Am Donnerstagmorgen hat die Polizei in der Nähe des israelischen Generalkonsulats und des NS-Dokumentationszentrums in der Münchner Innenstadt einen bewaffneten Mann getötet. Er sei bei einem Schusswechsel schwer verletzt worden und noch am Einsatzort gestorben, sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Polizei und Generalstaatsanwaltschaft München gehen davon aus, dass der mutmaßliche Schütze einen Terroranschlag auf das israelische Generalkonsulat verüben wollte. Es handelt sich um einen 18-jährigen Österreicher, der zuvor wegen möglicher islamistischer Radikalisierung aufgefallen sein soll. Über ein mögliches Tatmotiv war zunächst nichts bekannt.
Polizisten hatten den Mann gegen neun Uhr morgens mit einer „Repetierwaffe älteren Baujahrs“ angetroffen, wie die Polizei mitteilte. „Er hat gezielt auf die Polizisten geschossen, die haben das Feuer erwidert“, sagte Herrmann. Der mutmaßliche Täter habe „sehr schnell gestoppt“ werden können, hieß es bei der Polizei. Der erste Hinweis sei von einem Zeugen gekommen, der den Mann mit der Langwaffe gesehen hatte. In der Nähe des Tatorts sei auch ein Fahrzeug gefunden worden, das möglicherweise dem Täter gehörte.
Der bayerische Innenminister hatte früh davon gesprochen, dass „möglicherweise ein Anschlag auf das israelische Generalkonsulat geplant“ gewesen sei. Wenn jemand in Sichtweite des israelischen Generalkonsulats sein Auto parke, mit einem Gewehr um das Gebäude herumgehe und dann mit dem Schießen beginne, so Herrmann, liege das nahe.
Der Verfassungsschutz in Salzburg soll eine Hausdurchsuchung veranlasst haben
Der Polizei zufolge war der mutmaßliche Schütze ein Mann namens Emra I., ein 2006 geborener österreichischer Staatsbürger, der auch in Österreich wohnte. Nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, WDR und NDR und dem österreichischen Nachrichtenmagazin Profil soll Emra I., der offenbar bosnischstämmig sein soll, im vergangenen Jahr den österreichischen Behörden wegen möglicher islamistischer Radikalisierung aufgefallen sein.
Das Landesamt Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) in Salzburg soll daraufhin eine Hausdurchsuchung bei Emra I. vorgenommen haben. Dabei soll Material entdeckt worden sein, das eine dschihadistische Gesinnung vermuten lassen soll. So soll der junge Österreicher offenbar ein Anhänger der syrischen Terrorgruppe Jabhat al-Nusra gewesen sein. Die Polizei Salzburg teilte am Abend mit, 2023 sei gegen den damals 17-Jährigen unter anderem wegen des Verdachts der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung ermittelt worden, die Ermittlungen habe man jedoch eingestellt.
In Deutschland war Emra I. den Sicherheitsbehörden bislang nicht als radikaler Islamist bekannt. Nach Informationen der Polizei reiste er offenbar am Donnerstagmorgen mit dem Auto von Salzburg nach München.
Im Generalkonsulat sollte der Opfer des Terrorakts bei den Olympischen Spielen gedacht werden
Das Datum der Tat hat Symbolkraft: Genau vor 52 Jahren, am 5. September 1972, drangen palästinensische Terroristen in das israelische Mannschaftsquartier im olympischen Dorf ein und nahmen elf Menschen als Geiseln. Bei dem Versuch, die Geiseln aus den Händen ihrer Entführer zu befreien, kamen alle elf israelischen Geiseln ums Leben, auch ein Polizist starb bei dem Einsatz. Eine Gedenkveranstaltung, die an diesem Donnerstag eigentlich auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck geplant war, wurde nach der Tat abgesagt.
Sie sei „unendlich erleichtert“, sagte die Leiterin des israelischen Generalkonsulats in München, Talya Lador-Fresher, der SZ: „Wir hatten heute sehr viel Glück. Das Generalkonsulat war geschlossen, weil wir den Gedenktag zu 52 Jahre Terrorakt auf die Olympischen Spiele begehen wollten. Keiner von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde verletzt.“ Gleichzeitig sei sie von der Tat nicht überrascht gewesen: „Am Anfang gibt es Worte. Und danach Taten. Dieses Ereignis zeigt, wie gefährlich der Anstieg des Antisemitismus ist.“
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nannte diesen Donnerstag einen „schlimmen Tag mit einem am Ende glimpflichen Ausgang“, weil durch das schnelle Handeln der Polizei niemand sonst zu Schaden gekommen sei. „Es bleibt ein Warnsignal an uns alle: Es kann jeden Tag etwas passieren“, sagte Söder. Für jüdische Einrichtungen in Bayern gab er ein „Schutzversprechen“ ab: dass man jeden Angreifer „bekämpfen, stellen und ausschalten“ werde.
Josef Schuster, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, reagierte schockiert auf den Angriff. „Nach den jetzigen Informationen scheint es erneut einen islamistischen Hintergrund zu geben, wie bereits in Solingen vergangene Woche, als drei Menschen von einem Attentäter ermordet wurden“, sagte er, und fügte hinzu: „Wir befinden uns in einem dauerhaften Zustand der Anspannung und Bedrohung. Wir dürfen uns von den Feinden der offenen Gesellschaft unsere Freiheit und unser Leben nicht zerstören lassen.“