Irgendwann an diesem langen Vormittag kam im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts die Sprache auf den Krieg in der Ukraine. Genauer: auf die Kriegsverbrechen, die dort begangen werden. Ein Rechtsprofessor wollte illustrieren, wie gewaltig das Bedürfnis nach Strafe sein könne, selbst nach einem rechtskräftig abgeschlossenen Prozess. Verfassungsrichter Peter Müller nahm die Vorlage dankbar auf und spielte einen hypothetischen Fall durch: Zwei Söldner von Prigoschin, dem Chef der russischen Wagner-Gruppe, setzen sich nach Deutschland ab, werden angeklagt, aber aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Dann aber tauchen neue Beweise auf - woraufhin der eine gesteht, der andere aber schweigt. Würde der Paragraf, um den an diesem Mittwoch in Karlsruhe gestritten wurde, tatsächlich gekippt, dann wäre nur die Wiederaufnahme des Prozesses gegen den geständigen Söldner erlaubt. Der zweite Mann käme davon. "Glauben Sie nicht, dass das ein Tatbestand ist, der das Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttern kann?", lautete Müllers rhetorische Frage.
Justiz:Freispruch mit Fragezeichen
Seit 40 Jahren ist der mutmaßliche Mörder von Frederike von Möhlmann frei - weil seine DNA-Spuren erst nach dem Freispruch zugeordnet werden konnten. Das Bundesverfassungsgericht muss entscheiden: Darf jemand für eine Tat zweimal vor Gericht gestellt werden?
Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe
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