ein Konzert im Kachin-Staat Dutzende Menschen getötet. (Foto: dpa)

Neue Gewaltexzesse der Junta in Myanmar alarmieren die Nachbarstaaten. Aber sie wirken hilflos angesichts der Brutalität, mit der die Generäle ihre Macht sichern.

Von Arne Perras

Die Gegner der Junta in Myanmar haben eine besonders üble Woche hinter sich, was im Schatten des Ukrainekriegs und der Unruhen in Iran international wenig aufgefallen ist. Es begann Sonntagabend mit einem Luftangriff auf ein Konzert im Norden des Landes, wo die Kachin Independence Organisation (KIO) ihr 62. Jubiläum feierte. Sie ist der politische Arm der ethnischen Befreiungsarmee KIA, die für die Eigenständigkeit des Volkes im Norden Myanmars kämpft. Mindestens 75 Menschen starben nach Angaben der Rebellen bei dem Angriff, unabhängig lassen sich die Zahlen nicht überprüfen. Doch die Botschaften westlicher Länder verurteilten die Attacke scharf. In einer Stellungnahme von Menschenrechtlern hieß es: "Was nach einer exzessiven und unverhältnismäßigen Anwendung von Gewalt der Sicherheitskräfte gegen unbewaffnete Zivilisten aussieht, ist inakzeptabel."

Ein Sprecher der Rebellen nannte den Luftschlag, an dem drei Flugzeuge beteiligt gewesen sein sollen, einen "bösartigen Akt", der als Kriegsverbrechen eingestuft werden müsse. Vor wenigen Tagen meldete die News-Plattform Irrawaddy, dass die Zahl der Toten nach dem Angriff weiter steige; offenbar hat das damit zu tun, dass das Militär die Wege, die aus der Todeszone heraus führen, blockiert, so dass Dutzende Verletzte nicht einmal in Krankenhäuser gebracht werden können.

Die Armeeführung widersprach der Darstellung, dass bei dem Luftschlag Zivilisten getötet worden seien. Der Angriff habe einem Militärcamp der KIA gegolten und sei als Vergeltung ausgeführt worden für angebliche Angriffe der Widerstandsgruppen auf Militärstützpunkte. Damit erreichen die Beziehungen zwischen Kachin und der Junta einen Tiefpunkt, die Spaltung des Landes schreitet weiter voran.

Selbst die Asean-Gemeinschaft weiß nicht weiter

Das wollte die Anführerin der Demokratiebewegung, Aung San Suu Kyi, immer verhindern. Sie hatte es zu ihrer obersten Vision erhoben, mit allen rebellischen Völkern an den Rändern Myanmars Frieden zu schließen. Dafür gab es Waffenstillstandsvereinbarungen, auch in Kachin. Doch die Versuche einer Aussöhnung verliefen schleppend; oft gab es Rückschläge, weil die ethnischen Minderheiten dem vom Militär dominierten Mehrheitsvolk der Birmanen misstrauen.

Als die Junta am 21. Februar auch noch putschte, alle Macht im Staat an sich riss und die Demokratiebewegung in den Untergrund zwang, veränderte dies die politische Dynamik erheblich. Seither eskalieren nicht nur Kämpfe zwischen Armee und den Milizen der Minderheiten, es gibt auch eine breite Frontstellung der Junta gegen demokratische Gruppen im Untergrund.

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Die jüngste Gewalt erhöht den Druck auf die südostasiatische Staatengemeinschaft Asean, die Junta in Myanmar zu zügeln. Am Donnerstag wurde eilig ein Sondertreffen der Asean-Außenminister in Jakarta einberufen, Myanmar durfte keinen Junta-Minister entsenden. Doch in den Erklärungen nach der Krisensitzung spiegelt sich vor allem eine breite Lähmung. Singapur etwa drückte sein "tiefes Bedauern" über den Luftangriff in Kachin aus, und dazu die "tiefe Enttäuschung", dass ein 5-Punkte-Plan von Asean zur Beendigung der Gewalt in Myanmar nicht umgesetzt werde. Allerdings blieb auch am Ende der Woche offen, zu welchen Mitteln die Nachbarn greifen wollen, um die Gewaltexzesse der Junta zu stoppen.

Die Generäle reagierten dreist: Zeitdruck aufzubauen, habe "negative Implikationen", erklärten sie. Das Militär setzt offenbar darauf, seinen Brachialkurs gegen alle Widerstände fortzusetzen. Einziges erkennbares Ziel: der kurzfristige Machterhalt, auch mit Bomben der Luftwaffe auf Zivilisten.

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