Münchner Sicherheitskonferenz:Europäer stellen Ukraine 1,2 Milliarden in Aussicht

Münchner Sicherheitskonferenz: EU-Ratspräsident Charles Michel spricht auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

EU-Ratspräsident Charles Michel spricht auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

(Foto: AP)
  • Die Europäer wollen die Ukraine mit 1,2 Milliarden Euro unterstützen unterstützen. Ratspräsident Charles Michel ruft zu einer Geberkonferenz auf.
  • Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartet eine umfassende Attacke der russischen Armee auf das Nachbarland Ukraine.
  • Ein Foto von Männern beim Business-Lunch sorgt für Aufsehen.
  • Zahlreiche Demonstranten versammeln sich am Nachmittag in der Münchner Innenstadt.
  • "Wir werden unser Land schützen, mit oder ohne Unterstützung unserer Partner", sagte der ukrainische Präsident Selenskij auf der Sicherheitskonferenz.
  • Die wichtigsten Nachrichten zur Ukraine-Krise finden Sie hier im Newsblog.

Die EU verspricht, die Ukraine verstärkt zu unterstützen. EU-Ratspräsident Charles Michel sagte am Sonntag auf der Münchner Sicherheitskonferenz, er habe zu einer Geberkonferenz für das Land aufgerufen. Man habe bereits ein Paket in Höhe von 1,2 Milliarden Euro geschnürt. Die Ukraine solle zudem näher an die Europäische Union herangeführt werden. Russland verkalkuliere sich, wenn es glaube, den Westen und die Ukraine schwächen zu können. Michel versprach außerdem erneut "massive Sanktionen" gegen Russland im Falle eines Angriffs auf die Ukraine.

Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sowie die Verteidigungsministerinnen von Deutschland und Frankreich, Christine Lambrecht und Florence Parly, betonten die Einigkeit des Westens in der Unterstützung für die Ukraine. Anders als 2014 bei der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim seien Amerikaner und Europäer jetzt vorbereitet, sagte Lambrecht. Sie forderte zudem eine Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben.

Zwar redeten einzelne EU-Staats- und Regierungschefs mit Russlands Präsident Wladimir Putin. "Aber das Wichtige ist, dass er dabei immer dieselbe Botschaft hört", fügte sie auch in Anspielung auf die angedrohten Sanktionen hinzu. Parly rief die Europäer dazu auf, sich stärker darauf einzustellen, dass sie auf Herausforderungen reagieren müssten, die sich nicht in unmittelbarer Nähe zur EU abspielten.

Nato: Zeichen deuten auf "vollständigen Angriff" hin

Die Nato erwartet eine umfassende Attacke der russischen Armee auf das Nachbarland Ukraine. "Alle Zeichen deuten darauf hin, dass Russland einen vollständigen Angriff auf die Ukraine plant", sagte der Generalsekretär der Militärallianz, Jens Stoltenberg, am Samstagabend in den ARD-"Tagesthemen". Der Norweger, zurzeit Gast der Münchner Sicherheitskonferenz, sprach von einem fortgesetzten militärischen Aufmarsch. "Es werden keine Truppen zurückgezogen, wie Russland das angibt, sondern es kommen neue Truppen hinzu." Es gebe außerdem Anzeichen, dass Russland sich darauf vorbereite, einen Vorwand für einen Angriff zu schaffen.

Russland hat nach westlichen Angaben etwa 150 000 Soldaten an der Grenze zum Nachbarland Ukraine zusammengezogen. Das russische Verteidigungsministerium hatte in den vergangenen Tagen mehrfach mitgeteilt, dass nach dem Ende von Manövern Truppen zurückgezogen worden seien und Russland keine Angriffspläne habe. Im Westen wird dagegen weiter befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in sein Nachbarland in Erwägung zieht. Stoltenberg hält trotz der drohenden Eskalation weiter an einer politischen Lösung des Konflikts fest. "Wir wollen Russland dazu bringen, den Kurs zu ändern und sich mit uns zusammenzusetzen."

Münchner Sicherheitskonferenz - CEO Business Lunch

Spitzen der deutschen Wirtschaft versammeln sich im Hotel Bayerischer Hof am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz zu einem CEO-Lunch - und sorgen in den sozialen Medien für eine Debatte über Geschlechtergleichstellung.

