Abfall- und Kreislaufwirtschaft:Neue Methoden gegen Müllberge

Abfall- und Kreislaufwirtschaft: Müllverbrennungsanlage der EEW in Hannover. In Deutschland werden noch immer riesige Abfallmengen verfeuert.

Müllverbrennungsanlage der EEW in Hannover. In Deutschland werden noch immer riesige Abfallmengen verfeuert.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

EU-Kommission und Bundesregierung haben einige Pläne, um die riesigen Abfallmengen zu reduzieren. Müssen Hersteller und Verbraucher bald bei Tausenden Produkten umdenken?

Von Thomas Hummel

Wie sehr die Gesellschaft auf eine funktionierende Müllabfuhr angewiesen ist, zeigte zuletzt der Streik der Gewerkschaft Verdi. Wenn Müllwerker nicht kommen und Recyclinghöfe geschlossen bleiben, dauert es nur wenige Tage, und das weggeworfene Zeug quillt aus den Tonnen. Wohin nur mit all den Verpackungen, Bioabfällen, To-go-Bechern? Wäre es nicht eine gute Idee, weniger Müll zu produzieren? Und mehr wiederzuverwenden oder zu recyceln?

Um die Klimaziele zu erreichen und künftig mehr Rohstoffe zu sichern, müssen sich die Gesetzgeber in der Europäische Union und die Bundesregierung dringend mit Abfall- und Kreislaufwirtschaft beschäftigen.

Es gibt aktuell auch etliche kleinere und größere Vorhaben für neue Gesetze und Verordnungen mit dem Ziel, den riesigen Müllberg zu schrumpfen. Doch ein Blick in den Maschinenraum der Politik zeigt, dass es wohl wenig Komplizierteres gibt, als Abfallströme zu regulieren.

Deutsche produzieren besonders viel Abfall

Tausende Materialien werden hergestellt, verarbeitet, genutzt, weggeworfen. Vorne mit dabei die Deutschen: Nach einer Schätzung des Statistischen Bundesamts produzierte 2021 jeder Mensch hierzulande im Schnitt 646 Kilogramm Siedlungsabfälle, mehr als 100 Kilogramm über dem EU-Durchschnitt. Das ergibt die unfassbare Menge von mehr als 50 Millionen Tonnen Siedlungsabfällen. Dazu zählt der Müll aus Haushalten, Handel, Gewerbe, Büros und Einrichtungen sowie Sperrmüll, Gartenabfälle oder auch der Inhalt von Abfallbehältern. Seit Jahren fällt hier etwa die gleiche Menge an. Was tun?

Steffi Lemke, grüne Bundesumweltministerin, kündigte im Januar an, die "Verschmutzungskrise" anzugehen: "Unsere Umwelt hat es verdient." Damit warb sie für die Einwegkunststofffondsverordnung, eine Sonderabgabe für Hersteller von Produkten, die häufig in Parks, Bächen oder am Straßenrand landen, etwa Zigarettenfilter, To-go-Becher, Feuerwerkskörper oder Luftballons. Nach dem Willen des Bundestags sollen sie sich ab 2024 an den Kosten der Entsorgung mit jährlich etwa 430 Millionen Euro beteiligen, die vor allem den Kommunen zugutekommen.

Dank der Müllabfuhr verschwinden der Abfall von den Straßen, aber für Probleme sorgt er trotzdem.

Dank der Müllabfuhr verschwindet der Abfall von den Straßen, aber nicht aus der Welt.

(Foto: Michael Gstettenbauer/Imago)

Doch reduziert das den Müll? Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände unkte bereits, dass die Hersteller vermutlich schnell auf noch nicht sanktionierte Materialien umsteigen werden.

Manche Versuche, den Abfall zu reduzieren, wirken fast verzweifelt. Seit Januar müssen Restaurants, Caterer und Lieferdienste ihren Kunden Mehrwegverpackungen anbieten - in der Hoffnung, diese nehmen das Angebot an. Doch die Umsetzung verläuft zäh.

Von 2024 an soll die Müllverbrennung in den Treibhausgas-Emissionshandel aufgenommen werden, hier entstehen mehrere Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) warnt indes vor Mehrkosten von fast einer Milliarde Euro, die am Ende auf die Abfallgebühren umgelegt werden müssten. Wenn Abfall teurer wird, wird er dann auch weniger? Tatsächlich landen große Mengen an Bioabfällen oder Elektrogeräten in der Restmülltonne, höhere Gebühren könnten ein Anreiz sein, besser zu trennen.

