Münchner Sicherheitskonferenz:Neue Partnerschaften

Sicherheitspolitik ist ohne Bündnisse nicht denkbar. Nach dem deutschen Konzept führt Vernetzung von Staaten, Allianzen und selbst Unternehmen zu weltweiter Sicherheit.

Karl-Theodor zu Guttenberg

Karl-Theodor zu Guttenberg ist Bundesminister der Verteidigung.

Münchner Sicherheitskonferenz: Karl-Theodor zu Guttenberg während eines Besuchs in Afghanistan im November 2009.

Karl-Theodor zu Guttenberg während eines Besuchs in Afghanistan im November 2009.

(Foto: Foto: ddp)

Die Welt befindet sich in einer neuen Phase der Globalisierung der Sicherheitspolitik, die die transatlantischen Partner erheblich fordert. Dies setzt auch die Nato unter Anpassungsdruck. Die Staats- und Regierungschefs der Nato haben bei ihrem letzten Gipfel den Auftrag erteilt, das seit 1999 gültige Strategische Konzept zu überarbeiten und an die neuen Herausforderungen anzupassen.

Dabei geht es darum, das Selbstverständnis und den Anspruch des Bündnisses an sich selbst zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu bestimmen. Welche Aufgaben kann und soll die Allianz übernehmen? Wie weit soll ihr Aktionsradius gezogen werden? Mit welchen Partnern soll sie ihre Ziele verwirklichen? Wie will sie künftig ihre Beziehungen zu Russland gestalten? Welche Anpassungen der transatlantischen Beziehungen sind erforderlich?

Im Kern geht es also darum, im strategischen Dialog Konsens über die Rolle und das Selbstverständnis der Nato in der globalisierten Welt herzustellen. Bei aller Reformnotwendigkeit können wir auf ein solides Fundament bauen: die unerschütterliche Solidarität der Mitgliedstaaten, wie sie in Artikel 5 des Washingtoner Vertrages zum Ausdruck kommt. Diese Beistandsklausel ist und bleibt der Kernbestand dessen, was das Bündnis in seinem Innersten zusammenhält.

Die Allianz verfolgt bereits heute gemeinsame Sicherheitsinteressen jenseits geographischer Beschränkungen. Diese zunehmend global orientierte Nato bedarf zeitgemäßer Ansätze in der Partnerschaftspolitik, sowohl bei den bestehenden Nato-Partnerschaftsformaten als auch im Verhältnis zu institutionellen Partnern wie den Vereinten Nationen und der Europäischen Union.

Politik der "offenen Tür"

Nach Ende des Kalten Krieges waren Partnerschaften vor allem ein Instrument zur Schaffung von Stabilität und Sicherheit. Die politische und militärische Transformation der jungen Demokratien in Ost- und Südosteuropa und deren Integration in die euroatlantischen Sicherheitsstrukturen sind zweifellos Beispiele für die erfolgreiche Partnerschaftspolitik der Nato.

Das Programm "Partnerschaft für den Frieden" erweiterte das Kooperationsfeld der Nato in Sachen Zugewinn an gemeinsamer Sicherheit und Stabilität. In der Folge wurden aus Partnern zumeist Mitglieder. Die auf mittlerweile 28 Staaten angewachsene transatlantische Familie steht für diesen erfolgreichen Stabilitätstransfer. Wir setzen auch weiterhin auf eine maßvolle Politik der "offenen Tür" ebenso wie auf die bewährten Kriterien auf dem Weg hin zur Mitgliedschaft.

Heute haben Partnerschaften aber eine weitergehende Funktion. Die Erkenntnis, dass zur erfolgreichen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung ein umfassender, vernetzter Ansatz erforderlich ist, gehört mittlerweile zum strategischen Allgemeingut aller relevanten sicherheitspolitischen Akteure.

Der Erfolg der Nato wird also immer mehr davon abhängen, in welchem Umfang sie sich und ihre Instrumente in dieses Netzwerk einbringen kann. Die Nato sollte sich dabei vorrangig auf die wichtigen Fähigkeiten konzentrieren, über die sie bereits heute verfügt: ein sicheres Umfeld zu schaffen, als unabdingbare Voraussetzung dafür, dass andere Akteure ihre Fähigkeiten wirksam zum Ansatz bringen können.

Lesen Sie auf Seite zwei, wie Guttenberg die Beudetung von Partnern jenseits der Nato einschätzt.

Erklärungen mit Leben füllen

Eine unreflektierte Duplizierung von Fähigkeiten, etwa im zivilen Bereich, ist unwirtschaftlich und unnötig. Niemand hat daran ein Interesse. Es geht in der Praxis der Friedenssicherung und Krisenbewältigung vor allem darum, die jeweils spezifischen Fähigkeiten aller beteiligten Akteure zusammenzuführen und wirksam werden zu lassen.

Das heißt auch, die Organisationsstrukturen so zu harmonisieren, dass integrierte Planung sowie koordinierte und abgestimmte Durchführung in den Hauptquartieren und vor Ort in den Einsatzgebieten gewährleistet sind.

