Moscheenfinanzierung:Wie die Kontrolle der Geldflüsse aus dem Golf abläuft

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Die Bundesregierung will die Finanzierung deutscher Moscheen aus den Golfstaaten kontrollieren. (Foto: picture alliance/dpa)
  • Im Auswärtigen Amt werden Spenden aus Saudi-Arabien und den Golfstaaten an Moschee-Gemeinden überprüft.
  • Damit will die Bundesregierung einer möglichen Finanzierung von radikalen Verbänden Einhalt gebieten.
  • Neben der Finanzierung von Moscheen beschäftigt den Staat auch die Unterwanderung von den Islamismus ablehnenden Gemeinden.

Von Georg Mascolo und Ronen Steinke

Auf allen Fernsehkanälen liefen noch die Bilder der nach Deutschland geflohenen Menschen, da trat am 4. November 2015 im "Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum" in Berlin die nur selten tagende "Arbeitsgruppe 8" zusammen. Polizei, aber auch Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst (BND) saßen am Tisch, als die für "Transnationale Aspekte" zuständige Gruppe einen heiklen Auftrag übernahm.

Sie sollte prüfen, ob mit Geld aus den Ölmonarchien am Golf eine radikale Auslegung des Islam in Deutschland gefördert wird; der Salafismus, der westliche Demokratien ablehnt. Erste Hinweise gab es schon, salafistische Prediger tauchten vor Flüchtlingsheimen auf und boten ihre Hilfe und Unterstützung an, teils auch Geld. Die Salafisten schienen über ziemliche Ressourcen zu verfügen. Woher haben die eigentlich so viel Geld, lautete die Frage im Terror-Abwehrzentrum.

Ein Jahr später legten Verfassungsschutz und BND einen ersten Bericht vor, das Papier ging bis hinauf ins Kanzleramt. Namen von Stiftungen aus Kuwait, Katar und Saudi-Arabien fanden sich darin, "salafistische Missionierungsorganisationen aus den Golfstaaten vernetzen sich zunehmend mit Salafisten in Europa und Deutschland", hieß es in dem Geheimdienstpapier. Eines der Beispiele betraf die in den USA wegen angeblicher Terror-Unterstützung verbotene "Revival of Islamic Heritage Society" aus Kuwait. Sie hatte im baden-württembergischen Fellbach-Oeffingen versucht, ein salafistisches Zentrum zu errichten, laut Verfassungsschutz "Teil eines Strategieplanes zur Missionierung Süddeutschlands".

ExklusivFinanzierung aus den Golfstaaten
:Berlin will Geld für Moscheen kontrollieren

Das Auswärtige Amt verlangt von Saudi-Arabien und den Golfstaaten, Zahlungen künftig anzumelden. Um Einflussnahme einzudämmen, werden Absender und Empfänger von BND und Verfassungsschutz überprüft.

Von Georg Mascolo

Als Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR über das Dossier berichteten, kam es zu wütenden Dementis der Stiftungen und der Botschaft Saudi-Arabiens in Berlin. Man weise die Behauptungen "nachdrücklich" zurück. Die Deutschen sollten doch bitte ihre Belege präsentieren. Die Golfstaaten gelten als lukrativer Absatzmarkt, mit offener Kritik an ihnen tut sich die Bundesregierung ziemlich schwer. Neue Recherchen zeigen nun aber, dass Berlin durchaus nicht nachlässt.

Die Verbreitung einer radikalen Islamvariante zumindest will die Bundesregierung offenbar nicht mehr länger hinnehmen. Vor der Islamkonferenz im November erklärte Innenminister Horst Seehofer (CSU) offen, die "ausländische Einflussnahme" auf Moscheen müsse beendet werden. Gemeint war nicht nur die Türkei, die Hunderte Imame nach Deutschland schickt. Gemeint waren auch die Golfstaaten, die neben Geld auch oft besonders radikal auftretende Prediger entsenden.

Der genaue Umfang ist unbekannt, zu vielfältig sind die Wege, über die das Geld nach Deutschland fließt. Nicht nur über Konten kommt es. In manchen Bundesländern beobachten Behörden auch, wie Männer mit Bargeld durch Moscheen touren. Wo ihnen die Predigt gefällt, hinterlassen sie eine Spende. Von einer jährlich "mindestens" zweistelligen Millionensumme für deutsche Salafisten spricht der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalens, nach anderen Schätzungen ist es in Europa ein dreistelliger Millionenbetrag. Der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte unlängst im Deutschlandfunk, Saudi-Arabien sei über "viele, viele Jahre einer der großen Financiers von Terrororganisationen" gewesen. "Die Menschen, die aus Deutschland sich dem 'Islamischen Staat' angeschlossen haben, kamen fast alle aus salafistischen Moscheen, die von Saudi-Arabien finanziert wurden." Tatsächlich verkehrten laut dem Bundeskriminalamt 96 Prozent aller zum IS ausgereisten Dschihadisten vorher im salafistischen Milieu.

In der Bundesregierung scheint es deshalb nun eine Entschlossenheit zu geben, solche Geldströme besser zu kontrollieren. Seit dem Frühjahr gibt es ein zwischen Kanzleramt, dem Finanz-, Innen- und Außenministerium verabredetes Verfahren. Die Golfstaaten werden ersucht, Spenden anzumelden und auch mitzuteilen, wenn sich eine deutsche Moschee bei ihnen um Geld bemüht. Egal, ob es aus der Staatskasse oder einer der Stiftungen stammt.

