Süddeutsche Zeitung

Muslima vor Treffen mit Papst:"Ich würde gerne 'Heiliger Vater' zu ihm sagen"

Asiye Balikci ist Muslima und arbeitet bei der Caritas in Gelsenkirchen. An diesem Freitag wird sie den Papst treffen. Im Gespräch mit sueddeutsche.de verrät die junge Juristin, warum sie gerne in der katholischen Wohlfahrtsorganisation arbeitet, was sie vom Papst erwartet - und welche Frage sie stellen möchte.

Oliver Das Gupta

Asiye Balikci kam in Wiesbaden zur Welt und wuchs in der hessischen Landeshauptstadt auf. Die Großeltern der Volljuristin kamen einst aus der Türkei nach Deutschland. Balikci arbeitet bei der Caritas in Gelsenkirchen. Sie gehört zu den Muslimen, die an diesem Freitag den Papst treffen.

sueddeutsche.de: Frau Balikci, bevor wir über den Papst reden, zunächst einmal eine andere Frage vorweg: Wie kommt eine Muslima zu einer christlichen Einrichtung wie der Caritas?

Asiye Balikci: Die Caritas schrieb eine Stelle aus: Sie suchte für ihre Integrationsagentur eine Juristin mit muslimischem Hintergrund und türkischen Sprachkenntnissen. Ich dachte: "Die suchen mich" und habe mich beworben. Allerdings bin ich sicherlich eine Rarität. Lange Zeit galten muslimische Migranten als "Gastarbeiter", um die sich die Arbeiterwohlfahrt kümmert, statt die Caritas. Das ändert sich erfreulicherweise. Und ich stehe voll und ganz zum Caritas-Verband und seinen Leitbildern.

sueddeutsche.de: Und was ist mit seiner katholisch-christlichen Ausrichtung?

Balikci: Es geht mir in erster Linie um Werteorientierung. Dafür bin ich früh von meiner Familie sensibilisiert worden. Meine Eltern haben immer wieder anderen Menschen bei Behördengängen und Anträgen geholfen. Das war eigentlich reinste Sozialarbeit. Ich trete sozusagen in die Fußstapfen meiner Eltern mit meiner Tätigkeit. Solidarität und Nächstenliebe sind für mich ausschlaggebend - zwei Punkte, die auch in der Caritasarbeit verankert sind.

sueddeutsche.de: Das wird der Papst sicher gerne vernehmen. Wie wurden Sie eigentlich ausgewählt? Haben Sie sich das gewünscht? Gab es ein Auswahlgespräch?

Balikci: Vor einigen Wochen habe ich eine Einladung von der Deutschen Bischofskonferenz für das Papsttreffen erhalten - als erstes dachte ich, es wäre ein Aprilscherz. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass man auf mich kommt. Später habe ich erfahren, dass man bei der Deutschen Bischofskonferenz gelesen hatte, was ich in Fachzeitschriften über christliche und muslimische Bestattungsrituale und kultursensible Altenarbeit veröffentlicht habe.

sueddeutsche.de: Sie freuen sich über die Einladung?

Balikci: Klar freue ich mich! Ich fühle mich sehr geehrt, dass ich gefragt wurde, zumal ich ja keine Verbandsfunktionärin bin.

sueddeutsche.de: Worüber wollen Sie denn mit dem Papst sprechen?

Balikci: Das ist eine gute Frage! Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Vielleicht werde ich ihn fragen, ob das Weltgebetstreffen für den Frieden in der italienischen Stadt Assisi, das auf eine Einladung des Papstes Johannes Paul II. zurückging und als interreligiöses Treffen von hohen Geistlichen verschiedener Religionen besucht wurde, als Assisi 2 auch hier in Deutschland organisiert werden könnte. Was würden Sie ihn denn fragen?

sueddeutsche.de: Vermutlich etwas zum Alleinvertretungsanspruch des Vatikans als Sprachrohr Gottes auf Erden. Denn der Papst findet, dass nur die katholische Kirche eine Kirche ist - andere wie die protestantischen sind demnach keine Kirchen. Aber wahrscheinlich bekäme ich dann eine gepfefferte Antwort vom Theoretiker Benedikt, die theologisch so niet- und nagelfest ist, dass man nichts mehr darauf erwidern kann.

Balikci: Ich kenne den Fall eines Journalisten, der den Papst auf einer Spanienreise begleiten konnte. Drei, vier Tage hat er sich überlegt, was er ihn fragen soll. Am Ende kam so etwas wie: "Wie geht es Ihnen, Heiliger Vater" raus.

sueddeutsche.de: Vielleicht sollten Sie ihn etwas Einfaches fragen.

