Süddeutsche Zeitung

Myanmar:Druck, Druck, Druck

Endlich lässt sich ein US-Außenminister in Myanmar blicken. Das Regime versteht dort nur eine Botschaft: Das Land wird so lange international geächtet, bis es Sicherheitsgarantien für die Rohingyas ausspricht und deren Rückkehr ermöglicht.

Von Arne Perras

Das Militär von Myanmar hat diese Woche ein beachtliches Mitteilungsbedürfnis entwickelt, wie man es zuvor kaum kannte. Das lag am Besuch des US-Außenministers Rex Tillerson, der am Mittwoch zu Krisengesprächen einflog. Schon vor seiner Landung durfte der Amerikaner lesen, was das "True News Information Team" der myanmarischen Streitkräfte alles an Wahrheiten für den hohen Besuch aus Washington bereithielt: In einem 14-Punkte-Papier stellte sich das Militär selbst einen umfassenden Freispruch aus. Verbrechen gegen Zivilisten? Die Armee wollte davon nichts wissen, sie präsentierte sich in reingewaschener Uniform.

Keinesfalls darf sich die Staatengemeinschaft durch so plumpe Manöver abspeisen lassen. Die Vorwürfe gegen das Militär wiegen schwer. Mehr als 600 000 Angehörige der muslimischen Minderheit sind schon aus dem Westen geflohen, und der Strom reißt nicht ab. Menschenrechtsgruppen, Flüchtlingshelfer, UN-Mitarbeiter und Reporter haben Tausende Zeugnisse gesammelt, die auf schreckliche Gräueltaten hinweisen. Und die meisten deuten auf Exzesse des Militärs. Deshalb ist es zwingend, dass die UN und die Großmächte auf eine glaubwürdige Untersuchung dringen. Tillerson hat das getan, doch Beweise zu sammeln ist mühsam, solange das Militär die Gebiete abschottet. Unternimmt Myanmar die Strafverfolgung nicht selbst, sollte der UN-Sicherheitsrat erwägen, den Internationalen Strafgerichtshof einzuschalten. Denn der Vorwurf ethnischer Säuberungen wiegt zu schwer, als dass man ihn versanden lassen könnte.

Die Rohingya brauchen vor einer Rückkehr Garantien und Hilfe

Nun werden Rufe nach Sanktionen gegen den Staat laut. Tillerson will auf sie vorerst verzichten, was manche Menschrechtsaktivisten frustriert. Doch die Zögerlichkeit hat einen guten Grund. Sanktionen wirken zweischneidig. Sie könnten eine Lösung der Krise derzeit mehr behindern als fördern, wenn sie den Blockadereflex Myanmars weiter verstärken. Denn eines lässt sich nicht leugnen: Nur mit der Regierung, nicht gegen sie, kann es eine Zukunft für die Rohingya geben. Deren schnelle Rückkehr ist unwahrscheinlich, die Vertriebenen haben zu viel Angst. Deshalb müssen die Staaten Sicherheitsgarantien einfordern und dafür sorgen, dass Myanmar das Gebiet für internationale Beobachter und Helfer öffnet.

Außerdem sollte das Ausland dringend nach Wegen suchen, wie man die selbsternannte Heilsarmee der Rohingya von Attacken auf die Armee abhalten kann. Solche Provokationen spielen nur buddhistischen Chauvinisten in die Hände, die pauschal die muslimische Minderheit als Gefahr anprangern. Stacheln die Aufständischen das Militär immer wieder auf, schwinden die Chancen auf Frieden.

Die größte Hürde zur Lösung des Konflikts muss Myanmar jedoch selbst aus dem Weg räumen. Denn die Rohingya, die seit Generationen im Land leben, sind von der Staatsbürgerschaft ausgeschlossen. Die Regierung muss diesen Zustand beenden, ansonsten gibt es keine Chance, apartheidähnliche Zustände zu ändern und das Stigma zu beseitigen, mit dem Muslime im überwiegend buddhistischen Land leben.

Sperrt sich Myanmar gegen die Reformen, nährt dies nur den Verdacht, dass das Militär eine Heimkehr der Rohingya unmöglich machen will. Damit darf sich die Weltgemeinschaft niemals abfinden. Sie kann Myanmar aber nur in die Pflicht nehmen, wenn Amerikaner, Russen und Chinesen ihre geopolitischen Rivalitäten in diesem Fall überwinden. Andernfalls sind die Konsequenzen verheerend, nicht nur für die Rohingya. Denn im Elend blüht der Hass. Und den wollen sich islamistische Extremisten zunutze machen. Neuer Nährboden für den Terror aber ist das Letzte, was die Welt brauchen kann.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2017
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