Moskau-Reise:"Kommen Sie wieder"

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer berichtet, wie es bei Wladimir Putin war und stellt fest, dass es mit dem russischen Präsidenten auch nicht grundsätzlich anders ist als mit deutschen Journalisten.

Von Daniela Kuhr, Moskau

Um Punkt 9.30 Uhr biegt die Kolonne um die Ecke des Moskauer Kaufhauses Gum, vorne und hinten Polizeiwagen, in der Mitte zwei dunkle Limousinen - mit Deutschlandfähnchen. Wohlgemerkt Deutschland- und kein Bayernfähnchen. Neben der Basiliuskathedrale mit den verzierten Türmchen halten die Wagen an. Horst Seehofer steigt aus und geht über den Roten Platz zu den Kameras, die bereits auf ihn warten. "Good Morning", sagt Bayerns Ministerpräsident gut gelaunt und strahlt.

Es ist Donnerstagmorgen, durch Moskau pfeift der Wind. Eben hat Seehofer ein Arbeitsfrühstück mit dem Gouverneur des Moskauer Umlands absolviert, jetzt folgen ein Fototermin, danach drei weitere Treffen mit zwei Ministern und dem Moskauer Bürgermeister. Doch der Hauptgrund dafür, dass Seehofer so gut gelaunt ist, dürfte ein anderer sein: Sein umstrittener Besuch bei Russlands Staatspräsident Wladimir Putin liegt bereits hinter ihm - und der CSU-Chef ist "rundum zufrieden", wie er auf dem Roten Platz betont. Was so eine Nacht Schlaf doch für Wunder bewirken kann.

Der CSU-Chef sagt, mancher habe erwartet, dass er als Oberlehrer auftritt. Das sei aber nicht sein Stil

Am Abend vorher war nicht viel zu spüren von dieser Gelassenheit. Jedenfalls nicht am Anfang. Unmittelbar nach seinem Besuch bei Putin war Seehofer ins Hotel gekommen und hatte in der Bar zu einem Pressegespräch gebeten. Nachdem er auf einem der tiefen Sitze Platz genommen hatte, sah er sich um, blickte auf die dunkle Holzvertäfelung und die vor ihm stehenden Journalisten und sagte steif: "Das ist ein komischer Raum, und zweitens wäre es mir lieber, ihr würdet euch auch setzen." Er war angespannt, immer noch - und konnte das kaum verbergen.

Vor der Reise hatte es großen Ärger gegeben. Fraktionsübergreifend hatten Politiker den Besuch als Alleingang kritisiert - und als Versuch, der Kanzlerin in den Rücken zu fallen. Denn Angela Merkel verfolgt, was die Sanktionen wegen der Ukraine anbelangt, bislang einen harten Kurs gegenüber Russland, während Seehofer den wiederholt infrage gestellt hat. Auch in der Flüchtlingspolitik dürfte er deutlich näher bei Putin als bei Merkel sein.

In der Bar betonte der CSU-Chef deshalb, dass die Reise abgestimmt und von der Bundeskanzlerin sogar begrüßt worden sei. Es sei darum gegangen, den Gesprächsfaden zu Russland wieder aufzunehmen und Vertrauen zu schaffen. Als ein Journalist darauf hinwies, dass es eine Sache sei, ob Putin Vertrauen zu Deutschland habe, aber eine andere, ob Deutschland Vertrauen zu Putin haben könne, erwiderte Seehofer: Doch, ja, er habe "ein gutes Vertrauen" zu Putin. "Aber das habe ich auch zu Ihnen", sagte er mit Blick in die Runde. "Und trotzdem schaue ich immer, ob das auch alles stimmt, was Sie so von sich geben." Und da musste Seehofer prompt lachen - zum ersten Mal an diesem Abend.

Seehofer besucht Russland

Bei Putin gewesen, Fototermin vor der Basiliuskathedrale gehabt: Horst Seehofer am Donnerstagmorgen in Moskau.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Er sei Putin offen, "aber nicht blauäugig" gegenübergetreten. Dieses "Oberlehrerhafte", das sich mancher von ihm gewünscht habe, sei nicht sein Stil. "Ich möchte so nicht auftreten." Er glaube nicht, dass das etwas bringe. Man müsse reden und Brücken bauen. "Wenn wir sprachlos Politik machen, dient das nicht dem Weltfrieden." Auf die Frage, ob er Putin denn zum Dank nach Deutschland eingeladen habe, sagte Seehofer: "Das müsste die Kanzlerin vor mir machen." Ein paar Regeln gebe es ja doch noch, "auch für mich". Und wieder musste er lachen - womit die Anspannung endgültig weg war.

Am nächsten Morgen auf dem Roten Platz dauert es nicht lang, bis der Ministerpräsident erneut mit Kritik konfrontiert wird. Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), hatte ihm im Deutschlandfunk unsolidarisches Verhalten vorgeworfen und ein "unstillbares Geltungsbedürfnis". Russische Medien wiederum werteten die Reise als Beweis dafür, dass Merkel in Deutschland allein dastehe, es zum Glück aber vernünftige Menschen wie Seehofer gebe. Darauf angesprochen, zuckt er mit den Schultern. Er gestalte seine Politik nicht nach irgendwelchen Kampagnen, die jemand betreibe, "sondern danach, was ich für wichtig halte in diesem Land". Das Positivste, das er von dem Besuch bei Putin mitnehme, sei die "freundschaftliche Atmosphäre" gewesen. "Kommen Sie wieder", habe der Präsident zum Abschied gesagt. "Das hört man nicht nach jedem Gespräch", sagt Seehofer.

Am Abend wird es dann allerdings doch noch mal ungemütlich für den Ministerpräsidenten. Er hat zur Abschlusspressekonferenz eingeladen, es kommen viele deutsche Journalisten, die in Russland arbeiten - und die nun klare Worte von ihm erwarten, zu klare für Seehofers Geschmack. Als er wieder davon redet, man müsse seinen Gesprächspartnern Vertrauen entgegenbringen, "bis zum Beweis des Gegenteils", will eine Journalisten wissen, ob Putin denn mit dem Handeln auf der Krim nicht eben dieses Gegenteil bewiesen habe. Seehofer druckst herum. Von Krieg will er nicht sprechen, nur von "Schießereien". Er glaubt nun einmal, jemanden nicht in die Enge zu treiben, sei grundsätzlich der erfolgreichere Weg. Die Mienen im Saal verraten: Mit dieser Einschätzung steht er ziemlich allein.

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