Balikci: Ein persönliches Anliegen als Frau, Muslima und Caritas-Mitarbeiterin wäre zum Beispiel, wann es nicht mehr die Ausnahme, sondern die Norm ist, dass auch muslimische Männer und Frauen bei katholischen Organisationen angestellt werden. Und wann es für mich als Frau islamischen Glaubens möglich ist, bei dementsprechender Qualifikation, Leistung und Eignung auch in leitender Position dort zu arbeiten. Diese Perspektive ist mir zum Beispiel verwehrt.

sueddeutsche.de: Prima, fragen Sie ihn das.

Balikci: Ich würde mir wünschen, dass der Papst Benedikt da etwas bewirkt.

sueddeutsche.de: Wie werden Sie den Papst eigentlich ansprechen?

Balikci: Ich würde gerne "Heiliger Vater" zu ihm sagen. Das ist persönlicher als "Eure Heiligkeit".

sueddeutsche.de: Das ist beachtlich, schließlich ist "heilig" ein fast göttliches Attribut.

Balikci: Ich habe das Gefühl, dass ich mit beiden Sphären verbunden bin. Schließlich bin ich einerseits Muslima und kann mich auf der anderen Seite mit den Idealen der Caritas identifizieren.

sueddeutsche.de: Benedikts Regensburger Rede hat viele Muslime verstört und zu Aufruhr in der islamischen Welt geführt.

Balikci: Stimmt, es gab Kontroversen, aber das ist nun einige Jahre her. Ich lebe im Jetzt und schaue in die Zukunft. Mich interessiert, was nun passiert.

sueddeutsche.de: Kontroversen gibt es auch diesmal: Finden Sie es richtig, dass ein Religionsführer im Bundestag spricht?

Balikci: Kontroversen müssen im Übrigen nicht schlecht sein. Im Gegenteil, gerade als angehende Familientherapeutin weiß ich, dass eine gute Streitkultur sehr fruchtbar und anregend sein kann. Wenn man sie mit einem gewissen Niveau führt, können sie die Gesellschaft auf jeden Fall weiterbringen. Ich kann mir vorstellen, dass sich jetzt viele Menschen in Deutschland zum Beispiel die Frage stellen: Wie würde ich mich verhalten? Ich finde dieses Sich-Bewusstmachen und diese Anregung, sich zu positionieren gut und überaus wichtig. Ich persönlich hätte mir seine Rede angehört, wenn ich Abgeordnete wäre.

sueddeutsche.de: Was erhoffen Sie sich persönlich von diesem Papst?

Balikci: Eigentlich das, was er schon zeigt: Dialogbereitschaft. Der Papst besucht Deutschland und nimmt sich Zeit und Raum für uns Muslime, aber auch für Juden und orthodoxe Christen - damit setzt er meines Erachtens auch ein großes Zeichen für den Dialog mit den unterschiedlichen Religionen in Deutschland. Dass er Wert darauf legt, zeigt, wie sehr diesem Mann am interreligiösen Dialog gelegen ist. Ich glaube, diese Dialogbereitschaft hat die Welt nötiger denn je - aber auch gerade Deutschland: Menschen, die verschiedenen Religionen angehören, sollten mehr miteinander reden. So lassen sich auch Debatten versachlichen, die sehr polemisch und feindlich geführt werden. Aus der Begegnung mit dem Papst Bendedikt wünsche ich mir also eindeutig, dass der interreligiöse Dialog in Deutschland noch mehr wächst und gedeiht.

sueddeutsche.de: Sie spielen auf die Debatten um den Islam an, die ihren Höhepunkt im vergangenen Sommer mit Thilo Sarrazin hatten. Macht Ihnen das Angst?

Balikci: Wie gesagt: Ich finde kontroverse Debatten richtig. Man muss hinterher ja nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Aber es kann nicht sein, dass eine Religion generell verteufelt und als absolut schlecht dargestellt wird.

sueddeutsche.de: Sie fühlen sich persönlich angegriffen?

Balikci: Manchmal habe ich den Eindruck, es schwebe ein Generalverdacht über den Muslimen. Früher musste ich mich rechtfertigen, warum ich als Frau bei einem katholischen Verband arbeite, inzwischen kommt noch dazu, dass ich mich rechtfertigen muss, Muslima zu sein. Früher habe ich mir darüber einfach keine Gedanken gemacht, weil es so selbstverständlich war, wie für andere, Christ oder konfessionslos zu sein. Ein gewisser Grundrespekt sollte allen entgegengebracht werden: dem Christentum genauso wie dem Islam.

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