(Foto: dpa)

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Dialogbereitschaft seines Landes im Konflikt mit Russland betont. Dies habe er in einem Telefonat mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron geäußert, wie es am Samstagabend aus dem Élyséepalast hieß. Selenskyj habe in dem Gespräch außerdem zugesichert, nicht auf Provokationen moskautreuer Separatisten in der Ostukraine zu reagieren.

Auf die zuvor in München geäußerte Forderung des ukrainischen Präsidenten nach mehr Ehrlichkeit in der Frage einer Nato-Mitgliedschaft seines Landes antwortete Stoltenberg: "Wir helfen der Ukraine, die Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Wir bieten Ausbildung, Ausrüstung und helfen so zur euroatlantischen Integration zu finden." Eine Nato-Mitgliedschaft sei möglich, aber letztlich die Entscheidung von 30 Alliierten. Es gehe momentan weniger um eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, sondern darum, "ob wir akzeptieren, dass eine Großmacht wie Russland versucht, einem anderen Land zu diktieren, was es tun kann und nicht tun kann - mit Gewalt." (19.02.2022)

Männerfoto sorgt im Internet für Aufsehen

Ein Foto der Chefs von Wirtschaftsunternehmen bei einem Mittagessen am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz am Freitag hat im Netz für Aufsehen gesorgt. Zu sehen ist ein großer gedeckter U-förmiger Tisch, an dem etwa 30 Männer mittleren Alters bei einem Business-Lunch zusammensitzen - unter ihnen keine einzige Frau. Der Chefredakteur von The Pioneer, Michael Bröcker, hatte das Foto geschossen und am Samstag auf Twitter verbreitet. Die SPD-Politikerin Sawsan Chebli twitterte dazu: "Dieses Bild ist wie aus einer anderen Welt. Es ist aber keine andere Welt. Es ist Realität im Jahr 2022. So sieht das CEO Lunch auf der #MSC2022 aus. Hier ist Macht und hier fehlen Frauen. Wir haben noch sehr viel zu tun." Nach Angaben der Münchner Sicherheitskonferenz liegt die finale Frauenquote unter den Sprechern im Hauptprogramm der diesjährigen Konferenz bei 45 Prozent. In der Runde der bei der Konferenz vertretenen Top-Manager ist das Verhältnis offensichtlich ein anderes.

Joe Kaeser, ehemals Vorstandsvorsitzender von Siemens, der auch in der Runde auf dem Foto zu sehen ist, twitterte dazu: "Nächstes Jahr machen wir das besser. Ich werde das morgen bei der Feedback Sitzung des MSC Advisory Committees ansprechen." (19.02.2022)

Demonstration gegen Sicherheitskonferenz: "Abrüsten statt Aufrüsten" fordern Teilnehmer

Etwa 1600 Menschen haben sich am Nachmittag in der Münchner Innenstadt versammelt, um gegen die Sicherheitskonferenz zu demonstrieren. Unter dem Motto "Stoppt den Kriegskurs der Nato-Staaten" zogen sie auf zwei Wegen vom Stachus zur Abschlusskundgebung auf dem Marienplatz, während im Hotel Bayerischer Hof der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine das beherrschende Thema war. Die Protestierenden trugen Plakate und Transparente mit sich, auf denen sie etwa einen "Lockdown für Rüstung, Militär und Krieg" forderten, "Abrüsten statt Aufrüsten" oder "Friedenspolitik statt Kriegshysterie".

Von 14 Uhr an zogen die Teilnehmenden, begleitet von einigen Hundertschaften Polizei, über den Lenbach- und Maximiliansplatz in Richtung Brienner Straße und dann über den Odeonsplatz und die Dienerstraße zum Marienplatz. Am Maximiliansplatz hielt die Polizei den Zug kurzzeitig an - offenbar, weil aus dem Block der linken Jugend, äußerlich gut erkennbar durch Transparente bis zur Schulterhöhe, rote Bengalo-Rauchschwaden aufstiegen und den Block erst einmal einhüllten. Nachdem sich der Rauch verzogen hatte, ging es aber ungestört weiter.

