Muslim Ban:So reagieren die ersten Iraner, die in die USA einreisen dürfen

Donald Trump Muslim Ban

US-Amerikaner empfangen am Flughafen in Los Angeles Iraner, die trotz gültigen Visa nicht einreisen dürfen.

(Foto: AP)

Teilweise hatten sie jahrelang auf ihre Visa gewartet. Dann verhängte Trump das Einreiseverbot - bis ein US-Bundesrichter den Präsidenten überstimmt und Familien vereint.

Um kurz vor elf Uhr hebt am Frankfurter Flughafen eine Boeing 747-8 ab. Die Sonne scheint, der Himmel ist klar - doch die Zukunft vieler Passagiere liegt zu diesem Zeitpunkt im Dunklen. Der Lufthansa Flug 422 ist auf dem Weg nach Boston. An Bord sind etwa 40 Iraner, einige Tunesier und Syrer. Seit dem 27. Januar bangen sie, ob sie jemals US-amerikanischen Boden betreten und ihre Angehörigen wiedersehen werden.

Am Montag vor einer Woche begann für Menschen aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern die Ungewissheit. US-Präsident Trump unterzeichnete eine Verordnung, die Iranern, Irakern, Syrern, Libyern, Somaliern, Sudanesen und Jemeniten für 90 Tage die Einreise untersagte - ganz gleich, ob sie ein gültiges Visum besitzen oder nicht.

Die Passagiere von Flug 422 haben Visa. Viele von ihnen haben jahrelang darauf gewartet, endlich in die USA einreisen zu können. Shahla, eine Iranerin, wird Reporterinnen des Boston Globe später erzählen, dass ihr Bruder zwölf Jahre dafür gekämpft habe, sie in die Vereinigten Staaten zu holen. Ihre gesamte Familie lebt dort, Shahla besitzt einen US-amerikanischen Pass. Trotzdem verbietet ihr Trumps Verordnung die Einreise. Sie könnte ja eine Terroristin sein.

Am Freitag gab James Robart Tausenden Muslimen die Hoffnung zurück. Der Bundesrichter aus Seattle stoppte per einstweiliger Verfügung das Einreiseverbot des Präsidenten - der reagierte sofort, schimpfte den renommierten Juristen einen "sogenannten Richter" und ging in Berufung. Doch zwischen Robarts Entscheidung und Trumps Einspruch öffnete sich ein kleines Zeitfenster, in dem die Einreise möglich war - ein Zeitfenster, das die Passagiere von Flug 422 nutzten.

"Es fühlt sich an, als hätte ich einen Kampf hinter mir"

Am Bostoner Logan-Flughafen spielen sich rührende Szenen ab. Evan Allen, eine Reporterin des Boston Globe, ist vor Ort und erlebt, wie sich getrennte Familien wieder vereinen und Umstehende applaudieren. Die erste Frau, die aus dem Flugzeug steigt, kommt aus Iran. Sie hatte Angst, es nicht rechtzeitig bis zur Geburt ihrer Enkelin in die USA zu schaffen: Ihre Tochter Azi Torkamani erwartet in zwei Wochen ein Kind. "Sie kommen! Ich bin so aufgeregt", sagt die hochschwangere Frau, die mit ihrem Mann fünf Stunden aus New York zum Flughafen gefahren ist, um ihre Mutter zu begrüßen.

Überall fallen sich Menschen in die Arme, strahlen oder brechen in Tränen aus. Die vierjährige Zeynab Hashemian hat ihre Großmutter seit mehr als einem Jahr nicht gesehen. Als sich das Gate öffnet, rennt sie los, ihrer Oma entgegen. "Es fühlt sich an, als hätte ich einen Kampf hinter mir", sagt diese, während sie ihre Enkelin im Arm hält.

Mahdi Hashemian und Homa Koohi, die Eltern der kleinen Zeynab, sind vor zwei Jahren nach Boston gezogen. Hashemian ist Ingenieur und promoviert am renommierten MIT. Seine Frau Koohi sagt, sie habe Amerika immer geliebt: wie frei man seine Meinung äußern kann, wie offen Menschen in die Gesellschaft aufgenommen werden, welchen Stellenwert Menschenrechte besitzen. Jetzt bewege sich das Land rückwärts: "Es fühlt sich nicht mehr an wie früher", sagt Koohi.

Offenbar geht es den Anwesenden am Bostoner Flughafen ähnlich. Sie sei vielen Menschen begegnet, die sich für Trumps Einreisestopp entschuldigt hätten, schreibt Evan Allen auf Twitter.

Den gesamten Samstag war unklar, wie sich die rechtliche Situation entwickeln würde. Was wird aus Trumps Einspruch? Hebt das Berufungsgericht den Stopp des Einreiseverbots wieder auf? Bleiben die Passage von Flug 422, die Samstagmittag in Boston angekommen sind, die einzigen Muslime aus den sieben betroffenen Ländern, die in den nächsten Monaten in die USA einreisen dürfen?

2000 Flüchtlinge warten auf ihren Flug in die USA

Am Sonntag haben zwei Richter eines Bundesberufungsgerichts Fakten geschaffen - zumindest vorerst, denn auch diese Entscheidung dürfte der US-Präsident wohl kaum hinnehmen. Michelle T. Friedland und William C. Canby Jr. haben Trumps Berufung abgelehnt. Ab sofort sind alle Visa wieder gültig, die zwischenzeitlich entwertet worden waren.

In den kommenden drei Wochen sollen Flüchtlinge, deren Flüge gestrichen worden waren, neue Verbindungen erhalten, zitiert die New York Times aus einer Mail des Leiters der zuständigen Behörde. Die ungewöhnlich lange Zeitspanne sei nötig, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, von ihren Flüchtlingslagern wieder zurück zu den Flughäfen zu reisen, an denen sie in den vergangenen Tagen weggeschickt worden waren.

Ein Sprecher der Vereinten Nationen sprach von 2000 Flüchtlingen, die sich bald auf dem Weg in die USA machen würden. Viele Fluglinien informieren ihre Passagiere bereits, dass ihre Tickets wieder gültig sind. Anwälte raten den Betroffenen, so schnell wie möglich einzureisen, um die Chance ja nicht zu verpassen

Trump hat nichts getwittert. Noch nicht

Unterdessen hat das Heimatschutzministerium der USA mitgeteilt, das Einreiseverbot sei bereits außer Kraft gesetzt worden - allerdings nicht ohne die Verordnung als "gesetzmäßig und angemessen" zu verteidigen. Sean Spicer, Pressesprecher des Weißen Hauses, nannte die ursprüngliche Entscheidung des Richters Robart "empörend", gab wenige Minuten später aber eine neue Pressemitteilung heraus, in der dieses Wort fehlte.

Donald Trump wütete am Samstag auf Twitter, warf Robart vor, potenzielle Terroristen ins Land zu lassen und schrieb: "Böse Menschen sind sehr glücklich!" Das ist 15 Stunden her, seitdem hat er sich nicht mehr öffentlich geäußert. Gut möglich, dass er in seinem nächsten Tweet Friedland und Canby als "sogenannte Berufungsrichter" bezeichnet.

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