Myanmar:Die Lady in der Falle

Aung San suu Kyi hat endlich ihr Schweigen zur Gewalt gegen die Rohingya gebrochen. Aber ihre kraftlose Rede machte klar: Im Land entscheidet immer noch das Militär über die Marschrichtung.

Von Arne Perras

Aung San Suu Kyi hat ihr Schweigen gebrochen. Die Friedensnobelpreisträgerin, die Myanmar in bessere Zeiten führen will, sprach erstmals ausführlich über die Gewalt im Westen ihres Landes. Doch Hoffnung auf eine Wende, ein Ende des Leidens hat sie nicht geweckt. Sie machte viele Worte. Dennoch hat die regierende Staatsrätin kaum etwas gesagt, das den Vertriebenen helfen könnte.

Das ist nicht überraschend, denn sie hat die Rede nur gehalten, weil der Druck der Staatengemeinschaft so groß geworden ist. Im Westen Myanmars sind schon 420 000 Angehörige der muslimischen Minderheit vor der Armee geflohen. Die wiederum behauptet, sie bekämpfe Aufständische. Ein Ende der Not ist nicht in Sicht. Das wird auch Aung San Suu Kyi nicht ändern. Bei ihrer Rede wirkt sie nicht wie eine entschlossene Staatenlenkerin, sondern erinnerte an eine entrückte Professorin, die sich abstrakt Gedanken über Krieg und Frieden machte. Angst und Hass seien immer die Ursachen, sagte Suu Kyi. Wer sich mit den Verhältnissen in Rakhine befasst, dürfte ihr kaum widersprechen.

Das Militär gibt die Richtung vor, Aung San Suu Kyi läuft nebenher

Der Konflikt dort hat sich über Jahrhunderte aufgebaut zwischen Muslimen und Buddhisten. Täter und Opfer gab es im historischen Verlauf auf beiden Seiten. Aber nun sind die Flüchtlingsströme größer als je zuvor. Und es gibt schwere Vorwürfe gegen das Militär, es verfolge eine Strategie systematischer Vertreibungen. In dieser Lage reicht es nicht, wenn Suu Kyi die abgeklärte Historikerin gibt. Sie müsste handeln und führen, vor allem die Armee zügeln. Aber das kann sie nicht. Denn die Marschrichtung bestimmen die Generäle. Und sie läuft nebenher.

So wirkte sie in ihrer Rede kraftlos. Mal flüchtete sie sich ins Abstrakte, mal ver-blüffte sie mit Fragen: Sie wolle wissen, warum all die Menschen fliehen. Wenn sie es aber als Regierungschefin bisher nicht geschafft hat, das halbwegs zu erkunden, ist sie nur Zuschauerin, die wichtige Informationen gar nicht erhält. Es scheint, dass das Militär immer noch über die Zukunft entscheidet, zumal wenn es um Krieg und Frieden geht.

Die Rede zeigt auch, wie sehr sie in der Falle steckt. Sollte sie mehr wissen über die Gewalt des Militärs und jetzt nicht darüber sprechen, erweckt sie den Eindruck, stille Komplizin zu sein. Das ruiniert ihren internationalen Ruf, der wichtig ist, um In-vestoren anzulocken. Wenn sie anderer-seits Verbrechen offenlegt und als Anwäl-tin der Flüchtlinge auftritt, wird sie nicht nur den Zorn des Militärs wecken, sondern auch ihre Popularität in der überwiegend buddhistischen Bevölkerung verspielen: Der Hass auf die Rohingya ist in Myanmar so verbreitet, dass jeder zum Außenseiter wird, der sich schützend vor sie stellt.

Die Lady hat die bittere Zeit des Hausar-rests gemeistert mit Hartnäckigkeit und Verzicht. Doch diese Qualitäten nützen wenig, um sich aus der neuen Zwangslage zu befreien. Sie will das Volk nicht gegen sich aufbringen - und hat keine Hebel gegen das Militär. Für die Rechte der verhassten Minderheit wird sie daher nicht einstehen.

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