Mordfall Siegfried Buback:"Wisniewski wäre der Gau"

Michael Buback hält die neuen Hinweise auf Stefan Wisniewski als Mörder seines Vaters für unglaubwürdig. Ob die beiden Ex-RAF-Terroristen Maier-Witt und Boock ihren früheren Komplizen tatsächlich belasten, ist fragwürdig.

Oliver Das Gupta und Markus C. Schulte von Drach

Diesen Montag sorgte der Mordfall Siegfried Buback erneut für Schlagzeilen. Spiegel Online meldete vorab, was Spiegel TV ein paar Tage später berichten wird: Kurz vor dem Prozess gegen die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker als Beteiligte am Attentat auf den Generalbundesanwalt beschuldigen zwei von Beckers früheren Weggefährten ein weiteres Ex-Mitglied der RAF als Schützen: Stefan Wisniewski habe am 7. April 1977 auf Buback geschossen, und zwar von einem Motorrad aus, das von Günter Sonnenberg gesteuert wurde, behaupten Jürgen Boock und Silke Maier-Witt dem Beitrag zufolge. Während Boock Wisniewski bereits früher als möglichen Schützen bezeichnet hatte, meldete sich Maier-Witt erst jetzt zu Wort.

Michael Buback, Siegfrid Buback

Ein Ermittler untersucht am 7. April 1977 im Bundekriminalamt in Wiesbaden das sichergestellte Motorrad, das bei der Ermordung des Generalbundesanwalts Siegfried Buback benutzt wurde (links). Michael Buback (rechts) zufolge stammen Haare, die in einem der Helme entdeckt wurden, von Verena Becker.

(Foto: dapd)

Die weiteren Einlassungen der Ex-Terroristin: Sie, Boock, Brigitte Mohnhaupt und Sieglinde Hofmann hätten sich demnach in Amsterdam aufgehalten, als Wisniewski sie per Telefon über die Ermordung informierte. Von Hoffmann will sie erfahren haben, dass Wisniewski auch selbst der Täter gewesen sei. Bereits seit 2007 ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen Wisniewski, Verena Becker wirft sie vor, am Vortag des Attentats, den Tatort ausgespäht oder zwei weitere RAF-Mitglieder dabei unterstützt zu haben.

Soweit der Spiegel-TV-Bericht.

Inzwischen entwickelt sich die Causa zu einem Verwirrspiel: Ex-Terroristin Silke Maier-Witt dementierte in der Welt, dass sie ihren ehemaligen Kampfgenossen Stefan Wisniewski der Tat bezichtigt habe.

Und auch Michael Buback, der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts, zeigt sich skeptisch - und verweist auf Boock. "Nachdem mir Peter Boock vor einigen Tagen mitgeteilt hat, ihm seien jetzt Zweifel gekommen, ob ihn seine früheren RAF-Partner mit dem Hinweis auf Stefan Wisniewski als Karlsruher Schützen nicht doch getäuscht haben, kann ich diese Meldung nicht recht ernst nehmen", erklärt Buback nun im Gespräch mit sueddeutsche.de. "Es wären ja bei ihm und bei Silke Maier-Witt auch nur Informationen vom Hörensagen. Im Text der 'Bezichtigung' steht, Wisniewski habe das Gelingen des Anschlags nach Amsterdam gemeldet. Dies bedeutet noch nicht, dass er geschossen hat."

Auch von neuen Hinweisen des Verfassungsschutzes, wonach Verena Becker und Brigitte Mohnhaupt am Tattag im Nahen Osten gewesen sein sollen, hält er wenig. Dem Spiegel zufolge soll aus einem bislang unter Verschluss gehaltenen Vermerk des Verfassungsschutzes hervorgehen, dass Becker zum Zeitpunkt des Attentates angeblich nicht in Deutschland war sondern mit Mohnhaupt zuvor nach Bagdad geflogen sei. "Das kann eigentlich nicht sein, denn Becker wurde am Tag vor dem Attentat in Karlsruhe erkannt und war fünf Tage danach an einem Banküberfall in Köln beteiligt", erklärt Michael Buback. "Auch Brigitte Mohnhaupt kann damals nicht am selben Tag sowohl in Bagdad gewesen sein als auch in Amsterdam die Meldung über das Attentat entgegengenommen haben."

Boock und Maier-Witt bezeichnen diese Spiegel-Informationen in dem Spiegel-TV-Interview ebenfalls als "absoluten Humbug".

