Mordfall Anna Lindh:Ermittler verhängen Informationssperre

Der 35 Jahre alte Mann, den die schwedische Polizei am Dienstagabend festgenommen hat, ist noch nicht als Mörder der Außenministerin Anna Lindh überführt.

(SZ vom 18.9. 2003) - Weil dem Verdächtigen ein Anwalt zur Seite gestellt werden musste, fand ein erstes eingehendes Verhör erst am Mittwochabend statt. Die DNA-Probe, die man dem Mann entnommen hat und von der sich die Ermittler Aufschluss erhoffen, ist noch nicht ausgewertet. Ein Ergebnis wird für diesen Donnerstag erwartet.

Spätestens am Freitag wird die Staatsanwaltschaft darüber entscheiden, ob gegen den Mann "Untersuchungshaft vor dem Haftrichter" beantragt wird.

Über alle Begleitumstände der Festnahme und die Fahndungsentwicklung verhängte die Staatsanwaltschaft eine Informationssperre. Einem unbestätigten Rundfunkbericht zufolge bestritt der Festgenommene den Mordvorwurf. Über ein Alibi verfüge er nicht.

Der Hauptverdächtige war in einer Gaststätte im Stockholmer Vorort Solna festgenommen worden. Er verfolgte gerade am Fernseher des Lokals das Stockholmer Fußball-Derby zwischen Djurgarden und Hammarby.

Nach Angaben der Polizei verlief die Festnahme undramatisch. Der Mann sei nicht bewaffnet gewesen. Nur wenige hundert Meter von der Kneipe entfernt befindet sich das Rasunda-Stadion, in dem das im Fernsehen übertragene Fußballspiel stattfand.

Langes Strafregister

Auf der Tribüne des Stadions saßen zur Zeit der Festnahme auch Anna Lindhs Mann und ihre beiden Söhne. Sie hatten etwas Ablenkung gesucht.

Der 35-Jährige hat ein Strafregister mit 18 Einträgen, darunter Körperverletzung, Kreditkartenbetrug, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, Bedrohung von Polizeibeamten und Diebstahl.

Die Medien berichteten, der Mann habe "Anpassungsprobleme, Persönlichkeitsstörungen und narzisstische Neigungen". Angehörige und Bekannte beschrieben ihn als "aggressiv und leicht provozierbar", doch sei er auch intelligent und redegewandt.

"Er ist zwei Personen in einer", sagte sein Stiefvater der schwedischen Nachrichtenagentur TT. Er gab zu erkennen, dass die Annahme, der Festgenommene habe Kontakte zu Neonazis, berechtigt sei.

"Er dachte, er steht über allen. Er blickte auf Arbeiter herab und er mochte keine Einwanderer", sagte der Stiefvater. Doch glaubt er nicht, dass sein Stiefsohn Anna Lindh umgebracht hat: "Er ist zwar gewalttätig, aber für so eine Tat ist er zu feige."

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