Süddeutsche Zeitung

Muammar el-Gaddafi:Revolutionsführer mit einem Faible für Frauen

Nicht nur in der Politik pflegt Libyens Revolutionsführer Gaddafi immer das Bizarre - auch in seinem Verhältnis zur Weiblichkeit.

R. Chimelli

Wenn es für die 40 Regierungsjahre des Muammar el-Gaddafi eine Konstante gibt, dann ist es seine Begabung, sich als Exzentriker in Szene zu setzen. Nur wer das übersieht, konnte davon überrascht werden, dass der libysche Revolutionsführer die Welternährungskonferenz in Rom dazu nutzte, mehrere hundert hübsche Italienerinnen zu einem Gala-Abend einzuladen.

Vielleicht trugen auch der Genius loci und seine Freundschaft zu Silvio Berlusconi dazu bei. Denn nicht nur in der Politik, auch in seinem Verhältnis zur Weiblichkeit pflegte der 67-jährige Libyer immer das Bizarre.

In seiner Sturm-und-Drang-Periode, als er noch nicht den Islam und die Welt durch sein "Grünes Buch" neu geordnet hatte, argumentierte er hitzig gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter: "Wer findet, dass kein Unterschied besteht, müsste eine schwangere Frau mit dem Fallschirm abspringen lassen." Später setzte er auf Emanzipation und erregte Aufsehen mit seiner weiblichen Leibgarde. Wer in ihr einen getarnten Harem sah, lag falsch.

Vor allem in den arabischen Staaten aber werden bei Staatsbesuchen die Amazonen nach wie vor bestaunt und belächelt - ebenso wie das Zelt für die Nachtruhe und die Kamelstute für die Frühstücksmilch, die Gaddafi immer mit auf die Reise nimmt. Der wiederum wusste, dass in einer konservativ-islamischen Gesellschaft für Mädchen, die sich einer solchen Formation anschließen, normalerweise die Familienloyalität erloschen ist. Hätte er seine Leibwache unter Männern mit Stammesbindungen rekrutiert, wären Verschwörungen einfacher gewesen. Die Gardistinnen aber konspirieren nicht.

"Mit Gold und Seide zugedeckt"

Keine Frau wird in Libyen schief angeschaut, wenn sie mit offenem Haar und unverhüllt geht. Die meisten jungen Mädchen tragen T-Shirts und Blue Jeans, und längst besuchen nahezu einhundert Prozent von ihnen eine Schule. Gaddafi hat den Frauen zwar nicht den Schleier verpasst, wohl aber den Oberschülerinnen einen hässlichen Militärdrillich. An den Universitäten sind bis zu 80 Prozent der Studierenden Frauen.

Doch mehr als einmal tadelte sie der Führer dafür, dass sie ihre Berufschancen nicht nutzten: "Ihr macht ein Diplom, um euch am Ende einem Schwächling zu schenken, der in euch bloß die Putzfrau sieht." Oder er nennt sie "Legehennen", die einen Mann suchen, "der sie mit Gold und Seide zudeckt". Zwei mal hat Gaddafi selbst geheiratet. Niemand hat je von Mätressen gehört. Auch für die Italienerinnen gab es außer dem Koran und Einladungen nach Libyen keine Offerten.

Acht Kinder hat Muammar el-Gaddafi mit seinen Ehefrauen gezeugt. Der zweitälteste Sohn Seif-ul-Islam gilt als wahrscheinlicher politischer Nachfolger. Zeitweilig wurde auch der vierte, Mutassim-Billah, in Betracht gezogen. Der fünfte Sohn Mutassim-Bilal, genannt Hannibal, hat für Skandale gesorgt, zuletzt als er 2008 in einem Genfer Hotel Angestellte verprügelte und zeitweise in Haft genommen wurde. Aus Rache hält der Vater seither zwei Schweizer Geschäftsleute fest. Gaddafis einzige Tochter, die langhaarige und langbeinige Aischa, ist Anwältin und mit einem Cousin des Vaters verheiratet.

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Quelle:
SZ vom 18.11.2009
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