Myanmar:Ein Land auf dem Weg zur Resozialisierung

Der Präsident des vor kurzem noch isolierten und geächteten Myanmar meint es offenbar ernst mit Reformen. Die USA tun gut daran, ihm den Rücken zu stärken und ihre Außenministerin in das Land zu entsenden. Denn so erfreulich sich auch ausnimmt, was da in Myanmar in Gang kommt, es ist keineswegs unumkehrbar.

Stefan Klein

Die gute Nachricht kam zusammen mit einem kleinen Nadelstich. Dass US-Präsident Barack Obama seine Außenministerin Hillary Clinton demnächst nach Myanmar entsenden wird, in das vor kurzem noch isolierte und geächtete südostasiatische Land, dürften die Regierenden in der Hauptstadt Naypyidaw mit großer Genugtuung aufgenommen haben. Für Präsident Thein Sein ist es eine erste Belohnung für seine vorsichtigen Reformschritte.

Myanmar President Thein Sein listens as U.S. President Barack Obama speaks at meeting in Indonesia

Myanmars Präsident Thein Sein und US-Präsident Barack Obama: Die Annäherung der USA bedeutet ein Stück Fortschritt für das Land.

(Foto: REUTERS)

Dass Obama freilich demonstrativ wissen ließ, er habe die diplomatische Ouvertüre zuvor mit Aung San Suu Kyi abgesprochen, der Friedensnobelpreisträgerin und führenden Oppositionellen im Land, dürfte die Freude in der Regierung über den ersten Kontakt mit einem amerikanischen Außenminister seit 50 Jahren doch ein bisschen gedämpft haben. Es war eine schmerzhafte Erinnerung daran, wer für die westliche Welt der eigentliche Machtfaktor ist in Myanmar.

Trotzdem: Präsident Thein Sein kann zufrieden sein. Er ist noch kein Jahr im Amt und hat bereits zwei große diplomatische Coups gelandet. Myanmar darf ab 2014 erstmals für ein Jahr den Vorsitz der südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN übernehmen, das ist der eine Erfolg. Der andere besteht in der Annäherung der USA, was ein Stück Fortschritt bedeutet in der Resozialisierung eines Landes, dessen Bevölkerung jahrzehntelang von einer besonders brutalen Militärjunta geknechtet wurde.

Vor einem Jahr war das alles noch kaum vorstellbar gewesen, und es wäre auch nicht passiert, wenn sich Präsident Thein Sein nicht als Reformer entpuppt und vorsichtig damit begonnen hätte, das Land aus seiner Erstarrung zu lösen. Wichtigster Schritt: die durch langjährigen Hausarrest zur Unperson gestempelte Aung San Suu Kyi wieder zurückzuholen in die politische Arena. Das geht so weit, dass die vor kurzem noch Verfemte vielleicht in wenigen Wochen schon im Parlament in Naypyidaw sitzen wird.

Die Wahlen vor einem Jahr hatte ihre National League for Democracy (NLD) noch boykottiert und war daraufhin verboten worden. Jetzt stehen Nachwahlen an, fast 50 Sitze sind zu vergeben, und die NLD will sich dafür registrieren lassen. Um das zu ermöglichen, hat die Regierung eigens das Parteiengesetz geändert. Kommt es, anders als noch vor einem Jahr, zu einer wirklich freien und fairen Wahl, dann wird die NLD bald eine eigene Fraktion bilden im myanmarischen Parlament.

Es sind bemerkenswerte Entwicklungen, die von den Reformern um Thein Sein möglich gemacht werden, und die USA tun gut daran, ihnen den Rücken zu stärken. Denn so erfreulich sich auch ausnimmt, was da in Myanmar in Gang kommt, es ist keineswegs unumkehrbar. Die Betonköpfe sind nicht ausgestorben und warten wohl nur auf eine Gelegenheit zum rollback. Umso wichtiger, dass sich Thein Sein vom Westen ermutigt fühlen kann, denn sein Reformkurs ist ja erst am Anfang.

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