Textilien dürfen ab 2025 nicht mehr in den Restmüll

"Es werden zwar kleine Schritte gemacht, aber die sind wirklich sehr klein", sagt Janine Korduan, Referentin Kreislaufwirtschaft beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), "ich glaube nicht, dass dadurch der Müllberg merklich kleiner wird." Sie kritisiert, dass das Problem bislang oft am Ende der Kette adressiert wird. Also beim Müll. Da ist es aber meistens schon zu spät.

Beispiel Textilien. Von 2025 an dürfen alte Klamotten nicht mehr in den Restmüll, sondern müssen extra gesammelt werden. Delara Burkhardt, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Europaabgeordneten, hat dazu eine Gesprächsrunde mit 350 Branchenexperten organisiert, in dem alle den grundsätzlichen Willen geäußert hätten, alte Textilien wiederzuverwerten. "Doch die Entsorger sagen, sie könnten häufig gar nicht sehen, wie Pullover, Jacken oder Hosen zusammengesetzt sind", sagt Burkhardt. Das Mischverhältnis etwa zwischen synthetischen Fasern und Baumwolle sei unterschiedlich, oft sind sie verklebt und mit Giftstoffen versetzt. Es sei technisch noch nicht möglich, Textilien großflächig zu recyceln, sagt Burkhardt.

Zumindest bei der EU-Kommission hat deshalb ein Umdenken stattgefunden. So legte die Behörde im vergangenen Jahr einen Vorschlag zur Erweiterung der Ökodesign-Richtlinie vor, die festlegt, wie Produkte anfangs beschaffen sein müssen, damit man am Ende möglichst viele Teile wiederverwenden kann.

Bislang galt sie für große Elektrogeräte wie Kühlschränke und Geschirrspüler, nun sollen etwa Smartphones und Tablets dazukommen. Hersteller müssen zudem Ersatzteile bereitstellen, denn die EU bereitet eine Richtlinie für das "Recht auf Reparatur" vor.

Außerdem soll der Verpackungsmüll reduziert werden. Ein großes Vorhaben, denn in den Jahren 2009 bis 2020 ist hier die Abfallmenge in der EU um 20 Prozent gestiegen. Laut EU-Prognosen dürfte die Menge bis 2030 noch einmal um fast ein Fünftel steigen. Vor allem Online-Handel und Mitnehm-Verzehr lassen den Verbrauch in die Höhe schießen. "Wir müssen die Dynamik in diesen Märkten verändern", sagte Mattia Pellegrini, Generaldirektor für Umweltpolitik in der EU-Kommission, kürzlich bei einer Veranstaltung des Nachrichtenportals Euractiv.

In Deutschland werden noch etwa 60 Prozent des Plastikmülls verbrannt

Ein Vorschlag der Kommission für eine Verordnung legt nun erstmals Ziele für Müllvermeidung und Wiederverwendung bei Verpackungen fest. Bis 2030 soll demnach alles recycelbar sein. Gerade bei Plastik ist man davon weit entfernt, aktuell wird in Deutschland nur etwa 40 Prozent des Plastikmülls aufbereitet, der Rest wird verbrannt.

In insgesamt 65 Paragrafen regelt die Verordnung das Design von Verpackungen neu. Es sei ein kompliziertes Werk, sagte Pellegrini, und die Reaktionen darauf gingen weit auseinander. Grund dafür sei, dass praktisch alle wirtschaftlichen Sektoren betroffen sind, von Lebensmitteln über Einzelhändler, Apotheken, Getränkemarkt und natürlich Online-Händler. Da könne man nicht alle glücklich machen, sagte Pellegrini, fügte aber an: "Wenn man nicht das Design der Verpackung reguliert, kann man das Problem nicht lösen." Wird aber mehr recycelt, könne man damit etwa 30 Millionen Tonnen fossile Brennstoffe pro Jahr sparen, denn Plastikherstellung benötigt Erdöl.

Wenig überraschend reagierte die Öl- und Gasindustrie eher skeptisch auf die Pläne. Auch die Chemieindustrie verdient gut an der Herstellung von Plastikpellets, die dann weiterverarbeitet werden können. "Das sind Konzerne mit sehr viel Macht und direkten Verbindungen in die Politik", sagt BUND-Expertin Korduan. Diese beschäftigten mehrere Hundert Lobbyisten, "dagegen kommt man als Umweltorganisation kaum an". Sie rechnet deshalb mit schwierigen Verhandlungen. Und vorerst weiterhin viel Arbeit für die Müllabfuhren.

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