Mutmaßlicher Terrorist Scheich Mohammed:Staubsauger konstruieren gegen den Wahnsinn

Khalid Scheich Mohammed nach seiner Festnahme in Pakistan 2003

Khalid Scheich Mohammed nach seiner Festnahme in Pakistan 2003

(Foto: AFP)

Erst folterte die CIA Khalid Scheich Mohammed, den mutmaßlichen Chef-Planer der Anschläge von 9/11, in ihren Geheimgefängnissen. Dann durfte er sich einem ungewöhnlichen Projekt widmen: Der US-Geheimdienst ließ ihn einen Staubsauger entwerfen. Eine erstaunliche und entlarvende Anekdote über den Anti-Terror-Krieg.

Seit er 2003 in Pakistan festgenommen wurde, befindet sich Khalid Scheich Mohammed in den Händen der CIA. Der Pakistaner gilt als Chefplaner der Anschläge des 11. September 2001.

Die Verhörmethoden, die der US-Geheimdienst bei ihm anwandte, gelten schon längst als Symbol für die Exzesse im Anti-Terror-Kampf: Um an Informationen zu weiteren möglichen Anschlagsplänen und Hintermännern zu kommen, folterte die CIA ihn in einem Geheimgefängnis in Polen 183 Mal mit Waterbording - dem berüchtigten simulierten Ertränken.

Geheimdienstmitarbeiter drohten ihm damit, seine Kinder zu töten. Sie hinderten ihn 180 Stunden lang am Schlafen. Schließlich gestand der heute 47-Jährige eine ganze Reihe von Gewalttaten. Daraufhin wurde er in die geheime US-Geheimdienstanlage "Britelite" (Bright Light) in der Nähe der rumänischen Hauptstadt Bukarest verlegt.

Und dort begann der Terrorverdächtige, einen Staubsauger zu entwerfen.

Wie es dazu kam, berichtet die Nachrichtenagentur AP: Demnach hatte Scheich Mohammed seine Gefängniswärter in Rumänien gebeten, ihm dieses Projekt zu ermöglichen. Das CIA-Hauptquartier gab sein Okay. Der Gefangene konnte beginnen, anhand von Plänen aus dem Internet sein eigenes Gerät zu konstruieren.

Wieso aber kam die CIA, deren Agenten den Pakistaner zuvor so brutal behandelt hatten, nun auf einmal derart entgegen?

Weil, so heißt es bei AP, der mutmaßliche Terror-Chef für einen Prozess bei Verstand sein muss. "Wir wollen nicht, dass sie durchdrehen", zitiert die Nachrichtenagentur einen hohen CIA-Beamten, der ungenannt bleiben wollte.

Schutz des Verstandes - aber nicht immer

Der Schutz des Verstandes eines Terrorverdächtigen gilt zumindest dann, wenn die Behörde davon ausgeht, dass aus dem Gefangenen keine weiteren Informationen zu holen sind. Vorher, so ist in früheren Richtlinien der CIA zu den Befragungen zu lesen, ist das etwas anders: Dort empfahlen die Autoren Methoden, um gefangene Terroristen "psychologisch zu verwirren, ihre Gefühle der Verletzlichkeit und Hilflosigkeit zu maximieren und ihre Widerstandskraft zu verringern oder eliminieren".

Welche Folgen das haben konnte, stellten Mediziner des Walter Reed National Military Medical Center in Bethesda, USA, an dem Gefangenen Abd al-Nashiri fest. Der Al-Qaida-Terrorist litt nach den Befragungen unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer schweren Depression.

Ramsi Binalshibh, ein weiterer von der CIA gefolterter Terrorist, musste Human Rights Watch zufolge mit Medikamenten gegen Schizophrenie behandelt werden. Binalshibs Anwalt Thomas Durkin sagte AP, bereits die lange Isolation könne schwere Folgen für den Geisteszustand eines Gefangenen haben. Dafür spricht auch die hohe Zahl von Suizidversuchen und Selbsttötungen unter den Insassen des Gefangenenlagers Guantánamo auf Kuba.

Scheich Mohammed soll sich AP zufolge bei guter Gesundheit befinden. Warum der mutmaßliche Terrorist sich ausgerechnet an das Design eines Staubsaugers machen wollte, ist unklar. Dass er sich als Konstrukteur versuchen wollte, legt seine Vita nahe: Schließlich hat er 1986 seinen Abschluss als Ingenieur an der North Carolina Agricultural and Technical State University gemacht.

Geheimhaltung der Staubsauger-Pläne

Immerhin bietet AP-Reporter Adam Goldman noch einen interessanten, allerdings höchst spekulativen Hinweis. In seinem Buch "Unser Mann in Havanna" beschreibt Graham Greene einen Staubsaugervertreter, der dem britischen Geheimdienst MI6 weismacht, die Baupläne eines seiner Geräte seien der Plan einer militärischen Anlage. Allerdings ist unklar, ob Scheich Mohammed das Buch gelesen hat - es wäre eine äußerst originelle Anspielung des Terrorverdächtigen auf einen Spionage-Roman.

Weitere Informationen zu dem Projekt und zum Verbleib der Blaupausen, die Scheich Mohammed angefertigt haben soll, gibt es offiziell nicht. 2006 wurde das Geheimgefängnis in Rumänien geschlossen, die Insassen wurden in das Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba verlegt.

Wahrscheinlich, so heißt es, konnte er die Früchte seiner Ingenieursarbeit nicht ernten. Die CIA war nicht bereit, der Nachrichtenagentur Kopien der Pläne herauszugeben. "Sollten sie existieren", zitiert AP aus einem Brief der Behörde, würden die Staubsaugerpläne zu Regierungsakten mit der höchsten Geheimhaltungsstufe gehören.

Auch Scheich Mohammeds Militäranwalt Jason Wright erklärte der Nachrichtenagentur, er dürfe das Interesse seines Mandanten an Staubsaugern nicht diskutieren. Die Begründung offenbart Teile der Absurdität der US-Geheimhaltungspolitik: "Es klingt lächerlich, aber diese Frage zu beantworten, oder auch nur die Existenz eines Staubsauger-Designs, eines Mopps oder das Design eines besseren Handtuchs zu bestätigen oder zu bestreiten, würde offenbar die US-Regierung und ihre Bürger außergewöhnlich großer Gefahr aussetzen."

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