Südostasien:Eine Ohrfeige für den General

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Myanmars Junta-Chef Min Aung Hlaing wurde vom Gipfel der ASEAN-Staaten ausgeladen. (Foto: Stringer/Reuters)

In Myanmar lässt die Junta Tausende politische Gefangene frei, wohl auf Druck von außen: Die Nachbarländer hatten sich zu einem harten Schritt durchgerungen.

Von David Pfeifer, Bangkok

Mehr als 5600 Gefangene werden freigelassen, mit dieser guten Nachricht begann die Woche in Myanmar. Am Montag teilte Junta-Chef Min Aung Hlaing in einer Fernsehansprache mit, dass seine Regierung sich "dem Frieden und der Demokratie" verpflichtet fühle, daher dieser Schritt. Zwar gab man Haftentlassenen Drohungen mit auf den Weg in die Freiheit und setzte einige von ihnen - Demonstranten, Journalisten, Mitglieder der ehemaligen Regierung - kurz darauf wieder fest. Trotzdem sind es die besten Neuigkeiten seit dem 1. Februar dieses Jahres, jener Nacht, in der sich das Militär gegen Staatschefin Aung San Suu Kyi und ihre wiedergewählte Regierung an die Macht geputscht hatte.

Seitdem sind in Myanmar, ehemals Burma, mehr als tausend Protestierende erschossen worden. Die frühere Staatschefin, von vielen Burmesen nur "Mutter Kyi" genannt, wurde in einem Schauprozess angeklagt. Wie eine Sekte schien sich das Militär eingebunkert zu haben, die Widerstandsbewegung verweigerte jedes Gespräch mit den Generälen. Der Rest der Welt, vor allem die UN, sah hilflos zu. Doch am vergangenen Wochenende kam Bewegung in die festgefahrenen Verhältnisse, und sie kam von außen.

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Die südostasiatische Staatengemeinschaft ASEAN hat General Min Aung Hlaing vom nächsten Gipfel ausgeladen. Das kann man als Affront werten, zumindest ist es ein einzigartiger Vorgang in dem Verbund, dem neben Myanmar Indonesien, Singapur, Thailand, Vietnam, Malaysia, die Philippinen, Kambodscha, Laos und Brunei angehören.

Die Nachrichten-Agentur Reuters berichtete, dass die Außenminister dieser Länder bei einem virtuellen Treffen um die Myanmar-Frage gerungen haben. Die Stimmung sei angespannt gewesen, das Ergebnis knapp. Indonesien, Malaysia, die Philippinen und Singapur wollten den Putsch-General ausladen, Laos, Kambodscha, Vietnam und Thailand waren dagegen. Auch in Thailand regiert ein ehemaliger General, seit einem Coup 2014. Am Ende habe Brunei, das derzeit den Vorsitz der ASEAN innehat, die entscheidende Stimme abgegeben.

Den Nachbarn ging es auch um Glaubwürdigkeit

Die Intervention kam zustande, weil sich Myanmars Junta den Minimalforderungen der ASEAN verweigerte. Bei einem Gipfeltreffen im April, an dem zur Empörung der burmesichen Widerstandsbewegung Min Aung Hlaing noch teilgenommen hatte, war vereinbart worden, dass die Gewalt gegen Zivilisten enden müsse und sich alle Seiten an einer friedlichen Lösung des Konflikts beteiligen sollten. Zum ASEAN-Gesandten wurde Erywan Yusof aus Brunei bestimmt. Als Yusof vor wenigen Tagen der Zugang zur inhaftierten Aung San Suu Kyi verweigert wurde, sahen sich die Bündnisländer offenbar gezwungen, etwas zu unternehmen. "Damit unsere Glaubwürdigkeit als echte Regional-Organisation nicht verschwindet", wie Teodoro Locsin, Außenminister der Philippinen, vor den Verhandlungen am Freitagabend der Agentur Reuters erklärte - "sonst sind wir nur ein paar Typen, die immer mit allem einverstanden sind, egal was es ist."

Junta-Sprecher Zaw Min Tun sagte anschließend dem Sender BBC, der Ausladung seines Chefs wären "Interventionen aus dem Ausland" vorausgegangen. Vertreter der USA und der EU hätten Druck gemacht, "Myanmar ist extrem enttäuscht und lehnt das Ergebnis der Eilverhandlung der Außenminister ab". Tatsächlich ist es sehr ungewöhnlich, dass ASEAN-Staaten eine so knappe und harte Entscheidung treffen. Normalerweise mischen sich die Länder in die gegenseitigen inneren Angelegenheiten nicht ein und treffen Entscheidungen meist einvernehmlich. Auch der Putsch im Februar wurde nicht offiziell verurteilt. Allerdings war der Druck der internationalen Gemeinschaft stetig gewachsen.

So hatte UN-Generalsekretär António Guterres vor zwei Wochen ein Treffen mit Ministern der ASEAN-Staaten vertagt, weil er nicht mit einem Vertreter der Junta zusammentreffen wollte. Guterres bat um Verschiebung "bis zu einem Zeitpunkt, in dem es in einem gegenseitig annehmbaren Format stattfinden kann." Die Chancen der Junta, als legitime Regierung Myanmars anerkannt zu werden, scheinen damit weiter zu schwinden. Das immerhin kann die Opposition als gute Nachricht werten.

Die ASEAN-Gruppe will nun einen zivilen Vertreter aus Myanmar zum nächsten Gipfel einladen. Nur, wer kann das sein? Zwar hat sich als Zivilregierung das National Unity Government (NUG) konstituiert, um der Weltgemeinschaft einen Ansprechpartner neben dem Militär zu bieten. Doch die NUG hat die Opposition auch dazu aufgefordert, zu den Waffen zu greifen, um den Bürgerkrieg weiter eskalieren zu lassen. Sollte einer ihrer Vertreter eingeladen werden, wäre der Affront noch größer. Und das Militär des ohnehin wirtschaftlich gebeutelten Landes hält derzeit nicht nur die Macht in einem großen Teil des Vielvölkerstaates in der Hand. Es ist auch eine riesige Institution, je nach Lesart die zehntgrößte Armee der Welt, mit mehr als 400 000 Soldaten, eigenen Schulen, Krankenhäusern, eigener Weltsicht und Gerichtsbarkeit. Ein Staat im Staat.

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