Münchner Sicherheitskonferenz:"Afrikas Regierende sorgen sich vor allem um einander, weniger um ihre Bürger"

Rechtsstaatlichkeit? Menschenrechte? Gibt Wichtigeres. Mit dieser Botschaft präsentieren sich einige afrikanische Staaten in München. Der Westen toleriert das aus egoistischem Interesse.

Analyse von Isabel Pfaff

Der Amnesty-International-Chef macht es kurz und beißend: "Wir haben viele Krisen, eine Flüchtlingskrise, eine humanitäre Krise, auch eine Sicherheitskrise. Aber vor allem haben wir eine Führungskrise. Das müssen wir ändern." Salil Shetty, der Generalsekretär der Menschenrechtsorganisation, erhält höflichen Applaus nach diesem Eingangsstatement für das Panel "Africa: Keeping P(e)ace" am Sonntagmorgen. Dabei zielt er genau auf jene, die unten im Publikum sitzen und darauf warten, aufs Podium gerufen zu werden: Vertreter afrikanischer Regierungen und deren Verbündete in der internationalen Arena.

Zum ersten Mal bei der Münchner Sicherheitskonferenz ist Afrika Teil des Hauptprogramms. Allerdings soll es vor allem um Probleme gehen, die westliche Sicherheitsinteressen berühren: islamistischer Terror und Migration. Das zeigt nicht zuletzt die Besetzung des Podiums. Mit Moderator Olusegun Obasanjo, dem elder statesman aus Nigeria, diskutieren unter anderem der Präsident Somalias, der Außenminister Äthiopiens und der Kommissar für Frieden und Sicherheit der Afrikanischen Union.

Dass es an diesem Morgen neben den üblichen, wolkigen Bekenntnissen zu Frieden, Demokratie und Entwicklung auch ein paar ehrliche Momente gibt, ist vor allem den Vorrednern zu verdanken, dem Amnesty-Chef Shetty sowie dem früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan. "Die Regierenden in Afrika sorgen sich vor allem um einander, weniger um ihre Bürger", sagt Annan - und widmet sich in erfreulicher Offenheit dem Thema des Internationalen Strafgerichtshofs, der von der Mehrheit der afrikanischen Staaten abgelehnt wird, weil er auch amtierende Regierungen ins Visier nimmt.

"Die meisten Krisen werden von Regierungen verursacht, die ihre Bevölkerung unterdrücken"

"Die meisten unserer heutigen Krisen sind vorhersehbar und vermeidbar", sagt Shetty, "sie werden von Regierungen verursacht, die ihre Bevölkerung unterdrücken." Als Beispiele nennt er Burundi, Eritrea und Ägypten. Fälle, die auf der Agenda der Sicherheitskonferenz fast nicht vorkommen - im Subtext: Fälle, die die Großmächte entweder nicht berühren oder ihre Verbündeten betreffen.

Als Moderator Obasanjo schließlich die Frage des Internationalen Strafgerichtshofs - und damit auch das Thema Straflosigkeit unter den Mächtigen - auf dem Podium aufgreift, erschließt sich sehr deutlich, was Annan und Shetty meinen.

Man unterstütze natürlich nicht Straflosigkeit, sagt Tedros Adhanom, der Außenminister Äthiopiens, dessen Regierung trotz massiver Demokratiedefizite zu den wichtigsten Verbündeten des Westens im Kampf gegen den Terror am Horn von Afrika zählt. Doch man lehne ab, dass Vertreter der kenianischen Regierung vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt werden. "Solche Dinge sollten auf afrikanischem Boden geregelt werden", so Tedros. Außerdem: Mit al-Shabaab habe man im Osten und am Horn von Afrika gerade ein Terrorproblem - wenn in dieser Situation der kenianische Präsident in Den Haag sitze, sei das nun mal eine gefährliche "Sicherheitslücke".

Stabilität und Sicherheit stehen in Afrika meist über Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Das ist die Botschaft, die einer der mächtigsten Staaten des Kontinents an diesem Münchner Morgen unverblümt vermittelt. Dass der Westen mit Ländern wie Äthiopien und Kenia eng kooperiert, signalisiert, dass er es wohl ähnlich sieht - wenn auch hinter vorgehaltener Hand.

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