Süddeutsche Zeitung

Amtseinführung:Bürgermeisterin und Burgherrin der Festung Washington

Von Hubert Wetzel, Washington

Washington gleicht in diesen Tagen einer Festung. Damit bei der Vereidigung des neuen Präsidenten Joe Biden an diesem Mittwoch alles ruhig bleibt, ist die Hauptstadt der USA abgeriegelt, Tausende Soldaten sind auf den Straßen unterwegs. Die Gastgeberin der Feierlichkeiten und, wenn man es so nennen will, Burgherrin der Festung ist Muriel Bowser, 48 Jahre alt und seit Januar 2015 Bürgermeisterin von Washington.

Für Bowser ist es bereits die zweite Präsidentenvereidigung, die sie in diesem Amt mitmacht. Und man darf annehmen, dass ihr die Inauguration ihres demokratischen Parteifreunds Joe Biden deutlich angenehmer ist als die des Republikaners Donald Trump vor vier Jahren. Das Verhältnis zwischen ihr und dem prominentesten Bewohner ihrer Stadt zerbrach - sofern es denn je existiert hat - im Sommer 2020, als Trump Polizeieinheiten der Bundesregierung mit großer Brutalität gegen "Black Lives Matter"-Demonstranten vor dem Weißen Haus vorgehen ließ und das Pentagon dazu drängte, auch reguläre Truppen einzusetzen. Bowser benannte damals ein Stück der 16th Street vor dem Weißen Haus in "Black Lives Matter Plaza" um. Sie wollte Trump damit zeigen, wer das Hausrecht in Washington hat.

Washington ist keine einfach zu regierende Stadt. Das fängt mit der Geografie an. Der Hauptstadtbezirk, der District of Columbia (DC), ist mit 177 Quadratkilometern verhältnismäßig klein, in der Stadt selbst wohnen nur etwa 700 000 Menschen. Im Großraum Washington, der sich weit nach Virginia und Maryland hinein erstreckt, leben dagegen gut sechs Millionen Menschen. Viele pendeln täglich in die Hauptstadt, verdienen dort ihr Geld, zahlen ihre Steuern aber außerhalb. Die Kluft zwischen Stadt und Umland, die vielen Bürgermeistern Probleme macht, ist in Washington daher besonders groß.

Die Demokratin unterstützte Joe Biden im Vorwahlkampf erst spät

Hinzu kommt, dass Washington ein Flickenteppich von Zuständigkeiten ist. Verschiedene Bundesbehörden verwalten große Teile des Stadtgebiets. Für die National Mall etwa, den langen, breiten Parkstreifen mit den Monumenten im Herzen der Stadt, ist der National Park Service verantwortlich. Rund um das Weiße Haus herrscht der Secret Service. Zudem darf der US-Kongress bei allen Entscheidungen der Stadtregierung mitreden. Und schließlich ist der District of Columbia kein US-Bundesstaat. Das bedeutet, dass Washingtons Einwohner im Repräsentantenhaus nur von einer Parlamentarierin ohne Stimmrecht vertreten werden, im Senat überhaupt nicht. Allerdings sind mit der jetzigen Machtübernahme der Demokraten in beiden Kammern des Kongresses die Chancen gestiegen, dass DC zum 51. Bundesstaat erklärt wird. Muriel Bowser fordert das seit Langem.

Washington, einst die "Mordhauptstadt" der USA, hat sich in den vergangenen Jahren deutlich entwickelt. Es gibt immer noch viel Armut in der Stadt und Viertel, in denen täglich Schüsse fallen. Aber es gibt auch Gegenden, die vor 15 Jahren noch lebensgefährlich waren und in die jetzt junge Familien ziehen, die dann auch bleiben und ihre Kinder auf die örtlichen Schulen schicken, anstatt in die Vororte umzusiedeln. Diese Gentrifizierung so zu steuern, dass nicht nur Neu-, sondern auch Altbewohner davon profitieren, war eine von Bowsers Hauptaufgaben in den letzten Jahren.

Muriel Bowser stammt selbst aus Washington. Sie ist in Maryland auf eine katholische Mädchenschule gegangen, danach hat sie Geschichte und Staatswissenschaften studiert. 2004 begann sie ihre politische Karriere, zuerst im Stadtrat, dann als Bürgermeisterin. Bowser steht eher dem rechten Flügel der Demokraten nahe. Das zeigte sich 2019 während der demokratischen Vorwahl, als sie zunächst den bei den Parteilinken zutiefst verhassten Mike Bloomberg unterstützte, ihren früheren Bürgermeisterkollegen aus New York. Erst nachdem dessen Kandidatur kollabiert war, stellte Bowser sich hinter Joe Biden.

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