(SZ) Der Advent ist neben manch anderem auch die Zeit der gepflegten Gemeinplätze. Ein solcher war jetzt im Schloss Bellevue zu hören, und zwar beim Adventskonzert mit der Kammerphilharmonie Bremen sowie weiteren erlesenen Ensembles. Bei dieser schönen Gelegenheit sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, dass es die Musik sei, die uns den Weg zu dem weise, was wir uns von Weihnachten erwarteten: die Hoffnung auf ein friedvolles Miteinander überall in der Welt. Ob und wie sich dies Miteinander draußen in der Welt zum Friedlichen hinneigen wird, bleibt abzuwarten. Herinnen aber, in Deutschland, ist nun ein Unfriede ausgebrochen, der ausgerechnet in der Musik, näherhin in deren kommerzieller Auswertung, seinen Grund hat. Der Konflikt lässt sich auf den Nenner bringen, dass die Gema für die auf Christkindlmärkten gespielte Musik mehr Geld einzutreiben gedenkt, als die Veranstalter ausgeben wollen oder können.
Es ist deswegen ein gänzlich unadventliches Gefühl aufgekommen, das der Focus „Gema-Wut“ nennt. Man kennt diese Wut schon lange, und sie ist mit einer anderen Wut, nämlich der aufs Finanzamt, überaus nahe verwandt. Beiden ist gemeinsam, dass die abkassierende Institution grundsätzlich für reell und sogar für segensreich gehalten wird. Das Abkassiertwerden hingegen finden fast alle ungerecht oder zumindest unmäßig. Im Gegensatz zum Finanzamt, hinter dem der Staat steht, ist die Gema ein Verein, der in den Augen vieler etwas so Undurchschaubares an sich hat wie die viel genannte „halbamtliche Zeitung Al-Ahram“. Dabei ist die Sache leicht zu verstehen. Die Gema verwaltet die aus dem Urheberrecht hervorgehenden Nutzungsrechte ihrer Mitglieder. Hätte es zum Beispiel zu Franz Schuberts Zeiten schon die Gema gegeben, so wäre ein erklecklicher Anteil der 27 000 Gulden, die für sein Lied „Der Wanderer“ bis 1861 an diverse Verleger gingen, ihm zugeflossen. Dass diese traurigen Zustände vorbei sind, wird jedermann gutheißen, sogar der, den die „Gema-Wut“ ergreift, wenn er für die Aufführung eines ersichtlich computergestützten und entsprechend dürftigen Satzes von „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ zur Kasse gebeten wird.
Die Lage ist mittlerweile so, dass manche Märkte ihr Rahmenprogramm völlig gestrichen haben und die Gema beschuldigen, dass sie dem Ruin einer gewachsenen Volkskultur Vorschub leiste. Andere versuchen mit abgespeckten Programmen über die Runden zu kommen, und wieder andere verlegen sich auf das erfahrungsgemäß nicht leichte Verhandeln mit der Gema. Gewinner sind all jene, die wegen des „unerträglichen Gedudels“ den Adventsmärkten immer schon ausgewichen sind. So wenigstens sagen sie, was freilich die Frage aufwirft, auf welche Weise sie bei so harter Abstinenz von der Unerträglichkeit des Gedudels Kenntnis bekommen haben.