Mehr als bloße Symbolik

Bereits im Strategischen Konzept von 1999 setzt sich die Allianz für ihre Interessen auch jenseits des Bündnisgebietes ein. Ihre Partner begrüßen dies und unterstreichen diese Zustimmung etwa durch ihre Teilnahme an Nato-Operationen.

Die Zusammenarbeit und der Dialog von Nato- und Nicht-Nato-Truppenstellern in gemeinsamen Ratssitzungen hat über mehr als bloße Symbolik hinauszureichen. Sie muss vielmehr die Entschlossenheit des Bündnisses unterstreichen, den neuen Rahmenbedingungen auch in seinen Entscheidungsprozessen Rechnung zu tragen.

Das Format der "Non-NATO Troop Contributing Nations" steht sehr erfolgreich neben den etablierten Partnerschaftsformaten. Es gilt: Ob mit oder ohne Beitrag zu den Kontingenten in Nato-Operationen - im Dialog sind alle willkommen. In diesem Sinne treten wir dafür ein, den Blick über die transatlantische Dimension, die Südamerika mit einschließt, hinaus auch auf die transpazifische Dimension zu richten.

Verbindung zu Russland

Russlands Mitgliedschaft in der "Partnerschaft für den Frieden" (1994) stellte einen wichtigen Schritt in der institutionellen Annäherung dar. Die Zusammenarbeit wurde durch die Nato-Russland-Grundakte von 1997 und schließlich durch den seit 2002 bestehenden Nato-Russland-Rat weiter konkretisiert und intensiviert.

Dass das Verhältnis zwischen Nato und Russland nicht einfach ist, ist hinlänglich bekannt. Die letzten Jahre waren vor allem von einer Vertrauenskrise und von konträren ordnungspolitischen Vorstellungen für den euroatlantischen Raum geprägt. Gleichwohl ist beiden Seiten bewusst, dass es keine Alternative zu einem partnerschaftlichen Verhältnis gibt.

Nicht nur weil wir als Nachbarn kulturell wie auch historisch verbunden sind, sondern vor allem, weil wir vor gemeinsamen Herausforderungen stehen. Auch Russland wird erkennen, dass diese Partnerschaft - richtig verstanden - seinen Interessen nutzt.

Mit dem Vertrag von Lissabon strebt die in ihrer außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit weiter gestärkte EU danach, ihre Zusammenarbeit mit den wichtigsten internationalen Partnern zu intensivieren. Im militärischen Bereich steht hier die Nato an erster Stelle. Leider jedoch sind die Fortschritte bislang überschaubar: Die Nato-EU-Zusammenarbeit stockt aufgrund von Konflikten, die in das 19. Jahrhundert zurückreichen.

Erklärungen mit Leben füllen

Die Zusammenarbeit zwischen Kfor und Eulex im Kosovo beweist, dass ein erfolgreiches Miteinander beider Organisationen möglich ist. Vorläufig wird es um kleine Schritte gehen. Gleichzeitig gilt es, den politischen Druck auf die Protagonisten auf höchster Ebene fortzusetzen, um Blockaden zu überwinden.

Die Vereinten Nationen (VN) sind und bleiben die zentrale Organisation zur Sicherung des Weltfriedens, zur Einhaltung des Völkerrechts, zum Schutz der Menschenrechte und zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit. Es überrascht daher nicht, dass die zunehmend auch im globalen Rahmen handelnde Nato von den VN als interessanter Partner wahrgenommen wird.

Gleichwohl ist das Verhältnis der beiden Organisationen nicht spannungsfrei. Dies wird sich jedoch in dem Maße verbessern, in dem man enger kooperiert und sich somit kennenlernt. Der Grundstein für eine institutionelle Kooperation der Organisationen wurde mit der Verabschiedung der "Gemeinsamen Erklärung" 2008 gelegt. Beide Seiten sind jetzt aufgerufen, diese Erklärung mit Leben zu füllen.

Gemeinsames Vorgehen notwendig

Sicherheit wird im Zeitalter der Globalisierung nicht allein durch Abschreckung, sondern auch durch aktives Handeln gewährleistet werden können. Die Nato ist längst zur multifunktionalen Sicherheitsorganisation geworden, die sich über ihre Fähigkeit definiert, auf eine Vielzahl unterschiedlicher Sicherheitsprobleme glaubwürdige Antworten geben zu können. Sie ist aber nicht der einzige Akteur.

Im Gegenteil: Zur Bewältigung der transnationalen, globalen Herausforderungen wird künftig noch stärker ein gemeinsames Vorgehen mit leistungsfähigen Partnern notwendig sein. Mittels bi- und multilateraler Partnerschaften mit Staaten, regionalen und überregionalen Institutionen aber auch Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen gilt es, das für unsere Sicherheit unabdingbare Netzwerk unterschiedlicher Akteure zu stärken.

Dies würde den vielversprechenden Ansatz der vernetzen Sicherheit, der sich innerhalb der Nato bereits als "modus operandi" zur Krisenbewältigung durchgesetzt hat, auf die Ebene der globalen Sicherheitsvorsorge heben und die Glaubwürdigkeit der internationalen Gemeinschaft nachhaltig stärken. Deutschland setzt sich dafür ein, dass diese Aspekte im neuen Strategischen Konzept der Nato angemessen berücksichtigt werden.

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