Mossad-Agent ausgeliefert:Geräuschloses Ende

Ein dreckiges Stück Agentenarbeit: Ein Mossad-Agent, der in die Vorbereitung des Mordanschlags auf einen Hamas-Funktionär in Dubai verwickelt sein soll, wird von Polen ausgeliefert. In Deutschland muss er aber wohl nicht in Haft.

H. Leyendecker

Voraussichtlich in der kommenden Woche wird der mutmaßliche Mossad-Agent Uri Brodsky von polnischen Sicherheitsbehörden an die deutschen Kollegen ausgeliefert. Der Agent soll in die Vorbereitung des spektakulären Mordanschlags auf einen Hamas-Funktionär im Januar in Dubai verwickelt sein. Justizkreise rechnen aber nicht damit, dass ihm in Deutschland der Prozess gemacht wird.

Von Deutschland gesuchter Geheimdienstagent vor Gericht

Der mutmaßliche Agent auf dem Weg ins Warschauer Gericht.

(Foto: dpa)

Vor knapp vier Monaten hatte der Bundesgerichtshof auf Antrag der Karlsruher Bundesanwaltschaft gegen Brodsky Haftbefehl wegen Verdachts "geheimdienstlicher Agententätigkeit auf deutschem Boden" und "mittelbarer Falschbeurkundung" erlassen. Der Agent, der sich auch Alexander Vernin nennt und noch weitere Identitäten besitzt, hatte offenbar ebenso wenig wie der Mossad mitbekommen, dass die Deutschen ihn international zur Fahndung ausgeschrieben hatten. Ahnungslos reiste er am 4. Juni nach Warschau und wurde festgenommen.

Es war weltweit die erste Verhaftung im indirekten Zusammenhang mit dem Attentat von Dubai, an dem mindestens 27 Mossad-Agenten beteiligt gewesen sein sollen. Sie hatten dabei meist falsche oder manipulierte Pässe verwendet. Nur ein Pass soll echt gewesen sein: Er war im Juni 2009 vom Einwohnermeldeamt Köln auf den Namen Michael Bodenheimer ausgestellt worden. Ein gutes halbes Jahr später hatte einer der mutmaßlichen Killer den Pass zur Einreise in die Arabischen Emirate benutzt.

Bei der Passbeschaffung soll Brodsky alias Vernin behilflich gewesen sein, vermutlich ist er ein Spezialist dafür. In Deutschland bedurfte es keiner aufwendigen Fälschung. Der Anspruch auf den echten Ausweis konnte so begründet werden, dass die Eltern des Michael Bodenheimer vor den Nazis geflüchtet seien. Für solche Fälle bietet Artikel116 des Grundgesetzes eine unkomplizierte Einbürgerung, die auch für Abkömmlinge "früherer deutscher Staatsangehöriger" gilt. Eigentlich ein dreckiges Stück Agentenarbeit: Als Legende musste der Holocaust herhalten.

Auch der Bundesnachrichtendienst (BND), der zum Mossad eine relativ gut funktionierende Beziehung pflegt, fühlte sich hintergangen. Während das Dubai-Komplott vorbereitet wurde, hatte der BND auf Bitten Israels im Nahen Osten in einer Gefangenenangelegenheit vermittelt. Über die bevorstehende Exekution und den Einsatz eines deutschen Passes dabei war der Auslandsdienst natürlich nicht informiert. Der Fall beschäftigte fortan zwei deutsche Strafverfolgungsbehörden: Die Kölner Staatsanwaltschaft hatte wegen Urkundenmanipulation und Mord ein Verfahren eingeleitet. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe führte vor allem wegen Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit gegen Brodsky ein Ermittlungsverfahren.

Im Mai schlossen die Kölner Ermittler fürs Erste ihre Akten. Das Einwohnermeldeamt hatte die Einbürgerung rückgängig gemacht; weil Bodenheimer kein Deutscher mehr war und der Mord in Dubai passiert ist, sahen die Ermittler für sich keine Zuständigkeit mehr. Das alles klingt juristisch kompliziert und ist es wohl auch, aber wie es so hin und her lief, war es nicht zum Schaden des Mossad. Israels Regierung hatte in Warschau früh gedrängt, den festgenommenen Brodsky in die Heimat zurückkehren zu lassen und nicht an die Deutschen auszuliefern. Der israelische Botschafter in Warschau soll mehrmals bei der Regierung von Premier Donald Tusk interveniert haben.

Die Polen wollten es sich offenbar weder mit Deutschland noch mit Israel verderben. Das zuständige Gericht in Warschau fand den Ausweg: Wegen der Verwendung falscher Dokumente soll der Verdächtige ausgeliefert werden, aber der Spionagevorwurf wurde fallengelassen. Die Deutschen können sich nun über dieses Auslieferungsurteil, das von einem Berufungsgericht bestätigt wurde, nicht hinwegsetzen. Wenn spätestens nächste Woche die Begründung der Warschauer Richter vorliegt, wird Karlsruhe nicht mehr zuständig sein. Dann bleibt nur die falsche Urkunde - und das erledigen die Ermittler in Köln. Das Ende ist vorhersehbar: Der Agent wird nach seiner Auslieferung bei der Staatsanwaltschaft Köln vorgeführt. Er gibt dann eine Erklärung ab oder nicht. Wahrscheinlich droht ihm eine Geldstrafe, aber Untersuchungshaft scheidet wohl aus. Der Fall wird vermutlich geräuschlos erledigt.

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