Mosambik:Wasser, das Häuser schluckt

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Zwei Frauen blicken in der Küstenstasdt Beira von einem Balkon aus auf das Meer.

(Foto: AFP)

In einer mosambikanischen Küstenstadt kann man erleben, was Millionen Menschen droht, wenn der Meeresspiegel weiter steigt.

Von Michael Bauchmüller, Beira

Wenn Cheizin Mussa vor ihr Haus tritt, dann ist da das Meer. Kein Garten mehr, nur noch Wasser. Wenn ein Sturm kommt, dann peitscht er das Meer über die kleine Mauer vor dem Haus, und bei Flut züngeln die Wellen am Fundament. "Früher haben wir es geliebt, so nah am Meer zu wohnen", sagt die 37-Jährige. "Heute macht es uns Angst." Früher war zwischen Haus und Meer ein Gemüsegarten. Heute liegen dort hart gewordene Zementsäcke, ein verzweifeltes Bollwerk gegen den Indischen Ozean. Und keine hundert Meter weiter steht auf einem Vorsprung ein halbes Haus. Das Meer hat das Fundament wegsacken lassen. Die Bewohner sind weg.

Knapp 600 000 Menschen leben in Beira, einer Küstenstadt in Mosambik. Stimmen die Schätzungen des Weltklimarats IPCC, dann ist das ein Promille jener 600 Millionen Menschen, an deren Heimat die Meere arbeiten, mit jedem Zentimeter Anstieg ein bisschen mehr. Die Küsten werden schmaler, die Menschen werden mehr. Gerade Städte am Meer wachsen schnell, Häfen verheißen auch in Entwicklungsländern Lohn und Brot. Noch 1970 hatte Beira, die drittgrößte Stadt des Landes, nur gut 100 000 Einwohner. Oft siedeln die Ärmsten direkt am Meer.

Erst kommt das Überleben, dann die Umwelt

Nicht weit von Mussas Haus haben sie sogar ein ganzes Viertel hochgezogen, eine Mischung aus richtigen Häusern und Wellblechhütten. Die Marktstraße führt direkt ans Wasser, doch ihr Ende ist eine Kante. Jedes Jahr wird die Straße ein kleines Stückchen kürzer, und Seitenstraßen verschwinden. Drei davon sind schon weg, sie verliefen parallel zum Ufer. Das Meer nahm sie mit. Die Häuser, die als nächstes dran sind, hängen zum Teil in der Luft.

Wer hier Opfer ist oder auch selbst Schuld trägt, lässt sich nur schwer entschlüsseln. Da sind, klar, die Emissionen der Industriestaaten, der Klimawandel - sie lassen den Meeresspiegel steigen, womöglich um einen Meter noch in diesem Jahrhundert.

Aber da sind auch jene, die so nah ans Meer gebaut haben - und dafür die Mangrovenwälder zerstört haben, die einst die Küste vor dem Meer schützten. Mit Klimapolitik haben die wenigsten von ihnen etwas am Hut, geschweige denn mit einer wichtigen Konferenz in Paris Ende dieses Monats. "Die Menschen haben andere Sorgen", sagt Pater Alberto Ferreira, Rektor der Katholischen Universität in Beira. "Wenn es um dein Überleben geht, kommt die Umwelt an zweiter Stelle."

Aus Beira soll eine klimafreundliche Stadt werden

So gesehen hat Baum K 580 ziemliches Glück gehabt. Die Mangrove ist seit Kurzem genau registriert, am Stamm hängt ein Nummernschild. Der Bagger macht einen großen Bogen um den Baum, ganz anders als um die Hütten am Fluss. Geht der Plan auf, soll K 580, auch mit Hilfe deutscher Entwicklungshelfer, Teil der Zukunft Beiras werden. Denn die Stadt hat begonnen, entlang des Flusses Chiveve verlorene Fläche zurückzuerobern. Bis vor Kurzem siedelten am Ufer noch die Armen; nun soll hier wieder ein richtiger Fluss entstehen.

