Süddeutsche Zeitung

US-Außenminister Pompeo in München:"Der Westen gewinnt, wir alle gewinnen"

  • Bei der Sicherheitskonferenz in München weist US-Außenminister Mike Pompeo den Vorwurf zurück, dass die USA kein Interesse an einer starken transatlantischen Beziehung hätten.
  • Pompeo widerspricht einer Aussage von Bundespräsident Steinmeier direkt.
  • Am heutigen Samstag treten auch Frankreichs Präsident Macron, Facebook-Chef Zuckerberg sowie die Außenminister Chinas und Russlands auf.

Von Matthias Kolb

Mike Pompeo gibt sich erstaunt. Überall höre er, dass es dem Westen schlecht gehe, sagt der US-Außenminister bei seinem Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Der Republikaner liest am Rednerpult Zitate von Europäern vor. So werde etwa die "vielleicht schwerste Krise der multilateralen Ordnung seit dem Zweiten Weltkrieg" beklagt - der Satz stammt aus einem Gastbeitrag von Jean-Yves Le Drian, Frankreichs Minister für Europa, und dem deutschen Außenminister Heiko Maas in der SZ. Dann spricht er über eine Äußerung vom Freitag. Da habe ein Spitzenpolitiker es so dargestellt, als würden die USA "die internationale Gemeinschaft zurückweisen". Diese Aussagen hätten nichts mit der Realität zu tun, sagt Pompeo. Im Saal des Bayerischen Hofes herrscht Eiseskälte.

Dort wissen alle, wer gemeint ist, auch wenn der Name Frank-Walter Steinmeier nicht genannt wird. Direkt hat der US-Außenminister dem Bundespräsidenten widersprochen - und dessen Aussage zudem verkürzt wiedergegeben. Steinmeier hatte am Vortag in der Eröffnungsrede wörtlich gesagt: "Und unser engster Verbündeter, die Vereinigten Staaten von Amerika, erteilen unter der jetzigen Regierung selbst der Idee einer internationalen Gemeinschaft eine Absage". Dies unterstellt der Trump-Regierung nicht, dass sie nicht kooperiere, sondern "die eigenen Interessen über die aller anderen" stelle.

Pompeo gibt sich hingegen völlig überzeugt, dass sich die westlichen Demokratien im Konkurrenzkampf gegen autoritäre Staaten wie China oder Russland durchsetzten. "Der Westen gewinnt, wir alle gewinnen", sagt er und nennt es falsch, vom Tod des transatlantischen Bündnisses zu sprechen. Freie und demokratische Länder seien erfolgreicher als andere: Nur wenige Menschen würden ihr Leben riskieren, um nach Peking oder Moskau zu fliehen.

Kritik an Huawei und Nordstream II

Scharf kritisiert der Außenminister "die aggressive Kommunistische Partei Chinas" und zählt den Konzern Huawei zu den "trojanischen Pferden", die chinesische Sicherheitsdienste benützen würden. Niemand solle sich von dem "Hype" in die Irre führen lassen, dass der chinesische Netzwerksausrüster behaupte, seine Produkte seien besser als die der westlichen Konkurrenz.

Pompeo fordert außerdem, dass niemand so dumm sein solle und die Ostsee-Gaspipeline Nordstream II, die mehr russisches Gas nach Westeuropa bringen soll, für ein "reines Wirtschaftsprojekt" zu halten. Auch viele Demokraten in den USA sind überzeugt, dass dadurch die Energieabhängigkeit Europas von Russland erhöht werden solle.

Pompeo verkündet außerdem, dass die USA die "Drei-Meere-Initiative" mit einer Milliarde Dollar unterstützen werde. Diese sieht vor, dass zwölf mittel- und osteuropäische Anrainerstaaten der Ostsee, des Schwarzen Meeres und des Mittelmeeres enger zusammenarbeiten.

Lob für Amerikas boomende Wirtschaft

Die USA würden sich nicht aus Europa zurückziehen, sagt Pompeo und verweist auf die amerikanischen Milliarden-Investitionen zum Schutz der östlichen Flanke der Nato sowie das große Manöver Defender 20. Es ist die größte Verlegung von US-Truppen in Europa seit mehr als einem Vierteljahrhundert.

Pompeo lobt die Lage in den USA, die Wirtschaft boome, die Arbeitslosigkeit unter Frauen sei niedrig wie seit 70 Jahren nicht mehr. Die USA würden die Souveränität und Grenzen anderer Länder respektieren, versichert der frühere CIA-Chef. Sein Land werde sich niemals in die Wahlen anderer Staaten einmischen. Der Republikaner ist ein enger Vertrauter von US-Präsident Donald Trump, der im November wiedergewählt werden möchte.

