Münchner Sicherheitskonferenz:Siegeszug einer Lüge

Münchner Sicherheitskonferenz: US-Außenminister Mike Pompeo reiste am Samstag nach seiner Rede bei der Sicherheitskonferenz vom Münchner Flughafen wieder ab.

US-Außenminister Mike Pompeo reiste am Samstag nach seiner Rede bei der Sicherheitskonferenz vom Münchner Flughafen wieder ab.

(Foto: AP)

Der Bundespräsident hat sich von dem Ziel der Verwestlichung der Welt distanziert. Nachdem ihm US-Außenminister Mike Pompeo widersprochen hat, darf Steinmeier sich bestätigt fühlen.

Kommentar von Daniel Brössler

Wenn es am Ende der diesjährigen Sicherheitskonferenz eine große Erkenntnis geben wird, dann vermutlich die: Es geht immer noch schlimmer. Die Veranstalter haben den Niedergang des Westens zum Leitmotiv der Tagung gemacht, damit aber vermutlich auch die Hoffnung verbunden, es könnte sich Widerspruch regen. Das ist nun auch passiert, aber in einer Weise, die die Verzweiflung nur noch größer gemacht hat.

"Der Westen gewinnt", hat US-Außenminister Mike Pompeo wieder und wieder versichert. Für eine gute Nachricht konnte das nur halten, wer das Neusprech der Ära Trump nicht versteht. Der Sieg jenes Westens, den Pompeo feiert, ist das glatte Gegenteil jenes Westens, in dem sich die meisten Europäer einmal zuhause gefühlt haben.

Es ist ein Westen, in dem Nationalstaaten hauptsächlich ihren Eigeninteressen folgen. Ein Westen, dem Souveränität und nicht Kooperation als oberstes Gebot gilt. Die Verwestlichung der Welt sei nicht das Programm, hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur Eröffnung der Sicherheitskonferenz gesagt. Der Amerikaner Pompeo hat nun geantwortet. Doch genau das sei das Programm, hat er klargestellt.

Und er hat Steinmeier, ohne ihn namentlich zu nennen, direkt widersprochen. Steinmeier hatte gesagt, die USA hätten unter der jetzigen Regierung selbst "der Idee einer internationalen Gemeinschaft eine Absage" erteilt. Pompeo gab dieses Zitat verkürzt und somit falsch wieder, indem er das wichtige Wort "Idee" ausließ.

Steinmeier unterstellte nicht, dass Trumps Amerika nichts mehr mit der Welt zu tun haben wolle. Er beklagte nur, wie es dieser Welt gegenübertritt. Mit seiner Rede hat Pompeo eindrucksvoll demonstriert, wie berechtigt diese Klage ist.

Wundersame Verkehrung ins Gegenteil

Als Beweis des Siegeszuges des Westens führte Pompeo die Tatsache an, dass sich Menschen sich massenhaft auf den Weg nach Europa machten. So verkehrt sich das große Versagen des Westens und der internationalen Gemeinschaft bei der Aufgabe, gewaltsame Konflikte zu befrieden, wundersam ins Gegenteil. Ähnlich wie Trump es gerne tut, nutzte auch Pompeo seinen Auftritt für einen Werbeblock. Er referierte positive Wirtschaftsdaten in den USA, als könne das die Sorge zerstreuen über eine Demokratie, in welcher der Präsident sich über dem Gesetz wähnt, der unabhängigen Justiz zusetzt und kritische Medien anpöbelt. Der Begriff des Westens, dessen Siegeszug Pompeo verkündet, ist entleert - oder gar ins Gegenteil verkehrt.

Das ist nicht neu, aber in diesem Jahr steht die Sicherheitskonferenz für die nicht mehr zu leugnende Einsicht, dass es sich nicht um eine Episode handelt. Der Schaden, den Donald Trump der Idee sowohl des Westens als auch einer auf vielfältige Zusammenarbeit aufgebauten internationalen Gemeinschaft zugefügt hat, ist gravierend und wird nur schwer zu beheben sein. Darauf müssen sich die Europäer einstellen. Die Tatsache, dass von Autokraten von Moskau bis Peking noch größere Gefahr ausgeht, macht die Sache nicht besser. Es macht sie schlimmer.

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