Der Chiveve fließt zwar zum Meer, doch wo früher die Mündung war, erhebt sich heute ein Damm. Nur drei schmale Rohre verbinden den Fluss mit dem Meer. Der Damm soll verhindern, dass bei Stürmen und bei Flut die Innenstadt vom Meer überschwemmt wird. Doch er wirkt auch anders herum: In der Regenzeit staut sich der Fluss in der Stadt. Der Chiveve wird zu einer Kloake voller Insekten, 1000 Cholera-Tote zählte die Stadtverwaltung in einem Jahr. Das Regenwasser fließt nicht ab.

Eine Schleuse soll jetzt die drei Rohre ersetzen - geschlossen bei Flut, sonst immer offen. Aus Beira soll eine klimawandeltaugliche Küstenstadt werden. Einerseits entstehen Kanäle und ein neuer Flusslauf, sie sollen das Regenwasser ableiten. Aber gleichzeitig braucht es Schleusen überall dort, wo die Kanäle auf das Meer treffen.

Schon jetzt liegen Teile der Stadt unterhalb des Meeresspiegels, müssen Pumpen das Wasser wegschaffen. Denn mit dem Meeresspiegel steigt auch das Grundwasser. Schleusen und Pumpen: Sie sollen Beira künstlich trockenlegen.

Der Bürgermeister träumt von kleinen Booten für die Touristen

Geht der Plan von Daviz Simango auf, dann wird K 580 Teil einer Parkanlage. Simango ist Bürgermeister von Beira und zugleich Chef jener Oppositionspartei, die nicht in die Wirren des mosambikanischen Bürgerkriegs verwickelt war, sie entstand erst später. Simangos Traum ist eine andere Stadt - eine, die aus Meer und Fluss Kapital schlägt. "Diese Stadt hat das Potenzial, ein Venedig Afrikas zu werden", sagt er. Vor seinem inneren Auge sieht er kleine Boote, die Touristen über den Chiveve fahren, ein ganz neues Lebensgefühl.

Die deutsche Förderbank KfW hat er von dem Plan schon begeistern können, sie hilft mit bei der Wiederbelebung des Chiveve. Auch die Weltbank unterstützt das Projekt.

Schon haben europäische Landschaftsarchitekten Pläne des Parks gezeichnet, auf gepflegten Wegen flanieren die Touristen im Sonnenschein, rund um den Fluss ist alles grün. Fliegende Händler gibt es nicht auf den Zeichnungen, auch nicht die sengende Mittagsglut und die früh einbrechende Dunkelheit. Die Probleme der Leute am Meer wirken auf den Plänen unendlich weit weg.

Dabei wurde der Traum vom Tourismus auch hier schon einmal ausgeträumt. Nur einen Steinwurf von Cheizin Mussas Haus entfernt steht das berühmte "Grande Hotel", mit dem einst die portugiesischen Kolonialherren die Welt nach Beira holen wollten. Doch was einst eine der prunkvollsten Herbergen Afrikas war, ist seit 30 Jahren eines der größten besetzten Häuser der Welt. Anstelle von Urlaubern aus Europa wohnen dort 3700 Flüchtlinge des mosambikanischen Bürgerkriegs.

An die Zukunft glauben, um sie zu erreichen

Simango, selbst ein Ingenieur, will sich von all dem nicht beirren lassen. Er glaubt an eine Zukunft seiner absaufenden Stadt, auch in Zeiten des Klimawandels. Schulklassen bekommen nun ein Comic gezeigt, in dem ein Großvater seinem Enkel beim Angeln von alten Zeiten erzählt.

Der Chiveve von einst ist darauf ein schmutziger Fluss, voller Autoreifen, Plastikflaschen und toten Fischen. Aus dem neuen Fluss dagegen zieht der Großvater nun kerngesunde Fische.

"Wir müssen an unsere Zukunft glauben, um sie zu erreichen", sagt Simango. Vielleicht hat er recht, vielleicht müssen gerade Schulklassen den Traum mitträumen. In der Ferne sieht man in den Comics sogar die Kräne des Hafens von Beira. Was hier im großen Stil verschifft wird, hat allerdings mehr mit der Stadt und dem bedrohlich steigenden Meeresspiegel zu tun, als ihr lieb sein kann: Es ist Kohle für die Kraftwerke der Industriestaaten.

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