Süddeutsche Zeitung

Müntefering und die FDP:Das merkwürdige Balzverhalten der SPD

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"Nicht regierungsfähig": FDP-Chef Westerwelle brüskiert in einem Interview die SPD - doch deren Parteichef Müntefering lässt sich in seinem Werben nicht bremsen.

Der Blick auf aktuelle Umfragen ist für Genossen derzeit eine recht unschöne Angelegenheit. Im Deutschland-Trend der ARD kommt die SPD gerade noch auf 22 Prozent der Stimmen - und verharrt im Dauertief - in Sichtweite zur FDP.

Den Liberalen hingegen machen die Umfragen jede Menge Freude. Die ARD-Prognostiker sehen die Partei von Guido Westerwelle bei 15 Prozent. Und daher ist es auch kein Wunder, dass der FDP-Parteichef in diesen Tagen mit stolzgeschwellter Brust vor jede Kamera tritt. Jüngstes Beispiel für das große Selbstbewusstsein der Liberalen - ein Interview im Spiegel. Darin tönte Westerwelle, die SPD sei "verbraucht, zersplittert und in ihrem jetzigen Zustand nicht regierungsfähig". Dass Sozialdemokraten und Grüne zu einem gemeinsamen Bündnis mit seiner Partei fähig seien, glaube er nicht: "Wenn einer Kuh Flügel wachsen, kann sie fliegen und ist ein Vogel", spottete Westerwelle.

Auch Niedersachsens FDP-Chef Philipp Rösler, eine der großen Nachwuchshoffnungen der Liberalen, reihte sich in den Läster-Reigen mit ein: "Es wird ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und FDP. Wer hat sie zuerst, die 18 Prozent?", sagte Rösler.

Handzahmer Seehofer

Und die SPD? Ignoriert die Absage von Westerwelle an eine Ampelkoalition einfach. Und auch die Lästereien der Liberalen prallen an den Strategen im Willy-Brandt-Haus einfach ab. Unbeirrt hält Parteichef Franz Müntefering an einer Ampelkoalitin fest. "Der Fuß der FDP ist in der Tür und sie wird diese Tür auch nicht zuschlagen", sagte Müntefering der Bild am Sonntag. Seine Begründung: Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer tobe "ja nicht zufällig gegen die FDP".

Eben jener Horst Seehofer hat seine Sticheleien gegen die FDP inzwischen jedoch eingestellt. Er sei zufrieden mit Westerwelles Festlegung auf die Union. Westerwelle habe auf die Zweifel der CSU an der Zuverlässigkeit der FDP zweimal öffentlich geantwortet, dass er nur mit der Union regieren wolle, sagte Seehofer der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. "Ich glaube ihm das." Er verlangte allerdings erneut einen entsprechenden Beschluss der Partei, um abschließend für Klarheit zu sorgen. Die FDP will ihre endgültige Koalitionsaussage auf einem Parteitag am 20. September treffen.

In einer Koalition mit der Union will Westerwelle möglichst zum 1. Januar 2010 die Erhöhung der steuerlichen Grundfreibeträge auf 8004 Euro pro Person als ersten Schritt einer großen Steuerreform erreichen. Auch die Reform der Bankenaufsicht und die Ablösung des Systems der umstrittenen Rating-Agenturen durch eine "Stiftung nach dem Vorbild der Stiftung Warentest" solle sofort angegangen werden.

In den Koalitionsverhandlungen werde er "persönlich durchsetzen, dass das Schonvermögen bei Hartz-IV-Empfängern auf 750 Euro pro Lebensjahr verdreifacht" werde. Zudem will Westerwelle mit den USA über den Abzug der letzten atomaren Sprengköpfe verhandeln.

Gegenentwurf zum Deutschland-Plan

Ihre Vorhaben will die FDP einem Bericht von Focus Online zufolge in einen Gegenentwurf zum Deutschland-Plan der SPD gießen. Auf fünf Seiten skizzieren die Liberalen ihr Konzept für die Bekämpfung der Wirtschaftkrise. Das Papier, trägt den Titel "Impulse einer neuen Innovationspolitik für Deutschland" und soll am Montag auf der Sitzung des FDP-Präsidiums beschlossen werden.

Darin setzt die FDP vor allem auf eine bildungs- und forschungspolitische Offensive. Außerdem sind ein neues Stipendiensystem, die grüne Gentechnik, Stammzellenforschung sowie die Weiterentwicklung von Elektroautos Bestandteile des Programms.

Für den Konkurrenz-Entwurf der SPD haben die Liberalen nur Hohn und Spott übrig. FDP-Nachwuchshoffnung Rösler kritisierte, der Deutschland-Plan enthalte nur leere Versprechungen. Auch hätten die Sozialdemokraten aus der Wahlschlappe bei der Europawahl nicht gelernt. "Die SPD hat bei der Europawahl den Fehler gemacht, dass sie mit Negativ-Kampagnen gegenüber anderen das schlechteste Ergebnis eingefahren hat in der Geschichte der Partei. Der zweite Fehler ist, Versprechen zu machen, die man offensichtlich nicht einhalten kann", sagte der 36-Jährige. Steinmeier hatte in seinem Deutschland-Plan das Ziel vorgegeben, vier Millionen Arbeitsplätze zu schaffen.

Die FDP setzt sich diesbezüglich keine Ziele - setzt jedoch genauso auf die Schaffung vieler neuer Jobs. Dass sie sich ab Herbst gemeinsam mit SPD und Grünen an den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit macht, scheint dennoch unwahrscheinlich. Da kann die SPD noch so viel balzen.

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