Süddeutsche Zeitung

Myanmar:Grausame Generäle, geschützt von Peking

Dass die für den mutmaßlichen Völkermord an den Rohingya verantwortlichen Männer vor ein UN-Tribunal kommen, ist unwahrscheinlich. Denn dafür müssten USA und China zusammenfinden.

Kommentar von Arne Perras

Wer Mord befiehlt, Brandschatzungen und Massenvergewaltigungen, gehört vor einen Richter. Darüber braucht man nicht lange diskutieren. Verbrechen müssen gesühnt werden, Täter müssen sich verantworten. Straflosigkeit ist ein sträfliches Versäumnis, das einlädt zu neuer Gewalt. Gesellschaften, die in Frieden leben wollen, können und dürfen sich nicht in einer solch teuflischen Spirale in den Abgrund reißen lassen. Es ist zwingend, dass sich die Vereinten Nationen nicht abwenden von den Gräueltaten, die im vergangenen Jahr im Westen Myanmars geschahen. UN-Ermittler fordern, dass die führenden Generäle des Landes vor ein Tribunal kommen, dass ihnen der Prozess gemacht wird. Was sie anprangern, wiegt besonders schwer: Die Armee soll im Westen Myanmars einen Völkermord begangen haben, so der begründete Verdacht.

Ob es jemals zu einer solchen Anklage kommen wird, ist dennoch völlig offen. Zum einen hängt dies mit den immensen Problemen bei der Beweisführung zusammen. Besonders bitter ist, dass internationale Ermittler und Forensiker gar nicht an den Tatort gelangen konnten, dass die Drahtzieher viel Zeit hatten, um Spuren zu verwischen. Myanmars Generäle haben die Massenvertreibung der muslimischen Rohingya zu verantworten. Sie handelten - so jedenfalls schätzen das die UN-Ermittler ein - mit "genozidaler Absicht". Dafür lassen sich manche Indizien zusammentragen. Ob sie letztlich ausreichen werden, um die Drahtzieher der monströsen Gewalt juristisch wasserfest zu überführen, ist eine ganz andere Frage.

Solange der myanmarische Staat so hartnäckig und geschickt mauert, ist erst einmal nicht damit zu rechnen, dass die Staatengemeinschaft die Verantwortlichen überhaupt vor einen Richter schaffen kann. Außerdem hätte jede Anklage dieser Art mit der zersetzenden Kraft von Fake News zu kämpfen. Einerseits gibt es authentisches Material, das Verbrechen belegt, andererseits macht sich eine Flut von Fälschungen breit, Fotos, Videos, Erzählungen. Um alles sauber zu trennen, braucht man Zeit, Geld und juristische Expertise, nur so ist die mühselige Kleinarbeit zu meistern, die nötig ist, um Gerechtigkeit für die Opfer einzuklagen. Und erst, wenn dies gelungen ist, wird ein Richter fundiert urteilen können.

Damit ein Verfahren in Gang käme, müssten die Großmächte allerdings erst einmal den Willen aufbringen, die Verbrechen aufzuarbeiten. Ein UN-Sicherheitsrats-Beschluss ist dafür nötig. Der Vorwurf des Völkermords, den die Vereinten Nationen nun deutlicher als je zuvor erhoben haben, erhöht den Druck. Doch ist nicht erkennbar, dass die beiden maßgeblichen Kraftzentren, Washington und Peking, zueinanderfinden, um Verbrecher-Generäle in Myanmar zu jagen. Der Handelskrieg und andere Rivalitäten haben die Gräben vertieft, nicht sehr wahrscheinlich, dass sich Amerikaner und Chinesen zusammensetzen, um in Myanmar an einem Strang zu ziehen.

Peking musste eine Zeit lang den Eindruck gewinnen, dass der Siegeszug von Aung San Suu Kyi das Land dem Westen zutreibt, doch inzwischen hat die Friedensnobelpreisträgerin ihren Glanz verloren, angesichts der Gewalt gegen die Rohingya wirkt sie auf geradezu groteske Weise gescheitert. Die Generäle sind und bleiben die starken Männer Myanmars. Und das wird sich erst ändern, wenn China ihnen die schützende Hand entzieht.

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SZ vom 28.08.2018/bix
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