Am Odeonsplatz hatte die versammelte Bereitschaftspolizei dann selbst eine Menschenkette gebildet - um die Demonstranten von einer anderen Demo fernzuhalten, die dort unter dem Titel "Frieden für die Ukraine", vorwiegend von ukrainischstämmigen Münchnerinnen und Münchnern sowie Unterstützern, stattfand. Das war wohl der heikelste Punkt des ganzen Demonstrationsweges. An die 30 Mannschaftstransporter der Polizei standen auf dem Platz und grenzten die Demo mit etwa 300 Teilnehmenden nach allen Seiten hin ab, hinzu kamen Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei. Die beiden Demogruppen beäugten sich neugierig bis misstrauisch; zu Diskussionen oder gar Auseinandersetzungen kam es jedoch nicht.

Gleichzeitig zog ein anderer Teil der Demonstranten im Gänsemarsch durch die Fußgängerzone, vorbei an Menschen, die zum Einkaufen in die Stadt gekommen waren und mal schmunzelnd, mal schimpfend dem lärmenden Spektakel zusahen. Ein Protestler hatte auf einen Einkaufswagen einen Krokodilskopf gebastelt mit weißt aufgerissenem Maul, darüber eine Banderole mit der Aufschrift "Eliminator". Andere führten stilisierte Mohnblumen mit sich, die als Symbol des Gedenkens an die Soldaten gelten, die in den beiden Weltkriegen gefallenen sind.

Auf der Abschlusskundgebung auf dem Marienplatz sprach Sevim Dağdelen, Sprecherin der Linken im Bundestag für Abrüstungspolitik. "Es braucht einen sofortigen Truppenabzug auf beiden Seiten", forderte sie mit Blick auf Russland und die Ukraine. "Wir brauchen Verhandlungen und keine Eskalation." Vor der Bühne marschierte unermüdlich ein Soldat aus Holz, der nicht ganz zufällig an einen Hampelmann erinnerte. (Catherine Hoffmann und Franz Kotteder, 19.02.2022)

Selenskij fordert ehrliche Antwort zu Nato-Mitgliedschaft

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz zu mehr internationaler Unterstützung für sein Land aufgerufen. "Wir werden unser Land schützen, mit oder ohne Unterstützung unserer Partner", so Selenskij. Er beklagte, dass die internationale Sicherheitsarchitektur brüchig geworden sei und Regeln nicht mehr funktionierten. Außerdem warnte er davor, die Fehler des 20. Jahrhunderts komplett zu vergessen. "Wir werden unser Land verteidigen", sagte er laut Übersetzung. Aber: "Wir möchten eine diplomatische Lösung statt eines militärischen Konflikts."

Von der Nato hat der ukrainische Präsident eine ehrliche Antwort gefordert, ob sein Land überhaupt Mitglied werden könnte. "Wenn uns nicht alle da sehen wollen, seid ehrlich", sagte er in Anspielung auf die nötige Einstimmigkeit unter den Nato-Mitgliedern. "Wir brauchen ehrliche Antworten." Niemand solle aber daran denken, dass die Ukraine ein permanenter Puffer zwischen dem Westen und Russland bleibe.

Die Armee werde das Land mit oder ohne internationale Hilfe gegen Russland verteidigen, so Selenskij. Mit Blick auf westliche Waffenlieferungen sagt er, dass diese keine "Spenden" seien. Sie seien vielmehr ein Beitrag für die europäische und internationale Sicherheit. (19.02.2022)

Johnson warnt vor Falschinformationen aus Russland

Der britische Premierminister Boris Johnson hat angesichts des drohenden Angriffs auf die Ukraine vor russischer Desinformation gewarnt. "Es wird eine Kaskade an falschen Behauptungen geben", sagte Johnson am Samstag in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Russland "spinne ein Netz aus Falschinformationen", um einen möglichen Einmarsch in die Ukraine zu rechtfertigen. In den vergangenen Tagen habe es bereits falsche Informationen über den angeblichen Abzug von Truppen und andere Ereignisse gegeben. "Wir wussten, dass das kommt. Wir haben es schon erlebt. Niemand sollte sich täuschen lassen", warnte Johnson.

