Baden-Württembergs Landtagspräsidentin Muhterem Aras hat beleidigende und drohende Mails und Internetkommentare lange ignoriert. Nun aber hat die Grüne ihre Strategie im Umgang mit Hasskommentaren geändert. Nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke habe sie sich entschieden, die Bedrohung ernst zu nehmen, sagt Aras. Zur persönlichen Sicherheit, vor allem aber, um die Täter in die Schranken zu weisen. Wenn man nichts gegen die Hasskommentare unternehme, würden sich Gewalttäter in ihren Internetblasen gegenseitig weiter aufstacheln, sagt Aras. "Wir müssen zeigen, dass die Demokratie wehrhaft ist."
Sie geht deshalb seit einigen Wochen juristisch gegen Verfasser von Hasskommentaren vor - und hat dabei bereits einen ersten Erfolg erzielt. Das Landgericht Stuttgart hat Anfang Juli entschieden, dass Google die Nutzerdaten von 25 Nutzern herausgeben soll, die auf der Internetplattform des Konzerns besonders üble Schmähkritik geübt hatten.
Aras hatte 33 Anträge eingereicht und in 25 Fällen recht bekommen. In diesen Postings wurde Aras sexuell herabgewürdigt, übel beleidigt und bedroht - es ist von der Todesstrafe und von Steinigung die Rede und davon, dass man ihr das Haus anstecken sollte. Zahlreiche Kommentare beziehen sich auch auf ihre Herkunft - Aras, die sich selbst als "überzeugte Stuttgarterin" bezeichnet, wurde als Kurdin in Anatolien geboren.
Eine laute und schrille Minderheit
Google habe die Adressen bereits übermittelt, teilt die Landtagsverwaltung mit. Man habe sie an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Parallel dazu habe Aras vergangene Woche wegen weiterer Hasskommentare, die sie auf Facebook, per Mail oder in Briefform erhalten hat, 36 Strafanträge gegen unbekannt gestellt.
Um dem Hass im Internet Einhalt zu gebieten, sind aus Aras' Sicht weitere Schritte denkbar. So kann sie sich vorstellen, in Baden-Württemberg eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Hasskriminalität zu schaffen. Jenseits des Strafrechts sei die sprachliche Verrohung im Internet aber auch ein gesellschaftliches Thema, sagt die Politikerin. Hier verhalte sich eine Minderheit laut und schrill und vergifte das Diskussionsklima. "Als Gesellschaft dürfen wir das nicht schweigend hinnehmen."
"Die Intensität hat unglaublich zugenommen"
Als Landtagspräsidentin ist Aras immer öfter das Ziel von Provokationen aus den Reihen der AfD-Fraktion und ehemaliger AfD-Abgeordneter. Aras sieht die Zunahme beleidigender und bedrohlicher Zuschriften auch in Zusammenhang mit dieser Stimmungsmache. "Die Intensität hat unglaublich zugenommen", sagt sie. Vor einigen Jahren seien Hassmails quasi kein Problem gewesen - waren ein Thema, das noch nicht wie eine Bedrohung wirkte und das man noch mit Humor zu nehmen versuchte.
Als die Stuttgarter Grünen etwa für den Landtagswahlkampf 2016 einen sogenannten Hate Slam organisierten, bei dem Politiker zur allgemeinen Belustigung öffentlich unverschämte Briefe vorlasen, die an sie gerichtet waren, da musste Aras passen. "Ich hatte damals noch keine einzige Hassmail bekommen." Nun sieht es völlig anders aus.