Muslimische Minderheiten:Ankara fordert Schließung der Internierungslager in Westchina

Die Türkei kritisiert Chinas Umgang mit den muslimischen Minderheiten im Land scharf. Pekings Politik sei "beschämend für die Menschheit".

Von Lea Deuber

Die Türkei hat den Umgang Pekings mit den muslimischen Minderheiten in China scharf gerügt. Die Politik in der westchinesischen Provinz Xinjiang sei zutiefst "beschämend für die Menschheit", erklärte ein Außenamtssprecher in Ankara am Samstag. Es sei "kein Geheimnis mehr", dass China mehr als eine Million Uiguren willkürlich in "Konzentrationslagern" interniert habe. Ankara habe Peking seine Position "auf allen Ebenen" deutlich gemacht. Die türkische Regierung habe darauf gedrungen, die Haftanstalten zu schließen und die Menschenrechte im Land zu wahren.

Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden bis zu einer Million Uiguren und andere turkstämmige Muslime in chinesischen Arbeitslagern festgehalten. Der Weltkongress der Uiguren in München geht von einer deutlich höheren Zahl aus. Unabhängigen Beobachtern wird der Zugang zu der Region verwehrt. Journalisten können sich dort nicht uneingeschränkt bewegen. Laut chinesischen Behörden handelt es sich bei den Lagern um "Bildungszentren", die Menschen von Terrorismus abhalten und die Region befrieden sollen. In der Region kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Anschlägen.

Der türkische Präsident Erdoğan hatte schon 2009 von einem "Genozid" gesprochen

Auslöser für die türkische Kritik am Wochenende soll der Tod des berühmten uigurischen Musikers und Dichters Abdurehim Heyit sein, der laut Medienberichten am Samstag in einem chinesischen Gefängnis verstarb. Der Lautenspieler war wegen eines Liedes zu acht Jahren Haft verurteilt worden, seit 2017 hatte er im Gefängnis gesessen. Der Außenamtssprecher sprach von einer "Tragödie", die die Meinung der türkischen Öffentlichkeit über die Zustände in Xinjiang noch einmal bestärkt habe. In den vergangenen Jahren hat China nicht nur viele Moscheen im Land geschlossen und Muslime an der Ausübung ihrer Religion gehindert, sondern auch gezielt uigurische Intellektuelle, Wissenschaftler und Kulturschaffende verhaftet. Menschenrechtsorganisationen vermuten dahinter den Versuch, Sprache und Identität der Volksgruppe auszulöschen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte China 2009 vorgeworfen, an den muslimischen Gläubigen im Land einen "Genozid" zu verüben. Seitdem hatte die Türkei aber ihre Beziehungen zu Peking vertieft und sich nicht mehr zu der Lage der Muslime im Land geäußert. China fordert von seinen Wirtschaftspartnern Stillschweigen gegenüber den Menschenrechtsverletzungen im Land, wollen diese mit Peking Geschäfte machen.

Chinas Botschaft in Ankara reagierte am Wochenende prompt. Die Kommentare des türkischen Außenamts seien nicht zu akzeptieren, schrieb die Botschaft in einem Statement auf ihrer Internetseite. Wie der türkische Staat stehe China der Aufgabe gegenüber, Terrorismus und Extremismus zu bekämpfen. In dieser Frage dürfe nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.

Erst Anfang Februar hatten mehr als ein Dutzend Menschenrechtsorganisationen die Vereinten Nationen aufgefordert, die Unterdrückung der uigurischen Minderheit unter Mandat des UN-Menschenrechtsrates zu untersuchen. "Die Misshandlung in Xinjiang ist so schwerwiegend, dass es nach internationalem Handeln schreit", sagte Kenneth Roth von Human Rights Watch. In den Internierungslagern seien Häftlinge "erzwungener politischer Indoktrinierung, dem Verzicht auf ihren Glauben, Misshandlung und in einigen Fällen auch Folter ausgesetzt", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Es gebe Berichte über Todesfälle und Suizide in den Einrichtungen.

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