Seit Tagen erhebt die britische Regierung offensiv den Vorwurf gegenüber Russland, "Operationen unter falscher Flagge" zu inszenieren und ukrainischen Kräften die Schuld dafür zuzuschieben, um damit einen Vorwand für eine Invasion zu schaffen. "Wenn die Ukraine angegriffen wird, wird man den Schock in aller Welt spüren", sagte Johnson und rief die westlichen Verbündeten auf, sich in Bezug auf eine mögliche Osterweiterung der Nato nicht erpressen zu lassen. "Wir können nicht zulassen, dass unsere offenen Türen zugeschlagen werden", sagte der Politiker. (19.02.2022)

Der Kanzler bei der Sicherheitskonferenz: "Das Risiko ist alles andere als gebannt"

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht keine Entspannung im Ukraine-Konflikt. "In Europa droht wieder ein Krieg. Und das Risiko ist alles andere als gebannt", sagte Scholz am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Hinter diese Entwicklung fielen in der öffentlichen Debatte globale Herausforderungen wie die Corona-Pandemie und der Kampf gegen den Klimawandel zurück. Auch diese bedürften aber dringend einer Antwort. Scholz sprach in München vier Tage, nachdem er in Moskau mit Präsident Wladimir Putin über Wege zu einer Entschärfung des Konflikts gesprochen hatte.

Er warnte Russland erneut vor den Konsequenzen eines Angriffs auf die Ukraine: "Jede weitere Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine wird hohe Kosten haben für Russland - politisch, ökonomisch und geostrategisch." Der Kanzler zeigte sich weiter bereit zu Gesprächen mit Russland. "So viel Diplomatie wie möglich, ohne naiv zu sein - das ist der Anspruch", sagt er. Russland habe die Frage einer möglichen Nato-Mitgliedschaft der Ukraine zum "casus belli" erhoben. "Das ist paradox: Denn hierzu steht gar keine Entscheidung an."

Deutschland werde Nato-Partner gegen Angriffe verteidigen, sagte Scholz. "Deutschland steht zur Garantie des Artikels 5 - ohne Wenn und Aber", sagte er mit Hinweis auf den entsprechenden Artikel des Nato-Vertrags. Die Bundesrepublik übe "praktische Solidarität", etwa durch eine größere Präsenz der Bundeswehr im Baltikum oder die Hilfe für die Luftraumüberwachung der Nato im Südosten Europas.

Hintergrund der Bemerkungen ist auch die Kritik an fehlenden Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine. Diese Absage bekräftigte Scholz am Samstag. Er verwies auf die Vorgaben zur Rüstungsexportkontrolle, die beachtet würden. Zugleich sei es nicht so, dass die Ukraine nicht an Waffen gekommen sei. Scholz wies darauf hin, dass Deutschland der größte Geber finanzieller Hilfen für die Ukraine sei und diese auch fortsetzen werde. (19.02.2022)

US-Vizepräsidentin sieht europäische Sicherheit unmittelbar bedroht

US-Vizepräsidentin Kamala Harris hat die Verbündeten in der Ukraine-Krise zur Geschlossenheit aufgerufen. "Die Grundlage der europäischen Sicherheit ist in der Ukraine unmittelbar bedroht", sagte Harris am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Sie sprach dort nach Kanzler Olaf Scholz (SPD) und erstmals auf großer politischer Bühne in Europa. In zwei Weltkriegen sei ein Konsens entstanden, wonach Ordnung statt Chaos und Sicherheit statt Konflikt zu suchen seien, sagte Harris. Völker und Nationen hätten das Recht, ihre Regierungsform und Bündnisse zu wählen. Nationale Grenzen dürften nicht mit Gewalt verändert werden. US-Präsident Joe Biden hatte sich Stunden zuvor "überzeugt" geäußert, dass Russland die Ukraine bald angreifen werde. "Wir haben Gründe zu glauben, dass das russische Militär plant und vorhat, die Ukraine in der kommenden Woche, in den kommenden Tagen, anzugreifen", sagte Biden im Weißen Haus. "Wir glauben, dass sie die ukrainische Hauptstadt Kiew angreifen werden, eine Stadt mit 2,8 Millionen unschuldigen Menschen."

