Süddeutsche Zeitung

Myanmar:Die Generäle verlängern den Notstand

Die Junta in Myanmar hat sich beim nächsten Treffen der benachbarten Asean-Staaten abgemeldet. Das kann nur bedeuten, dass das Militär seine Macht nicht konsolidieren kann.

Von David Pfeifer, Bangkok

Es ist eigentlich kaum möglich, ein Land im Bürgerkrieg noch weiter zu isolieren. Doch die Junta in Myanmar arbeitet mit Nachdruck daran. Am Montag gab das "State Administration Council" (SAC), wie die Junta sich selbst bezeichnet, bekannt, dass der Notstand im Land um ein weiteres halbes Jahr verlängert werde. Es wären dann genau zwei Jahre, seitdem die Generäle die Macht in der Nacht zum 1. Februar 2021 wieder an sich gerissen haben.

Ebenfalls am Montag teilte das SAC mit, dass Myanmar nicht am kommenden Treffen des Verbandes Südostasiatischer Nationen (Asean) teilnehmen werde. Das ist ein bisschen, wie beleidigt zu behaupten, man wollte gar nicht zu einer Party kommen, von der man vorher ausgeladen wurde. Die neun anderen Asean-Mitglieder hatten sich Ende des vergangenen Jahres auf einen Fünf-Punkte-Plan verständigt, den die SAC erfüllen sollte, um wieder teilnehmen zu dürfen. Er sah ein Ende der Gewalt gegen Demonstranten und einen Dialog mit den Protestierenden im Land vor. Ein Asean-Beobachter sollte entsandt werden, um sich ein Bild von der Lage zu machen - und auch Zugang zur inhaftierten Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi bekommen, die seit dem Putsch im Gefängnis sitzt.

Die Forderung der Asean-Länder konnte man durchaus als Aussage werten, dass man das SAC nicht als zivile Regierung anerkennt. Die Generäle haben bisher keinen der Punkte erfüllt. In einer Erklärung zur Asean-Absage sagte General Min Aung Hlaing, gleichzeitig SAC-Vorsitzender und Junta-Chef, laut dem Nachrichtendienst Reuters am Montag in einer Fernsehansprache, dass Myanmar sich bemüht habe, die Herausforderungen der Coronavirus-Pandemie zu überwinden, während es mit interner Gewalt konfrontiert sei, "daher war es schwierig, den Asean-Konsens umzusetzen, da es an Stabilität mangelte". Er fügte hinzu, dass erst dann Fortschritte erzielt werden könnten, wenn die Situation "normal" sei. Womit wiederum die Verlängerung des Notstands begründet wird.

Statt also den letzten Kontakt zur Gemeinschaft zu halten, rutscht Myanmar zurück in dunkelste Zeiten der alten Militärherrschaft, als das Land weitgehend isoliert von der Welt existierte. 2011 war ein sanfter Demokratisierungsprozess eingeleitet worden. Doch nun ist fast alles wieder so wie früher, oder schlimmer. Sogar die gewählte und am 1. Februar entmachtete Regierungschefin Aung San Suu Kyi sitzt wieder in Haft. Nicht mal ihre Anwälte haben ungehindert Zugang zu ihr, mit der Presse dürfen sie nicht sprechen. Was nach außen dringt, sind nur die Urteile gegen sie, die auf offensichtlich konstruierten Anschuldigungen basieren und hinter verschlossenen Türen gefällt werden.

Amnesty veröffentlichte einen Bericht über den Einsatz von Landminen

Mittlerweile haben sich viele Menschen in die unabhängigen Gebiete des Landes geflüchtet, die von "Ethnic Armed Organisations" (EAOs) kontrolliert werden. Von dort wird der gewaltsame Widerstand gegen die Junta organisiert. Momentan kann keine Seite so etwas wie eine Machtbasis etablieren. Wobei man das als Erfolg der Protestierenden und als Problem der SAC werten muss.

Es kam in den vergangenen Wochen immer wieder zu Verletzungen des thailändischen Luftraums durch Militär-Jets aus Myanmar, die offenbar Gebiete der EAOs attackierten. Amnesty International veröffentlichte vor zwei Wochen einen Bericht über den Einsatz von Landminen im zivilen Umfeld durch das Militär. Mehr als 2100 Menschen sind seit der Machtübernahme getötet worden, viele Hunderttausend Flüchtlinge sind im Land sowie in Thailand und Indien gestrandet.

In seiner Rede hatte General Min Aung Hlaing "Terroristen" die Schuld an den Opfern gegeben. Das wahre Ausmaß der Konflikte ist schwer einzuschätzen, da leicht bewaffnete Volksverteidigungskräfte entstanden sind, die gegen die Armee kämpfen, oft in abgelegenen Gebieten. Das SAC ist seit dem Putsch von vielen westlichen Ländern mit Sanktionen belegt worden, und als in der vergangenen Woche vier Demokratieaktivisten hingerichtet wurden, kam es erneut zu einer Reihe von Verurteilungen durch die internationale Gemeinschaft. Die Menschenrechtsbeauftragte der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, nannte die Hinrichtungen einen "grausamen und regressiven Schritt". Zu den Hingerichteten gehörten der Demokratieaktivist Kyaw Min Yu, "Ko Jimmy" genannt, und der Hip-Hop-Künstler Phyo Zeya Thaw, der auch in der Regierung saß und ein Vertrauter von Aung San Suu Kyi war.

Seit dem Putsch wurden 117 Todesurteile verhängt

Den Familien der hingerichteten Männer wurde die Möglichkeit verweigert, die Leichen ihrer Angehörigen zu bergen, sagte Thazin Nyunt Aung, die Frau von Phyo Zeyar Thaw, Reuters und verglich dies mit dem Verhalten von Mördern, die ihre Verbrechen vertuschen wollen. Nach Angaben der "Assistance Association for Political Prisoners", die Verhaftungen, Tötungen und Gerichtsurteile in Myanmar verfolgt, waren die Hinrichtungen die ersten von insgesamt 117 Todesurteilen, die seit dem Putsch von Militärgerichten verhängt worden sind.

Viele Investoren haben sich in den vergangenen eineinhalb Jahren aus Myanmar zurückgezogen, ein Teil des Widerstands im Ausland konzentriert sich darauf, Verbindungen von Konzernen zu Firmen in Myanmar publik zu machen, die mit einer Unterstützung der Junta gleichzusetzen sind. Die Weltbank geht davon aus, dass Myanmars Wirtschaft in diesem Finanzjahr um drei Prozent wachsen wird, nachdem sie im vergangenen Jahr um 18 Prozent geschrumpft war, und warnte, dass eine Rückkehr zum Niveau vor der Pandemie in naher Zukunft unwahrscheinlich sei. Am Ende könnte das die größte Gefahr für die SAC sein, denn das Militär, ob an der Macht oder nicht, umfasst mehr als 400 000 Soldaten und ihre Familien, eigene Schulen und Krankenhäuser. All das muss finanziert werden, genau wie die Schulen im Ausland, auf die die Generäle ihre Kinder schicken.

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