Müller wird Richter in Karlsruhe:Der amtsmüde Schachspieler

Nächstes Jahr wird Ministerpräsident Müller Verfassungsrichter - die Jamaika-Koalition in Saarbrücken bringt er damit in Gefahr. In seiner CDU werden schon drei Favoriten für die Nachfolge gehandelt.

Marc Widmann

Amtsmüde, er? "Von wegen", antwortete Peter Müller erst vor wenigen Wochen; er sei gern Regierungschef im Saarland. Dass ihm der Schwung und prickelnde Ideen fehlten, das sah der 55-jährige CDU-Politiker ganz anders. Zumindest öffentlich. Im kleinen Kreis erzählte er aber auch, dass Politik nicht sein ganzes Leben sei, davon, wie er sein Saxofon verkaufen musste, weil es sonst kaputt gegangen wäre vom ungenutzten Herumstehen, und dass er leidenschaftlich gern Schach spiele, jedoch kaum dazu komme. Dann wurde er in einer Landtagsdebatte beim Schachspielen auf einem kleinen Computer fotografiert. Schon hieß es wieder: Der ist amtsmüde.

Peter Müller

Peter Müller wird Verfassungsrichter.

(Foto: dpa)

Im kommenden Herbst soll der Einserjurist und frühere Richter nun in ein frisches Amt wechseln, ans Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe, als Nachfolger des scheidenden Richters Udo di Fabio; darauf haben sich die sogenannten Richtermacher der Parteien geeinigt. Und im Saarland stellt man sich seither gleich drei Fragen: Wann tritt der Regierungschef ab? Wer folgt ihm nach? Und wie gefährlich ist es für die Jamaika-Koalition, wenn ihr Anführer geht, ein Garant ihrer Stabilität?

Wie riskant solch ein Wechsel sein kann, zeigte sich eben erst in Hamburg. Da trat Ole von Beust (CDU) zurück, weil er sich "durchgenudelt" fühlte, sein recht konservativer Nachfolger weckte Misstrauen beim grünen Koalitionspartner - und nach wenigen Wochen kündigten die Grünen das Bündnis auf. "Dieses Problem haben wir bei uns nicht", sagt Hubert Ulrich, Grünen-Vorsitzender im Saarland. "Wenn der Regierungschef gehen würde, bedeutet das für unsere Koalition nicht dasselbe wie in Hamburg." Der Grund dafür liege in den möglichen Nachfolgern: "Die würden das weiterführen und von den Koalitionspartnern voll akzeptiert", sagt Ulrich. Auch in der FDP erwartet man "keine Dramen". Auf Neuwahlen werden sich die Regierungsparteien kaum einlassen, schon deshalb, weil nach aktuellen Meinungsumfragen dann Rot-Rot an die Macht käme.

In der CDU werden nun drei Namen gehandelt, als Favoritin für die Nachfolge gilt Annegret Kramp-Karrenbauer, 48 Jahre alt und schon auf ihrem dritten Ministerposten im Saarland. Sie kümmerte sich um Inneres, um Bildung, nun um Soziales, deshalb ist sie bekannt und laut Umfragen mit Abstand der beliebteste Politiker an der Saar. Natürlich will sie zu Spekulationen nichts sagen, alles auf sich zukommen lassen, aber sie traut sich den Posten zu. Seit einem Monat sitzt sie für die Frauen-Union im Präsidium der Bundes-CDU, was manche als Warmlaufen für Höheres interpretieren.

Die dreifache Mutter wirkt auf den ersten Blick zierlich, doch im Saarland unterschätzt sie niemand. "Sie beherrscht die politische Klaviatur", heißt es bei einem Koalitionspartner, sie verteidigt ihr Revier, organisiert Mehrheiten, sie gilt als kompetent und engagiert, nur bei öffentlichen Auftritten wirkt sie bisweilen etwas herb.

Als möglicher Konkurrent wird Klaus Meiser gehandelt, er ist acht Jahre älter, Chef der CDU-Fraktion im Landtag, früherer Innenminister und einst zurückgetreten im Zuge der Doerfert-Affäre; es ging um Beihilfe zur Untreue, was im Saarland aber längst vergessen zu sein scheint. Er gilt als volksnaher Strippenzieher und als gut vernetzt in der Partei. Auch Stephan Toscani taucht in der Liste möglicher Nachfolger auf, der freundliche Innenminister, der mit seinen 43 Jahren aber noch Zeit hat.

Bisher gibt es nur Spekulationen, wann Peter Müller abtritt, denkbar ist vieles, auch eine Übergabe schon im späten Frühjahr. Sicher ist nur: Für das Jamaika-Bündnis beginnt dann eine heikle Zeit. Gerade weil Müller sich nichts mehr beweisen muss, eignet er sich gut als Moderator der ungleichen Koalition. Er wirkt im Hintergrund, auch in die eigene Partei, ihr bringt er die schmerzvollen Kompromisse vor allem mit den Grünen nahe. Andere hätten es schwer gehabt, der CDU einen Koalitionsvertrag zu vermitteln, in dem unter anderem die Studiengebühren abgeschafft werden.

Doch Peter Müller, dem Schachspieler, folgte seine Partei einstimmig.

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