Harris warnte Russland vor "nie dagewesenen" Sanktionen im Falle eines Angriffes. Dazu zählten auch finanzielle Strafmaßnahmen. "Wir haben wirtschaftliche Sanktionen vorbereitet, die schnell, hart und geeint sein werden", fügte sie hinzu. "Wir werden Russlands Finanzinstitutionen und Kernindustrien ins Visier nehmen." Harris betonte die sehr enge Zusammenarbeit mit den europäischen Verbündeten. Die USA würden zudem die östliche Flanke der Nato militärisch verstärken, kündigte sie an. Harris versicherte den Nato-Partnern, dass die Vereinigten Staaten ihre Verbündeten im Konfliktfall verteidigen werden. Man werde nicht militärisch in der Ukraine eingreifen, die kein Nato-Mitglied ist. Aber Washington stehe zu Artikel fünf, sagte sie mit Blick auf Sorgen etwa der baltischen Staaten vor einer russischen Aggression. Ähnlich hatte sich zuvor auch Bundeskanzler Scholz geäußert. (19.02.2022)

Stoltenberg wirft Russland Täuschungsmanöver vor

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat auf der Sicherheitskonferenz in München von "gefährlichen Zeiten für Europa" gesprochen. Er bezog das zunächst auf den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine. Es bestehe nach wie vor ein hohes Risiko, dass es zu einem bewaffneten Konflikt komme. "Wir sehen noch keine Zeichen für einen echten Abzug", sagt er. "Im Gegenteil: Die Truppenkonzentration wird fortgeführt."

Stoltenberg warf Russland Täuschungsmanöver vor: "Es sieht so aus, als würde Russland alles dafür tun, um einen Vorwand für eine Invasion zu erzeugen", sagte er. Man sei transparent über diese Taktik gewesen, weil man hoffe, Russland dadurch eine Invasion in der Ukraine zu erschweren. Am Morgen hatten die von Russland kontrollierten Separatisten in der Ostukraine zur Generalmobilmachung aufgerufen. In der Nacht war es in Donezk und Luhansk zu Explosionen gekommen. Die Separatisten und Russland werfen der Ukraine vor, einen Angriff auf ihre Gebiete zu planen - und wollen so mögliches eigenes militärisches Vorgehen rechtfertigen.

Es sei aber noch nicht zu spät für Russland, den Kurs der Eskalation zu ändern. Er rufe Russland auf, seinen Worten Taten folgen zu lassen, sagte Stoltenberg. Präsident Wladimir Putin und andere Regierungsvertreter stellen in Abrede, dass Russland eine Invasion in der Ukraine plane. Ein erster wichtiger Schritt zu einer friedlichen Lösung sei es nun, Truppen von der Grenze abzuziehen. Die Nato sei bereit, in einen Dialog über sinnvolle gegenseitige Schritte einzutreten, wie die Sicherheit aller Seiten verbessert werden könne, Risiken reduziert und die militärische Transparenz erhöht werden könne. Dazu gehörten auch Gespräche über Rüstungskontrolle bei Raketensystemen und auch Atomwaffen.

Der Nato-Generalsekretär wies aber auch auf eine neue Entwicklung hin, die einen grundlegenden Wandel in den internationalen Beziehungen bedeute: Neben Russland habe erstmals auch China die Nato aufgefordert, keine neuen Mitglieder aufzunehmen. Er wies dies zurück. Souveräne Staaten hätten das Recht, selbst über ihre Bündniswünsche zu entscheiden. Das könne nicht autoritären Staaten überlassen werden. Man dürfe nicht zulassen, dass autoritäre Staaten versuchten, ihren Nachbarn ihren Willen aufzuzwingen oder Einflusssphären zu errichten. In der Nato gebe es keine Mitglieder erster Klasse in Westeuropa und zweiter Klasse in Osteuropa, sondern die Nato sei geeint in der Entschlossenheit, jedes ihrer Mitglieder zu verteidigen. (pkr, 19.02.2022)

Von der Leyen: Gasversorgung Europas ist sicher

Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz klargestellt, dass die Gasversorgung Europas in diesem Winter sichergestellt sei, selbst wenn Russland die Versorgung unterbreche. "Heute kann ich Ihnen mitteilen, dass - selbst bei einer völligen Unterbrechung der Gasversorgung durch Russland - wir diesen Winter auf der sicheren Seite sind", sagte sie am Samstag.

