Süddeutsche Zeitung

Moskau-Reise:Seehofer stellt sich auf Putins Seite

Beim Besuch üben Seehofer, Stoiber und Putin den Schulterschluss. Die Bayern kritisieren die westlichen Sanktionen gegen Moskau.

Von Daniela Kuhr, Moskau

Herzlich - so darf man den Auftakt des Treffens wohl nennen, bei dem am Mittwochnachmittag in Moskau Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und der russische Staatspräsident Wladimir Putin zusammenkamen. "Zu Bayern unterhalten wir ein besonderes Verhältnis", sagte Putin, "deshalb sind Sie ein besonderer Gast."

Seehofer bestätigte das mit den besonderen Beziehungen zwischen Bayern und Russland und erinnerte Putin prompt an dessen legendären Besuch bei dem damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber im Gasthof Aying im Jahr 2006: "Sie wollten eine Stunde bleiben, sind aber bis nach Mitternacht geblieben." Putin schmunzelte. "Ich hatte keine Möglichkeit, früher wegzugehen", sagte er in sehr gutem Deutsch. Na denn, viel entspannter kann so ein Gespräch gar nicht beginnen.

Keine Kontrahenten

Es sind ja auch nicht gerade Kontrahenten, die sich da begegnet sind. Während die Sanktionen der EU gegen Russland gerade erst - nicht zuletzt auf Druck von Bundeskanzlerin Angela Merkel - verlängert wurden, hat Seehofer schon seit Längerem signalisiert, dass er ihren Sinn in Zweifel zieht. Eine Position, die von Moskau gern zur Kenntnis genommen wurde. Am Mittwoch, unmittelbar vor seinem Treffen mit Putin, hatte Seehofer die Sanktionen erneut infrage gestellt. Sie hätten "massive Wirkungen" auf Bayerns Wirtschaft, insbesondere die Landwirtschaft gehabt und umgekehrt auch Russlands Wirtschaft stark belastet. "Deshalb sollte es im Interesse aller Beteiligten sein, dass wir in absehbarer Zeit zu Veränderungen kommen", sagte Seehofer auf dem Flug nach Moskau. Vor allem ihre jüngst erfolgte Verlängerung sieht er kritisch: "Da manifestiert sich aus meiner Sicht so etwas wie ein Automatismus, und das will ich gerade nicht."

Einen Dissens zur Politik Merkels wollte er dennoch nicht erkennen. "Ich glaube nicht, dass die Kanzlerin die Sanktionen auf Dauer aufrechterhalten möchte." Seehofer bekräftigte, dass die Reise in enger Abstimmung mit der Bundesregierung vorbereitet und sowohl von Merkel als auch von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) begrüßt worden sei. Alle seien sich einig: "Ohne die Russen sind die Probleme in Syrien nicht zu lösen."

Und so nahm denn auch der Syrien-Konflikt einen großen Teil des eine Stunde und 40 Minuten dauernden Gesprächs zwischen Seehofer und Putin ein. Man teile die Überzeugung, sagte Seehofer nach dem Treffen, dass sich die Probleme in Syrien "nur im Zusammenspiel aller" lösen ließen. Zudem sei man sich einig, dass der Bürgerkrieg dort nicht die einzige Ursache für die Flüchtlingskrise sei. "Wir haben auch über andere Ursachen gesprochen", sagte Seehofer, "etwa die Anreizsysteme, aber das lasse ich hier jetzt mal weg." Auch auf Nachfrage wollte er nicht mehr dazu sagen, dennoch wurde deutlich, dass er und Putin die in Deutschland vergleichsweise hohen sozialen Standards für Flüchtlinge kritisch sehen. Was den Konflikt in der Ukraine anbelangt, zeigte Seehofer sich zuversichtlich. "Ich habe Grund zu der Annahme, dass auch Russland weiß, dass sie noch Aufgaben zu erfüllen haben." Insgesamt könne er nach dem Treffen sagen: "Reden lohnt sich, reden bringt uns voran." Kritiker hatten ihm in den vergangenen Tagen vorgeworfen, "Nebenaußenpolitik" zu betreiben. Das wies der CSU-Chef zurück. Jeder Ministerpräsident habe die Pflicht, "sein Land überall in der Welt zu vertreten". Hinzu komme, dass die CSU Teil der Bundesregierung sei: "Alles, was die Bundeskanzlerin macht, was der Außenminister macht, haben wir mit zu entscheiden und mitzutragen." Die Bundeskanzlerin empfinde die Reise daher "als Normalität".

"Wir sind der Überzeugung, dass das alles nur miteinander zu lösen ist, nicht im Konflikt."

Auch aus dem Kreml hieß es, das Treffen trage "keinen Verschwörungscharakter". Die Position Seehofers, der die westlichen Sanktionen kritisch sehe, sei der Führung in Moskau natürlich näher als die Position von Befürwortern der Strafmaßnahmen, sagte Kremlsprecher Dmitrij Peskow am Mittwoch in Moskau. "Man muss hier aber keine Verschwörungen oder Pläne suchen. Es handelt sich um einen Dialog mit dem Leiter eines der wirtschaftlich mächtigsten und führenden Bundesländer", betonte Peskow der Agentur Interfax zufolge.

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SZ vom 04.02.2016/bepe
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