München:Prozess gegen Oldschool Society: "Tun, machen, selber - nie, nie, nie"

  • Andreas H. soll als Rädelsführer der "Oldschool Society" geplant haben, ein Asylheim mit selbstgebauten Bomben anzugreifen.
  • Als bisher Einziger äußert er sich vor dem Oberlandesgericht München zur Terror-Anklage.
  • Er tut die Pläne der Gruppe als Gedankenspiele ab - eine Umsetzung sei nie vorgesehen gewesen.

Aus dem Gericht von Jan Bielicki

Er soll Gründer und Rädelsführer einer terroristischen Vereinigung gewesen sein und mit drei Mitangeklagten geplant haben, ein Asylheim mit selbstgefertigten Nagelbomben anzugreifen. Für Andreas H., 57, Maler aus Augsburg, aber war alles nur "Babbelei" und "wirklich nur verbal", was die Mitglieder der Gruppe, die sich "Oldschool Society" nannte, in Internet-Chats an gewaltsamen Aktionen gegen Islamisten und Flüchtlinge aussponnen. "Da würde halb Deutschland flachliegen, wer das glauben würde, was da in Schutt und Asche gelegt wurde. Das steht alles heute noch", sagt der Angeklagte am Dienstag vor dem Oberlandesgericht München.

H. ist bisher der Einzige, der sich im Verfahren zur Terror-Anklage der Bundesanwaltschaft äußert. "Lauter schreckliche Sachen" habe man da gesagt, bestätigt er die Echtheit der von den Behörden abgefischten Chats und Telefonate, aber: "Tun, machen, selber - nie, nie, nie." In Chats und Telefonaten war die Rede davon, illegal beschaffte Böller mit Nägeln zu bekleben und durch die Fenster eines Asylheims zu werfen. H. selbst postete Bilder von solchen sogenannten Polenböllern mit großer Sprengkraft. "Leicht zu machen, fatale Wirkung", schrieb er dazu. Die Behörden griffen zu, bevor sich die Gruppe im Mai vergangenen Jahres ein zweites Mal treffen wollte.

Zu einem ersten Treffen im sächsischen Borna war H., "Präsident" der Gruppe, aus seinem Wohnort Augsburg in seinem aufgemotzten Mercedes gekommen, Krokoleder, fast 600 PS - mit einer Gaspistole in der Tasche und einem Ring der Waffen-SS am Finger. Nur "wichtigmachen" habe er sich wollen, und außerdem sammele er solche Sachen: Waffen ("aber nichts, was wirklich schießt"), eine Mütze des Nazi-Admirals Karl Dönitz, eine SS-Kappe und Adolf Hitlers "Mein Kampf", Hochzeitsausgabe: "Hab versucht, es zu lesen, sehr, sehr schwer". Nein, sagt er: "Ich bin kein Nazi, werde nie einer sein." Wer "NS-Ablichtungen" auf die Seiten der Gruppe stellte, sollte zehn Euro Strafgeld zahlen. H. selbst war freilich zwischenzeitlich Mitglied der neonazistischen NPD.

"Planlos" sei die Gruppe gewesen, sagt er. Kriegsgräber habe man pflegen wollen und eigene T-Shirts herstellen. Geworden ist daraus nichts. Das erste Treffen "fiel vor lauter Alkohol total ins Wasser", erzählt H. Es endete damit, dass ein Krankenwagen einen der Kameraden mit Alkoholvergiftung abtransportierte.

H. räumt ein, dass es ihn "aggressiv" mache, wenn er sehe, wie Handwerker aus Rumänien seine Angebote als Maler oft drastisch unterböten. Oder wenn er im Netz ein Enthauptungs-Video der Terroristen des Islamischen Staats sehe: "Da wird bei mir ein Kopf-Kino freigeschaltet". Aber dass er mit der Gruppe "Schlachtpläne" geschmiedet habe - "das ist nicht so", sagt er unter Tränen.

Der 57-Jährige zeigte sich schon am Vortag bei seiner Vernehmung zu seinen persönlichen Verhältnissen sichtlich stolz darauf, nach einer kriminellen Karriere und mehreren Gefängnisaufenthalten sein Leben sowohl privat wie beruflich auf die Reihe bekommen zu haben. Er ist verheiratet und als selbstständiger Maler nach eigenen Angaben gut beschäftigt. Auch eine psychiatrische Störung, zu der er sich nicht näher äußern wollte, habe er, medikamentös bestens eingestellt, gut im Griff.

Drei Angeklagte kommen aus schwierigen Verhältnissen

Bei den anderen drei Angeklagten sind die Verhältnisse weit weniger geordnet. Die 23-jährige Denise G. erzählte von einer verwahrlosten Jugend: Mit 13 war sie schon alkoholsüchtig, mit 15 nahm sie die Droge Crystal Meth, "ganz normal". Mit 18 bekam sie ein Kind, griff den Kindsvater mit einem Messer an, das Sorgerecht wurde ihr entzogen. Mit 21 kam das zweite Kind, dessen Vater, so erzählt sie, wegen Vergewaltigung im Maßregelvollzug sei. Es gab Suizidversuche, kurze Aufenthalte in einer psychiatrischen Klinik, die Diagnose lautete Persönlichkeitsstörung.

Zuletzt lebte sie mit dem 40-jährigen Markus W. zusammen, der als Sicherheitsmann arbeitet, wie sie Tattoos und Piercings trägt und nun als Angeklagter drei Stühle weiter sitzt. W., mehrfach vorbestraft, bewegt sich schon lange in der Neonazi-Szene, er war Kommunalwahl-Kandidat der NPD und Mitglied der 2012 verbotenen Kameradschaft Aachener Land. Seine Mutter betrieb im rheinischen Düren eine Kneipe, die als Neonazi-Treff galt. Bei seiner Verhaftung vor einem Jahr fanden die Ermittler bei ihm insgesamt 72 sogenannte Polenböller, die er und seine Freundin sich wenige Tage zuvor in Tschechien besorgt haben sollen.

Und dann ist da noch Olaf O., 48, der sich im Netz "Ruhrpott-Olli" nannte und dessen Leben ein Hirntumor aus der Bahn warf. Der Bergarbeiter-Sohn arbeitete als Teamleiter am Band des Bochumer Opel-Werks. Dann kam die Krankheit, er verlor seine Arbeit, seine Ehefrau und wohl auch seinen Halt. Nachdem er verhaftet wurde, ließ das Bochumer Gesundheitsamt die offensichtlich komplett verwahrloste Wohnung aufräumen. Im Netz gab er den "Pressesprecher" der Gruppe.

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