Die EU habe ihre Hausaufgaben seit der russischen Invasion der Krim im Jahr 2014 gemacht und Terminals sowie Pipelines für verflüssigtes Erdgas, auch LNG genannt, aufgebaut. Die USA seien bereit, Europa LNG zu liefern, auch andere Länder wie Japan hätten zugesagt, von ihnen bereits gekaufte Gaslieferungen bereitzustellen und die entsprechenden Tankschiffe entsprechend nach Europa umzulenken. Auch die Ukraine könne im Falle eines Krieges von Mitteleuropa aus versorgt werden.

Zugleich machte von der Leyen dem russischen Gaskonzern Gazprom schwere Vorwürfe. "Gazprom versucht bewusst, so wenig wie möglich zu speichern und zu liefern, während die Preise und die Nachfrage in die Höhe schnellen", sagte sie. Das sei kein normales unternehmerisches Verhalten des Staatskonzerns. Daran knüpft sich die Sorge, Russland könnte versuchen. Europa von der die Gasversorgung, sollte die EU mit scharfen Sanktionen auf einen möglichen Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine reagieren.

Die Bundesregierung bescheinigt Russland zwar bisher, alle vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Das gilt aber nur für langfristige Kontrakte, die den kleineren Teil des Gasbedarfs decken. Der größere Teil wird normalerweise über kurzfristige Verträge an Gasbörsen gedeckt - und dort stellt Russland derzeit sehr wenig Gas zum Verkauf.

Die Gasspeicher in Deutschland, die zu Teilen ebenfalls an den russischen Gaskonzern Gazprom verkauft worden sind, sind auf dem niedrigsten Füllstand zu dieser Jahreszeit seit mindestens zehn Jahren. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte dies in dieser Woche ebenfalls scharf kritisiert. "Dass Deutschland, die Bundesregierung, die öffentliche Hand im Grunde überhaupt keine Möglichkeiten hat, die Versorgungssicherheit im Gas-Bereich zu gewährleisten, ist ein inakzeptabler Zustand", sagte Habeck am Montag in Schwerin. (pkr, 19.02.2022)

Zweiter Tag der Sicherheitskonferenz beginnt

Am zweiten Tag der Münchner Sicherheitskonferenz wird Bundeskanzler Olaf Scholz in einer Rede seine außenpolitische Agenda vorstellen. Außerdem werden US-Vizepräsidentin Kamala Harris, Großbritanniens Premierminister Boris Johnson und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beim weltweit wichtigsten Expertentreffen zur Sicherheitspolitik auftreten.

US-Vizepräsidentin Harris will nach Angaben eines US-Regierungsvertreters mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zusammentreffen. Harris wolle in einer Rede auf der Konferenz auch klar machen, dass die USA weiter offen für Gespräche mit Russland seien, "selbst zu dieser späten Stunde" in dem Konflikt.

Der massive russische Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine wird das zentrale Thema der Konferenz sein. Darüber wollen am Rande der Veranstaltung auch die Außenminister der führenden demokratischen Wirtschaftsmächte beraten. Deutschland hat den Vorsitz in dieser Gruppe der Sieben (G7), der außerdem die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Kanada und Japan angehören.

Im Westen wird befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in sein Nachbarland in Erwägung zieht und sogar eine Ausweitung des Konflikts auf Nato-Staaten drohen könnte. Für möglich wird allerdings auch gehalten, dass nur Ängste geschürt werden sollen, um die Nato-Staaten zu Zugeständnissen bei den Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen. Russland dementiert Angriffsplanungen.

Gespräche mit Vertretern Russlands stehen bei der Sicherheitskonferenz nicht auf der Tagesordnung. Das Land ist zum ersten Mal seit 1991 nicht mit einer offiziellen Delegation in München vertreten.

An der Konferenz in München, die unter strengen Corona-Auflagen stattfindet, nehmen etwa 30 Staats- und Regierungschefs und rund 80 Minister teil. Für die neue Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP ist es die erste Gelegenheit, ihre Außenpolitik umfassend vorzustellen. Außenministerin Annalena Baerbock, Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und Entwicklungsministerin Svenja Schulze waren bereits am Freitag in München aufgetreten.

