Süddeutsche Zeitung

Myanmar:Einschläge unter Freunden

Bei Luftangriffen der Junta haben Bomben aus Myanmar auch Nachbarländer getroffen. Weshalb reagieren Indien und Thailand so gelassen?

Von David Pfeifer, Bangkok

Wer um sich schlägt, erwischt auch mal den Falschen. Drei Luftangriffe der Junta in Myanmar sind in den vergangenen Tagen auf dem Gebiet von Nachbarn eingeschlagen: erst in Thailand und Bangladesch, am Mittwoch in Indien. Gegen 16 Uhr warfen drei Yak-130- und zwei MiG-29-Kampfjets mindestens fünf Mal Bomben auf das Gebiet des Chin-Staates in Myanmar, der an das indische Bundesland Mizoram grenzt. Zwei davon landeten in Indien.

Laut Angaben des Magazins Myanmar Now, das aus dem Untergrund berichtet, wurden dabei fünf Kämpfer der "Chin National Front" (CNF) getötet, einer der vielen bewaffneten Gruppen verschiedener Ethnien in den Grenzgebieten Myanmars, die gegen die Junta Widerstand leisten. "Es spielt keine Rolle, welche Strategie oder Technologie der Militärrat einsetzt, um uns anzugreifen", erklärte CNF-Sprecher Salai Htet Ni gegenüber Myanmar Now. "Das Volk ist immer auf unserer Seite, und das ist die treibende Kraft für uns."

Seit dem Coup sind angeblich bereits 2600 Menschen bei Angriffen der Junta gestorben

Vor allem junge Menschen sind seit dem Putsch in die Gebiete der bewaffneten Gruppen geflohen, nachdem sie in den großen Städten nicht einmal mehr demonstrieren können, ohne ihr Leben zu riskieren. Der Angriff sollte ein Ausbildungslager der "Peoples Defense Forces" treffen, wie sich die prodemokratischen Kämpfer im Land nennen, die Junta spricht von Terroristen.

Luftangriffe sind eine gängige Taktik der Junta. Im Oktober wurde ein Konzert im Kachin-Staat, im Norden Myanmars, bombardiert, mindestens 80 Menschen starben. Auch vom Einsatz von Landminen, die in Schulen, Kirchen und Krankenhäusern ausgelegt werden, wird immer wieder berichtet. Nach Angaben der "Assistance Association for Political Prisoners" wurden seit dem Coup etwa 2600 Menschen getötet.

Wieso aber reagieren die Nachbarn so ruhig auf die Bomben, die jenseits der Landesgrenzen herunterkamen? Vermutlich verfolgen sie damit eigene Interessen. In Thailand etwa regiert ebenfalls eine nur halbdemokratisch legitimierte Junta, und unter Waffenbrüdern kritisiert man sich nicht.

Das indische Militär wiederum pflegt lange, gute Verbindungen zum birmanischen, um die etwa 1600 Kilometer lange gemeinsame Grenze zu sichern - mit russischen Waffen. Indien, Thailand und Russland gehören auch zu den wenigen Ländern, die weiterhin formelle Beziehungen zum Militärrat in Myanmar unterhalten. Und dann wäre da noch China, das die Junta bislang ebenfalls stützt.

Die Distanz zu den bisherigen Freunden wächst

Langsam aber scheint sich die Stimmung zu drehen. So hat Peking Ende des vergangenen Jahres eine Einladung zum "Lancang-Mekong-Kooperationsgipfel" in Myanmar ausgeschlagen und die Generäle damit brüskiert. China ging damit auf eine Linie mit den Asean-Staaten, die darauf bestehen, dass nur ein ziviler Vertreter Myanmars an ihren Zusammenkünften teilnehmen darf. Die Junta wird politisch zunehmend isoliert.

Es gibt sehr konkrete Gründe für die wachsende Skepsis: Peking will seine Öl- und Erdgas-Pipelines beschützen, die im nördlichen Shan-Staat Myanmars verlaufen, einem Standort für viele Infrastruktur-Projekte der "Neuen Seidenstraße" Chinas. Darunter sind auch Eisenbahnen, Autobahnen und ein Tiefwasserhafen, der China über Myanmar mit dem Indischen Ozean verbinden soll.

Seit dem Coup kam es jedoch immer wieder zu Auseinandersetzungen in diesem Gebiet, das Militär kann sich auch dort nicht durchsetzen. Die zivile Regierung Myanmars im Untergrund wiederum ruft die bewaffneten Gegner der Junta auf, chinesische Investitionen nicht zu attackieren.

Diese Taktik könnte sich auszahlen, je länger der Konflikt andauert. Nachdem Peking und Moskau sich zuletzt entschieden hatten, kein Veto gegen die Kritik an der Junta durch die UN einzulegen, sagte etwa Louis Charbonneau von "Human Rights Watch" dem Sender Al-Jazeera: "Die Stimmenthaltung Chinas und Russlands signalisiert, dass selbst die wenigen Freunde der Junta das Interesse verloren haben, ihren Kopf zur Verteidigung ihrer Gräueltaten hinzuhalten."

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