"Schützende Hand über Verena Becker"

Buback zufolge deuten Fakten und die Aussagen von Augenzeugen darauf hin, dass Verena Becker auf seinen Vater geschossen hat. Allerdings sollte man sich nicht ausschließlich auf sie fokussieren. "In den vergangenen drei Jahren hat sich herauskristallisiert, dass keine der drei bislang wegen des Attentats verurteilten Personen, also Knut Folkerts, Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt, bei der Tatausführung auf dem Motorrad saß. Somit fehlen Urteile gegen zwei Täter. Hierbei richtet sich ein besonders starker Tatverdacht auf Günter Sonnenberg und Verena Becker."

Diese hätten bei ihrer Festnahme in Singen, etwa vier Wochen nach dem Attentat, die Karlsruher Tatwaffe mit sich geführt sowie einen Suzuki-Schraubendreher, wie er im Bordset des von Sonnenberg angemieteten Tatmotorrads fehlte, stellt Buback fest. "BKA-Dokumente besagen, dass die Haarspur in einem der Motorradhelme identisch ist mit Haarspuren in Verena Beckers Haarbürste. Besonders gravierend ist, dass etwa zwanzig Augenzeugen meinen, eine zierliche Person, eine Frau habe auf dem Motorrad gesessen." Allerdings, kritisiert er, sei keiner dieser Zeugen zu einem der beiden Prozesse zum Karlsruher Attentat geladen, um diese Aussage vor Gericht zu machen. Auch wurde keiner dieser Zeugen zu einer Gegenüberstellung mit Verena Becker geladen. Zudem wurde Verena Becker am Vortag des Attentats in unmittelbarer Nähe des späteren Tatorts erkannt.

"Übrigens, wenn Stefan Wisniewski in Karlsruhe geschossen hätte, wie einzelne der früheren Terroristen angeblich behaupten, wäre dies für die Bundesanwaltschaft der schlimmstmögliche Fall, ein Super-Gau, da der Generalbundesanwalt 1982 vom Verfassungsschutz auf Wisniewski als Täter hingewiesen wurde, aber Kurt Rebmann nicht einmal ein Ermittlungsverfahren aufnahm", stellt Buback fest. Es sei somit günstig für die Bundesanwaltschaft, dass die seit drei Jahren gegen Wisniewski geführten Ermittlungen keine klaren Hinweise auf Wisniewski als einen der Täter auf der Suzuki erbracht haben.

Laut taz erklärte Buback zuvor: "Die nachgereichten Informationen (des Verfassungsschutzes; Anm. d. Red.) wirken auf mich wie ein neuerlicher, allerdings besonders massiver Versuch, eine schützende Hand über Verena Becker zu halten."

Tatsächlich hat Becker mit dem Verfassungsschutz zusammengearbeitet. Aber nicht vor dem März 1980, wie das Bundesamt für Verfassungsschutz der Bundesanwaltschaft mitgeteilt hat. Michael Buback hat allerdings festgestellt, dass Beckers Hinweis auf Wisniewski als Täter im Jahre 1981 nicht im Vermerk über ihre Vernehmung zu finden ist, sondern nur in einem zusammenfassenden Vermerk der Auswerter, berichtet die taz. Dies wurde von anderer Stelle bereits veröffentlicht.

Hat Becker also tatsächlich Wisniewski beschuldigt oder wurden die Verfassungsschutzakte manipuliert?

Die Bundesanwaltschaft geht weiterhin davon aus, dass Becker zwar "hinreichend verdächtig" ist, "als Mittäterin an dem Anschlag auf Generalbundesanwalt Buback und seine beiden Begleiter beteiligt gewesen zu sein. Die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft geht allerdings nicht davon aus, dass sie eines der beiden Mitglieder des Anschlagkommandos auf dem Tatmotorrad war." Und die von "Spiegel Online wiedergegebenen Äußerungen von Silke Maier-Witt und Peter Jürgen Boock bezüglich Stefan Wisniewski finden sich in den Angaben, die sie gegenüber den Strafverfolgungsbehörden gemacht haben, nicht wieder". Darüber hinaus "können auch die Haarspuren aus dem Motorradhelm (eines der Täter; Anm. d. Red.) nicht mit den Kopfhaarproben von Verena Becker [...] übereinstimmen", heißt es in einer schriftlichen Erklärung aus Karlsruhe, die sueddeutsche.de vorliegt.

So wie es aussieht, wird sich der Prozess, der am Donnerstag beginnt, nicht nur intensiv mit der Rolle von Verena Becker bei der Ermordung von Siegfried Buback beschäftigen. Sondern auch mit den kritischen Fragen, die Michael Buback als Nebenkläger an die Bundesanwaltschaft stellen wird.

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