Blinken "zutiefst besorgt" über Russlands Weg in Ukraine-Krise

Die US-Regierung sieht weiter eine hohe Gefahr einer militärischen Eskalation durch Russland in der Ukraine-Krise. US-Außenminister Antony Blinken sagte bei der Münchner Sicherheitskonferenz, auch wenn die US-Regierung mit ihren Partnern alles Denkbare für eine diplomatische Lösung tue, sei man "zutiefst besorgt, dass dies nicht der Weg ist, den Russland eingeschlagen hat". Alles, was derzeit zu beobachten sei, sei "Teil eines Szenarios, das bereits im Gange ist: nämlich falsche Provokationen zu schaffen, dann auf diese Provokationen reagieren zu müssen und schließlich eine neue Aggression gegen die Ukraine zu begehen". Die US-Regierung warnt seit Längerem davor, Moskau könne künstlich einen Vorwand inszenieren, um einen Angriff auf die Ukraine öffentlich zu rechtfertigen.

Blinken betonte, die größte Stärke der westlichen Partner in der Krise sei ihre Zusammenarbeit und Solidarität. Er glaube, der russische Präsident Wladimir Putin sei "etwas überrascht" darüber, wie eng die Nato-Staaten und die Europäische Union in der Krise zusammenstünden. "Solange wir diese Solidarität aufrechterhalten, werden wir so oder so - egal welchen Weg Präsident Putin wählt - bereit sein zu reagieren", sagte der US-Außenminister. (18.02.2022)

Guterres: Robuster Kampf gegen Terror in Sahelregion nötig

Der weitere Kampf gegen islamistische Terrorgruppen in der Sahelregion kann nach Einschätzung von UN-Generalsekretär António Guterres nur mit robusteren Truppen gewonnen werden. Ehrlicherweise müsse man sagen, dass die gegenwärtig verfügbaren Sicherheitsmechanismen nicht fähig seien, mit den terroristischen Gruppen fertig zu werden, sagte Guterres auf der Sicherheitskonferenz. Dass diese Gruppen nun auch die Küstenregionen erreichen könnten, werde möglicherweise Folgen bis nach Europa haben.

"Wir brauchen robuste Truppen. Aber dazu: Dies kann nicht mit Friedenssicherung getan werden. Dazu ist Friedenserzwingung nötig und Anti-Terror-Kampf." Es bedürfe starker Partner wie bei früheren Einsätzen auf dem Balkan. "In diesem Fall die Afrikanische Union mit einem klaren Mandat, das nun nicht existiert", so Guterres. Er verwies dabei auf Kapitel 7 der UN-Charta ("Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen") sowie die Notwendigkeit einer garantierten Finanzierung für diese Truppen. (18.02.2022)

Baerbock nennt Konflikt um Ukraine "eine Russland-Krise"

Vor dem Hintergrund der massiven Spannungen in der Ukraine-Krise startet an diesem Freitag die Münchner Sicherheitskonferenz. Zu den prominentesten Rednern in den nächsten drei Tagen werden Bundeskanzler Olaf Scholz, US-Vizepräsidentin Kamala Harris und der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij zählen. Russland ist zum ersten Mal seit 1991 nicht mit einer offiziellen Delegation vertreten.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat in ihrer Rede Russland zu einem umgehenden Abzug seiner Truppen von den Grenzen der Ukraine aufgefordert. Erste Signale dahingehend seien ein "Hoffnungsschimmer", nun seien aber auch Taten nötig, sagte die Grünen-Politikerin. Es drohe Krieg mitten in Europa. "Russland spricht mit seinem Truppenaufmarsch eine absolut inakzeptable Drohung aus", sagte sie. Diese Krise sei keine Ukraine-Krise. "Sie ist eine Russland-Krise."

An dem weltweit wichtigsten Expertentreffen zur Sicherheitspolitik nehmen etwa 30 Staats- und Regierungschefs teil, außerdem mehr als 80 Minister. Die Veranstaltung im Luxushotel Bayerischer Hof findet unter strengen Corona-Auflagen statt. Statt der sonst mehr als 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind diesmal nur 600 zugelassen. Sie alle müssen geimpft sein und täglich einen PCR-Test machen. (18.02.2022)

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