In der kurzen Fragerunde beteuert Pompeo, es gehe nicht darum, dass die Europäer den USA "folgen" würden, man würde ja ständig über die aktuellen Probleme debattieren. Die aktuellen Meinungsunterschiede seien übrigens nichts Neues - das habe ihm kürzlich der frühere US-Außenminister James Baker bestätigt. Von dem Republikaner Baker ist allerdings nicht bekannt, dass er in München einen Saal voll konsternierter Partner zurückgelassen hätte.

Direkt nach Pompeo tritt Mark Esper ans Rednerpult. Auch der US-Verteidigungsminister spricht viel über China. Man wolle keinen Konflikt mit Peking, dafür sei die Welt viel zu vernetzt. Deswegen biete man auch Hilfe bei der Eindämmung des Coronavirus an. Er kritisiert aber Chinas aggressive Wirtschaftspolitik und den militärischen Expansionskurs. Im Pentagon sei man sich einig: Die größte Bedrohung gehe von China aus.

Unter Xi Jinping bewege sich das Land "schneller und weiter in die falsche Richtung", sagt Esper. Das bedeute unter anderem mehr Unterdrückung im Inneren. Es sei dringend geboten, dass die internationale Gemeinschaft aufwache und erkenne, welche Gefahren durch Chinas "Manipulation der multilateralen Ordnung" entstünden.

In der laufenden Debatte über Huawei und den neuen Mobilfunk-Standard 5G warnt Esper davor, dass die Nato-Partner nicht die Möglichkeit verlieren dürften, sich miteinander auszutauschen. Esper deutet damit an, dass die USA aufhören könnten, Geheimdienstinformationen mit den Verbündeten zu teilen. Das wäre die "schwerste Konsequenz", mit der Trumps Regierung seit Monaten droht. Erst am Freitag hatten US-Regierungsvertreter am Rande der Sicherheitskonferenz Deutschland vor dem Einsatz von Technik gewarnt, die von Huawei und dem Hersteller ZTE stammt.

Chinas Außenminister Wang Yi reagiert in seiner Rede auf der Konferenz mit deutlichen Worten auf die Vorwürfe der US-Amerikaner. Von einer "Schmierenkampagne" gegen China spricht er. "Grundsätzlich kann ich sagen, dass alle Beschuldigungen gegen China Lügen sind." Vielleicht würden diese Lügen aber zu Tatsachen, wenn man die Kritik auf die USA selbst anwende, so Yi.

Nato-Generalsekretär warnt vor Wettbewerb zwischen USA und Europa

Die allererste Rede des Tages hatte Jens Stoltenberg gehalten. Auch der Nato-Generalsekretär setzte sich mit dem Motto der Tagung auseinander, das "Westlessness" lautet. Auf beiden Seiten des Atlantiks werde gefragt, ob man sich voneinander entferne. Stoltenberg sieht diese Gefahr nicht: "Der Weg ist nicht leicht, wir stolpern manchmal etwas, aber wir haben uns nicht verlaufen." Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hätten Bestand, und würden den Menschen weltweit Hoffnung geben.

Für den Norweger ist das transatlantische Verteidigungsbündnis "die ultimative Verkörperung des Westens". Er betont, dass die USA und ihr Militär viel präsenter in Europa seien als noch vor einem Jahrzehnt. Er habe kein Problem mit den Forderungen nach "mehr Europa", aber "Europa allein" sei genauso falsch wie "Amerika allein". Er sei fest überzeugt, dass es am besten sei, wenn "Europa und Amerika zusammen" stünden.

Obwohl US-Präsident Trump seit Jahren viel mehr Engagement von den Partnern fordere, habe er doch anerkannt, dass die 27 europäischen Nato-Mitglieder und Kanada ihre Ausgaben um mehr als 100 Milliarden Euro erhöht hätten. Dies sei nötig, weil Russland weiter aggressiv auftrete und der Aufstieg Chinas für die Nato eine Herausforderung sei.

Stoltenberg spricht zudem zwei Themen des gerade beendeten Ministertreffens an: Die Nato wolle sich im Nahen Osten stärker engagieren. Dabei sei nicht an Kampfeinsätze gedacht, sondern an einen Ausbau der seit 2018 bestehenden Ausbildungsaktivitäten. Ähnliche Aufgaben sollen für die Anti-IS-Koalition übernommen werden. Gemeinsam habe man viel erreicht, sagt Stoltenberg. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" kontrolliere nun kein Gebiet mehr. Freiheit setze sich durch gegen Unterdrückung, und Toleranz gegen Intoleranz.

Im Laufe des Samstags werden sich auch die Außenminister Chinas und Russlands, Wang Yi und Sergej Lawrow, auf der Münchner Sicherheitskonferenz äußern. Anders als Mike Pompeo lobt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei seinem Auftritt in München die Rede von Bundespräsident Steinmeier. Das international stark beachtete Treffen dauert bis Sonntagmittag.

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