Süddeutsche Zeitung

Münchner Sicherheitskonferenz:Zähmung des Feuers

Massenvernichtungswaffen bergen große Gefahren für die weltweite Sicherheit. Wer die Globalisierung begrüßt, muss zugleich auf Abrüstung setzen.

Guido Westerwelle

Guido Westerwelle ist Außenminister der Bundesrepublik Deutschland.

In dieser Woche waren acht herausragende Persönlichkeiten der internationalen Politik in Berlin verabredet: Henry Kissinger, Richard von Weizsäcker, Sam Nunn, Helmut Schmidt, William Perry, Egon Bahr, George Shultz und Hans-Dietrich Genscher.

Diese acht Männer haben jahrzehntelang für den Frieden gearbeitet. Heute eint sie die gemeinsame Überzeugung, dass eine nuklearwaffenfreie Welt nötig und möglich ist.

Der Weg dorthin mag lang und schwierig sein. Für mich steht fest, dass wir ihn gehen müssen. Wir stehen am Anfang eines neuen Jahrzehnts, und wir müssen dafür sorgen, dass es ein Jahrzehnt der Abrüstung wird und nicht ein Jahrzehnt der Aufrüstung. Deutsche Außenpolitik muss hierzu ihren Beitrag leisten. Denn deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik. Dazu gehört, dass wir alles tun, um neue Aufrüstungsspiralen zu verhindern.

Globalisierung mit realistischem Optimismus

Die Globalisierung bietet große Chancen, aber sie hat auch ihre Schattenseiten. Das Risiko der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen ist heute so groß wie nie zuvor. In Verbindung mit dem menschenverachtenden Treiben des internationalen Terrorismus, mit Fanatismus und radikalen Ideologien entstehen Gefahren für die weltweite und regionale Sicherheit.

Wer die Globalisierung mit realistischem Optimismus begrüßt, muss deshalb zugleich mit ganzer Kraft auf Abrüstung setzen, um die globalisierte Welt sicherer zu machen.

Der amerikanische Präsident Barack Obama hat mit seiner Rede in Prag im April letzten Jahres ein Fenster der Gelegenheit aufgestoßen und visionäre Ziele der Abrüstung und Entspannung formuliert. Es ist richtig, ihn beim Wort zu nehmen und gemeinsam an konkreten Abrüstungsfortschritten zu arbeiten. Wie viele andere setze auch ich darauf, dass es Amerikaner und Russen bald gelingen wird, sich auf eine Begrenzung und Reduzierung ihrer strategischen Arsenale zu verständigen.

In Europa haben wir die richtigen Lehren aus furchtbaren Kriegen gezogen. Die Europäische Union ist eines der erfolgreichsten Friedensprojekte der Geschichte. Es ist ein Kooperationsmodell, das in der heutigen Welt der Globalisierung Vorbildcharakter hat. In Europa ist es gelungen, durch Kooperation aus einem Kontinent der Kriege eine Union des Friedens zu machen.

Deshalb können wir heute mit unseren Verbündeten auch darüber sprechen, die letzten Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen. Wir feiern in diesem Jahr das wunderbare Jubiläum von zwei Jahrzehnten deutscher Wiedervereinigung. Sie war möglich, weil der Mut der Menschen im Osten unseres Landes und in ganz Mittel- und Osteuropa die Mauern des Kalten Krieges zum Einsturz brachte.

Der Abzug der Atomwaffen ist eine Friedensdividende. Es ist an der Zeit, dass wir sie uns politisch erarbeiten. Nicht im Alleingang, sondern in engster Abstimmung mit unseren Partnern und Verbündeten. In einer anderen Weltregion stehen wir vor folgenschweren Entscheidungen. Ich meine den Mittleren Osten und den Atomstreit mit Iran.

Lesen Sie auf Seite zwei, wie Guido Westerwelle sich den Weg zur Abrüstung vorstellt.

Niemand spricht Iran das Recht auf die friedliche Nutzung von Atomenergie ab. Im Gegenteil, gemeinsam mit unseren Partnern haben wir Teheran sehr weit reichende Kooperationsangebote gemacht. Leider hat sich die Führung bisher allen Angeboten verweigert. Auch zum Vorschlag der Urananreicherung im Ausland hören wir aus Teheran bisher nur Andeutungen, keine verbindliche Antwort an die Internationale Atomenergiebehörde in Wien.

Wir werden Iran nicht an Worten messen, sondern an seinen Taten. Es ist an Iran, das Ende seiner Verweigerungshaltung mit Fakten zu unterlegen.

Für die deutsche Bundesregierung ist klar, dass eine atomare Bewaffnung Irans in keiner Weise akzeptabel ist. Das wäre eine Gefahr für die Sicherheit im Nahen und Mittleren Osten und darüber hinaus. Die Folge wäre ein regionaler Rüstungswettlauf - mit weniger Sicherheit für alle.

Auch Israel müsste sich angesichts immer neuer antisemitischer und Israel-feindlicher Äußerungen seitens der iranischen Führung bedroht fühlen. Das alles können wir nicht hinnehmen. Deswegen sind wir bereit, zusammen mit der internationalen Staatengemeinschaft eine Ausweitung der Sanktionen zu beschließen, wenn Iran nicht zu ehrlichen Verhandlungen zurückkehrt.

"Unser Zeitalter hat den Göttern das Feuer gestohlen"

Wir brauchen entschiedene Fortschritte bei der atomaren Abrüstung und der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen. Solche Fortschritte dürfen aber nicht dazu dienen, das Führen konventioneller Kriege leichter zu machen. Nukleare Abrüstung und konventionelle Abrüstung müssen Hand in Hand gehen. Das gilt insbesondere auch für das Vertragssystem der konventionellen Rüstungskontrolle und Abrüstung in Europa (KSE).

Der Georgien-Krieg im Sommer 2008 hat uns auf dramatische Art vor Augen geführt, dass Kriege vor unserer eigenen Haustür leider immer noch nicht ausgeschlossen sind. Auch deswegen müssen wir in einem veränderten Sicherheitsumfeld dringend Wege finden, damit die nötigen vertraglichen Anpassungen von allen ratifiziert werden können.

Wir leben in einer Zeit großer tektonischer Verschiebungen der internationalen Ordnung. Neue Akteure drängen mit Macht auf die Bühne der Weltpolitik. Unsere Aufgabe ist es, diese Veränderungen friedlich zu gestalten. Abrüstung ist dabei eine Kernfrage der Sicherheitspolitik. "Unser Zeitalter hat den Göttern das Feuer gestohlen", bemerkte Henry Kissinger und stellte die entscheidende Frage: "Können wir dieses Feuer auf friedliche Weise begrenzen, bevor es uns verzehrt?" Wir müssen alles tun, um diese Frage mit Ja zu beantworten.

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SZ vom 05.02.2010/lmne
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