Menschenrechte:Warum in Myanmar nach Jahrzehnten wieder Todesurteile vollstreckt werden

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Menschenrechte, Warum in Myanmar nach Jahrzehnten wieder Todesurteile vollstreckt werden (Video: Reuters)

Die Hinrichtungen sollen den Menschen im Land Angst machen. Vor allem aber zeigen sie, dass es mit der Junta keine demokratische Zukunft geben kann.

Von David Pfeifer, Bangkok

Es sind nicht die ersten Ermordeten in Myanmar, seitdem das Militär sich in der Nacht vom 1. Februar vergangenen Jahres wieder an die Macht geputscht hat. Aber es sind die ersten offiziellen Hinrichtungen seit den 1980er-Jahren in Myanmar, und sie bedeuten für alle Menschen im Land, dass sie in dunkelste Zeiten zurückkatapultiert worden sind. Am Montag meldeten staatliche, also von der Junta kontrollierte Medien, dass vier demokratische Aktivisten exekutiert worden sind, da sie bei der Ausführung von "Terror-Akten" geholfen hätten. Nach einem Jahrzehnt demokratischer Öffnung, die Anlass für Hoffnung gab, auch wenn das Militär nie ganz von der Macht gelassen hatte.

Die Aktivisten sollen den bewaffneten Widerstand gegen die Junta unterstützt haben, sie wurden bereits im Januar hinter verschlossenen Türen verurteilt. Es gibt mittlerweile mehr als 300 Milizen im Land, die als "PDFs" bezeichnet werden, als "People's Defense Forces", Volksverteidigungskräfte. Die meisten sind ganz kleine Gruppen, nicht mehr als zehn Frauen und Männer, die mit Stöcken statt Gewehren üben oder sich Panzerfäuste basteln, um dem mehr als 400 000 Mann starken Militär etwas entgegenzusetzen.

Viele junge Menschen sind in Gebiete geflohen, die das Militär nicht kontrolliert

Die Junta hatte zunächst Massenproteste in den Städten blutig niedergeschlagen. Vor allem junge Menschen flohen in die Gebiete, die das Militär nicht kontrolliert, sie versuchen von dort Geld für die PDFs zu beschaffen oder haben selbst zur Waffe gegriffen. Das "National Unity Government" (NUG), die Alternativ-Regierung von Myanmar im Untergrund, das die inhaftierte Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi weiterhin als gewählte Regierungschefin führt, verurteilte die Hinrichtungen der Junta. "Wir sind sehr traurig" hieß es in einem Statement des NUG-Sprechers U Kyaw Zaw, das der Nachrichtenagentur Reuters übermittelt wurde. "Die Weltgemeinschaft sollte ihre Grausamkeit bestrafen."

Unter den Hingerichteten befinden sich der in Myanmar bekannte Demokratie-Aktivist Kyaw Min Yu, 53, und der Hip-Hop-Künstler Phyo Zeya Thaw, 41. Die beiden anderen Männer hießen Hla Myo Aung und Aung Thura Zaw. Die Frau von Phyo Zeya Thaw sagte Reuters, dass sie nicht über die Hinrichtung ihres Mannes informiert worden sei. Frühere Hinrichtungen in Myanmar erfolgten durch Erhängen, in diesem Fall wurde die Art der Exekution bisher nicht bekannt gegeben.

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In Myanmar sind vor allem die Jungen nicht bereit zu akzeptieren, dass nach dem Putsch eine Militärregierung ihre Zukunft bestimmt. Daher werden sie gezielt verfolgt.

Von David Pfeifer

Die Junta steht vor dem Problem, dass sie nach dem Putsch ihre Macht nicht konsolidieren kann. Neben den "Ethnic Armed Organisations" in einigen Bundesstaaten, die sich dem Militär nie untergeordnet hatten, wächst der Widerstand durch die PDFs weiter. Die Moral der Soldaten, die seit mehr als einem Jahr gegen das eigene Volk kämpfen, sinkt. Nach Angaben des NUG sind bereits mehr als 10 000 Soldaten desertiert und ebenso viele Polizisten verweigern den Dienst. Die Hinrichtungen sollen ein Signal an alle Menschen im Land sein, dass es genügt, mit PDFs oder anderen Widerstandsorganisationen zu sympathisieren oder sie mit Spenden zu unterstützen, um das eigene Leben zu verwirken.

International wurden die Hinrichtungen umgehend verurteilt, die Vereinten Nationen bezeichneten sie als "abscheulichen Versuch, der Bevölkerung Angst einzuflößen". Hun Sen, Premierminister von Kambodscha, das derzeit den Vorsitzend des Asean-Verbandes innehat, hatte bereits im Juni in einem Brief an den Junta-Führer, General Min Aung Hlaing, appelliert, die Urteile nicht vollstrecken zu lassen. Auch im Verbund der südostasiatischen Länder ist die Militärführung in Myanmar mittlerweile isoliert. Die Junta wiederum hat die ausländischen Kommentare als "rücksichtslos und einmischend" bezeichnet.

Amnesty International berichtet von Kriegsverbrechen im Karenni-Staat

Erst vergangene Woche hatte Amnesty International einen Bericht über neue Kriegsverbrechen im Karenni-Staat (auch Kayah-Staat) veröffentlicht, in dem das Militär massiv Landminen gelegt hat. Darunter M14-Minen, die in der Regel den Fuß des Opfers am Knöchel absprengen, und MM-2, die ganze Beine abtrennt. Beide Minen-Typen werden in Myanmar selbst hergestellt.

"Der Einsatz von Landminen durch das Militär in Myanmar ist verabscheuungswürdig und grausam", sagte Matt Wells von "Amnesty International", in seiner Erklärung. "Zu einer Zeit, in der die Welt diese unterschiedslos wirkenden Waffen mit überwältigender Mehrheit verboten hat, hat das Militär sie in den Höfen, Häusern und sogar in Treppenhäusern platziert." Während der Kämpfe in der Region wurden mindestens acht Landminen in der Kirche St. Matthew's im Dorf Daw Ngay Khu in der Gemeinde Hpruso ausgelegt. Die Soldaten brannten die Kirche und das Haus des Priesters nieder, als sie sich zurückziehen mussten.

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Durch den beständigen und wachsenden Widerstand der Bevölkerung unterscheiden die Soldaten immer weniger zwischen Bewaffneten und Zivilisten, zwischen Aktivisten und Milizen. Jeder, der gegen die Junta ist, ist in Lebensgefahr. Also im Grunde jede Frau und jeder Mann in Myanmar, die sich Demokratie wünschen.

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