Vor allem Kuwait meldet jetzt angeblich öfters Spenden an, und dann wird im Auswärtigen Amt das für den Mittleren Osten und die Arabische Halbinsel zuständige Referat 311 aktiv. Es bittet um Details: Wer ist der Empfänger in Deutschland, wer ist der Absender am Golf? Die Informationen gehen an den BND und an den Verfassungsschutz. Dort beschäftigt sich inzwischen eine feste Gruppe von Experten mit dem Geld vom Golf. Geprüft wird etwa, ob ein als besonders radikal geltendes Gebetshaus gefördert werden soll.

Das Referat 311 sagt dem Golfstaat dann, ob die Geldzahlung willkommen ist. Oder ob die Bundesregierung diese ablehnt. Wirkliche Verbote kann man nicht aussprechen, in Deutschland sind Religionsgemeinschaften frei darin, Hilfe von überall anzunehmen. Auch darf der Staat ihre Konten nur in engen Ausnahmefällen durchleuchten. Nur dann, wenn ein Terrorverdacht im Raum steht.

Im Kampf gegen die Financiers der Fundamentalisten vertraut die Bundesregierung eher auf gute Manieren: Diplomatisch wäre es eine ziemliche Unhöflichkeit, würden Golfstaaten trotz ausdrücklicher Bedenken Berlins zahlen. Saudi-Arabien, traditionell im Religionsexport führend, soll bereits seit 2010 immer mal wieder gefragt haben, ob Bedenken gegen Spenden bestehen. Allerdings nur in Einzelfällen.

Die neu eingeführte Spendenkontrolle ist nicht streng. Sie umfasst auch weiterhin nicht die vielen anderen Wege, über die sich ausländische Akteure Einfluss sichern können. Einige Köpfe der salafistischen Szene in Nordrhein-Westfalen, so beobachtet es der Verfassungsschutz dort, werden etwa mit Stipendien nach Saudi-Arabien eingeladen. Dort gebe es für sie Sprachkurse und religiöse Ausbildung, danach kehrten sie zurück. So fließt kein Geld direkt nach Deutschland.

Oder es läuft auch umgekehrt. Saudi-Arabien schickt sogenannte Reiseprediger. "Obwohl die Vorträge dieser Prediger in Europa in der Regel nicht offen extremistisch oder gewaltverherrlichend sind", so analysiert der Verfassungsschutz in NRW, stärkten die Gastprediger den Zusammenhalt der salafistischen Szene. Vor allem wenn es Starprediger sind, Muhammad al-Arifi aus Saudi-Arabien zum Beispiel, der bei Twitter mehr als 20 Millionen Anhänger hat. Bei Auftritten in Deutschland, etwa 2013 in Heidelberg und Berlin, verzichtete er darauf, Juden als "die Enkel von Affen und Schweinen" zu bezeichnen. Im Internet verkneift er es sich nicht.

Reiseprediger aus Saudi-Arabien: Muhammad al-Arifi . (Foto: youtube)

Moscheen sind oft knapp bei Kasse, der Staat hilft ihnen nicht mit einer Kirchensteuer

Ein anderer saudischer Prediger, der 2015 und 2017 in Düsseldorf auftrat, zog sogar mehr als 1000 Besucher an, auch aus europäischen Nachbarländern. Für Moscheen lohnen sich solche prominenten Gäste, man lädt sie ein, auch um Geldgebern im Ausland zu gefallen. Kommt ein Prediger etwa aus Katar, dann kommt wenig später oft auch eine Spende von dort.

Auf Dauer nicht weniger brisant ist womöglich noch etwas anderes: die leise Unterwanderung solcher Moscheen, die bislang den Fundamentalismus klar ablehnen. Moscheen sind oft knapp bei Kasse, der Staat hilft ihnen in Deutschland nicht mit einer Kirchensteuer. Die Idee, eine "Moscheesteuer" einzuführen, wird deshalb gerade wieder intensiv diskutiert. Moscheen sind bislang auf Spenden angewiesen, wenn sie nicht in Abbruchhäusern beten wollen, in denen ein Gefühl der Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft schlecht gedeihen kann. Wenn sich bei ihnen ein Großspender meldet, ist die Versuchung groß, das Geld zu nehmen.

In einer ostdeutschen Stadt zum Beispiel konnte die Moscheegemeinde kürzlich aus Hinterhofräumen ausziehen, hinein in ein Haus in schöner Innenstadtlage. Das signalisiert: Wir gehören dazu. Lang hatte der Gemeindevorstand, der modern ausgerichtet ist, sich dies gewünscht. Hätte er jetzt das Angebot von knapp 200 000 Euro eines Saudis ablehnen sollen, der das plötzlich ermöglichte? Der Spender beteuerte, er verlange nichts. Er wolle nur helfen. Er kenne die Gegend, weil er zur medizinischen Behandlung dort gewesen sei. So beschloss man, die Spende anzunehmen - aber darüber zu schweigen, auch damit Gemeindemitglieder sich nicht Saudi-Arabien verpflichtet fühlen.

Auch solche Fälle will die Bundesregierung künftig im Blick behalten, wenn sie Spenden registriert. Was ihre Wirkung ist, wird man vielleicht erst in ein paar Jahren beurteilen können.

© SZ vom 28.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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